Martin Metz: „Die Priorität muss bei Erhalt vor Neubau liegen“

Zum Antrag der FDP-Fraktion auf eine Aktuelle Stunde zum Thema "Risikofaktor Brücken"

Portrait Martin Metz

Martin Metz (GRÜNE): Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident! Guten Morgen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir haben in Deutschland ein Brückenproblem, das nicht zum ersten Mal Thema im Plenum ist. Das betrifft im Übrigen – dies einmal vorweg – nicht nur die Straßenbrücken, sondern auch die Schienenbrücken, die leider in letzter Zeit etwas aus dem Fokus geraten sind.

Zu den Straßen: Gerade in Westdeutschland sind viele Straßenbrücken in den 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahren gebaut worden. Sie waren damals nicht für die Verkehrslasten des 21. Jahrhunderts ausgelegt. Das merken wir nun. Diese Brücken – deutschlandweit Tausende – sind nun sanierungsbedürftig oder müssen teilweise ganz neu gebaut werden.

So weit die Erkenntnisebene. Wir haben eigentlich kein Erkenntnisproblem. Aber einige haben ein Problem damit, aus der Erkenntnis die richtigen Schlüsse zu ziehen und dann umzusetzen.

Will man die Bröselbrücken denn wirklich in den Griff kriegen, gibt es zwei zentrale Botschaften, die ich an den Anfang stellen will – trotz dieser ganzen Reden, die hier mit wenig Inhalt gehalten wurden.

Wenn man das Thema ernsthaft angehen will, müssen wir erstens den Anstieg des Lkw-Verkehrs zumindest bremsen.

(Lachen von der AfD)

Dabei ist klar: Es geht nicht darum, die Mobilität der Güter in Nordrhein-Westfalen abzuwürgen. Das könnten wir uns als Industrieland Nordrhein-Westfalen und Deutschland nicht erlauben. Aber es kann auch nicht sein, dass mit Dumpingpreisen weiter Lagerhaltung auf die öffentlichen Straßen verlagert wird.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Außerdem müssen wir die Alternativen stärken – für einen umweltfreundlichen Gütertransport mit der Bahn und der Binnenschifffahrt.

Herr Wissing hat in seiner Verkehrsprognose gesagt, im Jahr 2051 werde es 54 % mehr Lkw-Verkehr auf deutschen Straßen geben. Stellen Sie sich das einmal plastisch physisch auf diesen Straßen vor, wenn zu zwei Lkws ein zusätzlicher dritter dazukommt. Stellen Sie sich vor, was das für unser Straßennetz bedeuten würde.

Verkehrsprognosen sind kein Schicksal. Wenn man eine Politik mit Gestaltungsanspruch verfolgt, sind sie ein Handlungsauftrag, dafür zu sorgen, dass wir Mobilität nachhaltig abwickeln können.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Zweitens: Erhalt vor Neubau. Geld ist endlich, und Fachpersonal im Straßenbau ist endlich. Schon allein deshalb muss die Priorität bei Erhalt vor Neubau liegen.

Dazu haben wir Formulierungen im Ampel-Koalitionsvertrag im Bund, und wir haben im NRW-Koalitionsvertrag festgehalten: Beim Straßenbau hat die Sanierung für uns Vorrang vor dem Neubau.

(Beifall von den GRÜNEN und Klaus Voussem [CDU])

Wenn wir das ernst meinen und eben nicht wollen, dass sich Lüdenscheid zigmal wiederholt, wenn wir wirklich die Mobilität von Menschen und Gütern für einen zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort NRW sichern wollen, dann kann das nur heißen, dass wir gemeinsam – Bund, Länder und Kommunen – alle Kraft dafür aufwenden, die Fehler der letzten Jahrzehnte zu heilen und unsere bestehende Infrastruktur wieder flottzumachen. Das ist eine Kraftanstrengung, die uns, wenn man realistisch ist, für Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird.

Das muss oberste Priorität im Bereich „Straßen“ haben. Ich sage auch deutlich: Es gibt nur eine oberste Priorität.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns an vielen Stellen – auch hier heute – mit dem Zustand unserer Straßenbrücken beschäftigen.

Doch manchmal – das muss ich wirklich sagen – wie zu Zeiten dieser Aktuellen Stunde kann man bezweifeln, ob die Erkenntnis der Dramatik in diesem Bereich wirklich bei allen angekommen ist, und muss sich fragen, ob da nicht geschlafen wurde.

Denn die IHK-Angaben zu den Brücken, die jetzt vorgestellt werden, sind nicht neu. Sie stehen seit über einem Jahr auf der Website des Bundesverkehrsministeriums. Nutzen Sie eine Suchmaschine Ihres Vertrauens und geben Sie dort „Brückenkarte“ ein. Sie landen auf einer transparenten Darstellung, in der genau das, was die IHKn aufgelistet haben, alles komplett nachzuvollziehen ist.

(Zuruf von der SPD: Und deshalb ist alles in Ordnung?)

Diese Daten sind also auch nicht ein Jahr alt, sondern haben im Wesentlichen den Stand aus dem Jahr 2020. Die IHKn haben diese Angaben auf die IHK-Bezirke im Rheinland heruntergebrochen, um ihren berechtigten Forderungen Nachdruck zu verleihen, dass sich bei diesem Thema etwas tun muss.

Das wiederum haben sie aber auch nicht zum ersten Mal getan. Sie haben es schon vor zwei Jahren getan. Sie können sich eine Pressemitteilung vom 21. Januar 2021 durchlesen, in der die IHKn aus dem Rheinland auf Basis der Zustandsnoten – nicht des Traglastindexes, wobei das jetzt Fachchinesisch ist, sondern auf Basis anderer Noten – gesagt haben: Wir haben ein großes Problem mit den Straßenbrücken im Rheinland. Dieses Problem müssen wir angehen.

Dann stellt sich Herr Rasche zu Beginn seiner Rede hin und sagt: Die IHKn wecken uns auf. – Da muss ich sagen: Dann haben Sie vorher geschlafen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Aber das nützt ja auch nichts. Es ist schön, dass Sie jetzt auch wach sind. Trotzdem ist es schlecht, dann mit dem falschen Bein aufzustehen.

Die IHKn nutzen also die bekannten Zahlen für eine Vielzahl von Vorschlägen, die wir debattieren sollten. Diese Vorschläge sind auch teilweise nicht neu. Sie sind aber richtig. Wir müssen sie prüfen und gemeinsam voranbringen.

Aber eines ist doch klar: Wenn in Sachen „Brücken“ jemand wirklich wach ist, dann ist es diese aktuelle Landesregierung mit diesem Verkehrsminister.

Verkehrsminister Krischer hat für die Bundesstraßen, die wir als Land im Auftrag des Bundes verwalten, und die Landesstraßen Ende März dieses Jahres transparent die Zustandsnoten für alle Brücken dargestellt. Er hat in langen Listen ebenso dargestellt, wo in den nächsten Jahren Brücken in Verantwortung des Landes verstärkt werden sollen, instandgesetzt werden sollen oder neu gebaut werden sollen. Er hat diese Informationen transparent in der Öffentlichkeit dargestellt.

Es ist deutlich: Diese Landesregierung widmet sich dem Thema „Straßenbrücken“ mit höchster Priorität.

Aber die Landesregierung weist auch zu Recht darauf hin, dass Autobahnen Bundessache sind. Minister Krischer hat in den letzten Monaten den Bund und den Bundesverkehrsminister mehrfach in verschiedensten Zusammenhängen ermahnt, dass die Bundesregierung dem Grundsatz „Erhalt von Neubau“ und der Forderung, sich dem Thema „Autobahnbrücken“ ernsthaft zu widmen, bis jetzt in dieser Form noch unzureichend nachkommt.

Es gab im Bund im März 2022 einen – Zitat – „ersten Brückengipfel“. Den zweiten sucht man über ein Jahr später vergeblich. Wo ist denn die Liste der Brücken, die Herr Wissing in den nächsten Jahren sanieren will? Unser Verkehrsminister hat sie vorgelegt.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Wo ist denn diese Liste von Herrn Wissing, in der er das transparent darstellt? Wo ist der zweite bundesweite Brückengipfel?

Die Debatten der letzten Monate legen leider den Schluss nahe, dass der Bundesverkehrsminister in Sachen „Straßenbau“ weiterhin eher schlafwandelt. Er sollte jetzt tatsächlich einmal schnell aufwachen.

Wir unterstützen die Landesregierung und Verkehrsminister Krischer darin, dass er die Straßenbrücken als Topthema behandelt, hier in NRW die Weichen richtig stellt und das Gleiche vom Bund verlangt. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von

Martin Metz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich maße mir nicht an, die Redebeiträge anderer Fraktionen zu bewerten.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich kann nur mein persönliches Bedauern darüber ausdrücken, dass es schwierig ist, Debatten zu führen, wenn man die Argumente der Vorredner komplett ignoriert und die Sprüche, die man sich vorher überlegt hat und die ins politische Framing passen, einfach wiederholt platziert.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Nadja Lüders [SPD]: Also doch Haltungsnoten!)

Das macht die Debatte, die das Thema inhaltlich eigentlich verdient hätte, extrem schwierig.

Ich versuche es mal ein bisschen anders, um auf den geschätzten Kollegen Rasche einzugehen. Das Thema „Planungsbeschleunigung“ ist ja zweigeteilt. Bund und Land sind betroffen.

Wir sollten ganz sachlich sagen, dass der Bund schon vor zwei Jahren für den Ersatzneubau von Brücken klargestellt hat: Wird eine Brücke eins zu eins mit der gleichen Kapazität wieder aufgebaut, geht das in Bezug auf das Planungsrecht superfix. Es ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung etc. erforderlich. Zweitens – das ist jetzt zwischen den Kooperationspartnern im Bund vereinbart – ist Gegenstand des Planungsbeschleunigungsgesetzes, dass ein Ersatzneubau von Brücken auch mit jeweils einer Spur mehr pro Richtung möglich ist, wenn dies im Bedarfsplan vorgesehen ist.

In Berlin wird ein Gesetz auf den Weg gebracht, das dies aufgreifen wird. Daher sollte sich die FDP nicht übermäßig beklagen, weil sie an anderer Stelle sogar konstruktiv ein paar Sachen nach vorne bringt.

Das gilt aber auch für die vorherige Landesregierung, wenn man es nüchtern betrachtet. Vor zwei Jahren wurde nämlich die erste Regelung –der Ersatzneubau eins zu eins –, die für die Landesstraßen im Wesentlichen relevant ist, in NRW eingeführt. Da ist die Planungsbeschleunigung schon gegeben. Sie haben vor zwei Jahren also etwas umgesetzt, was ganz wichtig und auch richtig ist. Jetzt fordern Sie es hier erneut. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht, was Ihre darüber hinausgehenden Vorschläge sein sollen. Das passt aber wieder zu der eben von Herrn Voussem vorgetragenen These zur eigenen Regierungsbilanz hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Herr Rasche, Sie haben eben gesagt, ich hätte den Lkw-Verkehr, die Speditionen oder die Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer diskreditiert. Das wundert mich extrem. Ich werde nicht meine ganze Rede noch einmal vorlesen, habe aber gesagt, es gehe nicht darum, die Mobilität der Güter abzuwürgen. Das wäre für ein Industrieland wie Deutschland und für NRW nicht verkraftbar. Ich habe nur gesagt, es könne nicht sein, dass über Dumpingpreise teilweise weiter Lagerhaltung auf den Straßen passiere und dass wir die umweltfreundlichen Alternativen stärken müssten.

(Zurufe von Christof Rasche [FDP])

Entschuldigung, was ist denn daran verwerflich und ein Affront gegenüber der Verkehrsbranche? Wenn wir uns auseinandersetzen, dann interpretieren Sie da bitte nicht Dinge hinein, die vielleicht in Ihre politische Agenda passen, die ich aber in keiner Weise gesagt habe.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Kommen wir zum letzten Punkt: der Berlin-Frage. Warum zeigen Sie nach Berlin? Ich nutze jetzt mal schamlos die Möglichkeit dieser Aktuellen Stunde im Landtagsplenum, um ein paar Fakten zum Thema „Brücken“ zu bringen; konkret zum Thema „Brücken über den Rhein“. Das ist ja ganz wichtig, und als Anlass zur Aktuellen Stunde steht die Studie der IHK im Fokus.

In Nordrhein-Westfalen haben wir 23 Straßenbrücken über den Rhein. Elf davon sind in kommunaler Verantwortung, vier Bundesstraßenbrücken betreut das Land in Auftragsverwaltung für den Bund. Und wir haben acht Autobahnbrücken in der Zuständigkeit des Bundes. – So sieht es bei den Rheinbrücken aus.

Nun kann man sich einmal die Verkehrszahlen anschauen; sie sind verfügbar. Und da ich offenbar sonst keine Hobbys habe, habe ich das gestern Abend gemacht.

(Heiterkeit von den GRÜNEN – Jochen Ott [SPD]: Das ist aber traurig!)

Wir haben elf kommunale Brücken, zu denen leider keine Verkehrszahlen vorliegen. Das ist aber auch nicht unbedingt nötig. Man kann sich die vier Brücken in Verantwortung von Straßen.NRW ansehen. Da geht es um durchschnittliche tägliche Verkehrsstärken von summiert 83.000 Kraftfahrzeugen und 6.200 Lkws. Auf den acht Autobahnbrücken sind es täglich 720.000 Kraftfahrzeuge und 68.000 Lkws, für die der Bund verantwortlich ist. 90 % der Verkehre, die über den Rhein gehen, sind also in der administrativen Zuständigkeit des Bundes und der Autobahn GmbH.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ach!)

Ich kann Ihnen eines versichern: Wenn eine dieser Autobahnbrücken gesperrt oder abgelastet wird, werden die kommunalen Brücken und auch die vier Landesbrücken – mal abgesehen davon, dass drei davon am Niederrhein sind – das überhaupt nicht aufnehmen können.

Stellen Sie es sich doch mal plastisch vor: Was würde passieren, wenn die Rodenkirchener Brücke mit 140.000 Kraftfahrzeugen und 20.000 Lkws ausfallen würde? Meinen Sie, dass dann 20.000 Lkws über die Brücken in Köln fahren? Das wird nicht funktionieren.

(Zurufe von Alexander Vogt [SPD])

Deshalb ist es so entscheidend bei der Frage, wer was tun will – Stichwort: Masterplan –, dass der Bund endlich mal eine Vorlage macht. Da er für 90 % der Verkehre auf diesen Rheinbrücken verantwortlich ist, muss er endlich mal sagen, wo wann was saniert werden soll oder Ersatz neu gebaut werden soll, damit Land und Kommunen daran anschließen und mitreden können und damit sie entscheiden können, wie sie ihre Sanierungs- und Ersatzneubaumaßnahmen gestalten. Das ist rein fachlich so. Da geht es nicht um ein politisches Blame Game.

Wenn man wirklich ein Problem lösen will, dann muss man die Verantwortlichkeiten klar benennen. Ich habe Ihnen eben sachlich dargelegt, warum der Bund als Erster in der Bringschuld ist und wir dann mit den Konzepten, die wir bereits haben, nachziehen können.

Es würde mich freuen, wenn Sie mir jetzt sagen würden, warum das alles anders sein soll und angesichts dieser Fakten, die ich vorgetragen habe, das Land in der Bringschuld ist, den ersten Aufschlag zu machen. Das würde mich freuen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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