Julia Eisentraut: „Wir müssen aufhören, Social-Media-Plattformen als neutral anzusehen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNEN im Landtag zur Europawahl

Portrait Julia Eisentraut Februar 2023

Der Antrag „Social Media zur Information über die Europawahl 2024 nutzen“

Julia Eisentraut (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen! 69 Minuten – das ist die Zeit, die junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren tagtäglich auf Plattformen wie Instagram, Snapchat und TikTok verbringen. Rechtsextreme und Populist*innen füllen diese 69 Minuten mit Hass, Hetze und Desinformation. Sie verbreiten Propaganda und streuen rechtspopulistische Parolen, besonders auf TikTok. Junge Menschen kommen kaum daran vorbei.

Dem setzen wir etwas entgegen. Immer mehr Abgeordnete stellen ihre eigenen Inhalte auf TikTok ein und zeigen, dass wir Hass, Lügen, Desinformation und Demokratiefeindlichkeit nicht unbeantwortet lassen.

(Beifall von den GRÜNEN, Anke Fuchs-Dreisbach [CDU] und Dirk Wedel [FDP])

Viele von uns sehen TikTok zu Recht kritisch, und doch bringen wir die Inhalte dahin, wo sich junge Menschen informieren.

Die Landeszentrale für politische Bildung bietet vielfältige analoge und digitale Bildungsangebote zur Information und zum Austausch über Wahlen. Tools wie der Wahl-O-Mat bieten die Möglichkeit, sich über Parteiprogramme zu informieren. Der Demokratiebus tourte bereits durch NRW und bietet die Möglichkeit zum Dialog. Die Aktion „demokratie Leben – Die Europatour durch NRW“ intensiviert das zur Europawahl.

Unser Antrag bekräftigt: Die Landeszentrale für politische Bildung soll ihre Angebote auch auf Social Media verstärkt zur Verfügung stellen, um aktiv gegen Hetze, Hass, Demokratiefeindlichkeit und Desinformation vorzugehen.

(Beifall von den GRÜNEN, Daniel Hagemeier [CDU] und Klaus Voussem [CDU])

Das ist gerade jetzt wichtig, denn junge Menschen informieren sich auf TikTok, und junge Menschen unter 18 Jahren dürfen zum ersten Mal bei dieser Wahl wählen.

(Beifall von Dr. Julia Höller [GRÜNE])

Social Media eröffnet dabei neue Möglichkeiten. Digitale Formate fördern die Beteiligung. Beispielsweise für Menschen mit Behinderung können digitale Formate zugänglicher als Veranstaltungen in Präsenz sein. Durch Livestreams und Diskussionen fördern wir die Beteiligung, die aktive Auseinandersetzung und den demokratischen Diskurs. Mit dem Einbezug reichweitenstarker demokratischer Stimmen erreichen wir auch diejenigen außerhalb von klassischen Bildungseinrichtungen wie der Schule, einer Ausbildung oder einem Studium, also diejenigen, die nicht mehr systematisch mit Demokratiebildung in Kontakt kommen. Deshalb freut es mich besonders, dass wir hier gemeinsam vor der Europawahl so ein starkes Zeichen für Demokratiebildung auf Social Media setzen.

Doch gleichzeitig muss uns allen klar sein, dass Demokratie- und Politikbildung auf Social Media unsere gemeinsame Aufgabe ist. Wir als Abgeordnete, Fraktionen und Parteien Hass müssen entgegentreten, und auch Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen müssen Desinformation, Hass und Hetze benennen – online wie offline. Das ist essenziell für unsere Demokratie.

Wir müssen gleichzeitig aufhören, Social-Media-Plattformen als neutral anzusehen.

Der Wandel von Twitter zu X war dabei ein Warnschuss. Wenn jetzt Konzerne entscheiden, politische Inhalte nicht mehr aktiv auszuspielen,

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

nicht mehr proaktiv zu bewerben und zu verbreiten, dann legen wir die Frage, wer politische Inhalte sieht und was politisch ist, in die Hände einzelner, weniger Konzerne.

(Christian Loose [AfD]: Wo soll es denn hingehen?)

Deshalb sind Regulierungen wie beispielsweise der Digital Services Act der EU so wichtig, und deshalb sind Angebote im Offlineleben in all unseren Bildungseinrichtungen wichtig.

Vor allem ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam für Demokratie eintreten, wo wir Raum dafür finden und wo wir engagiert mit Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. Denn der lebhafte Austausch mit Bürger*innen findet vor allem auch im realen Leben statt.

Deshalb freut es mich besonders, dass wir es schaffen, gemeinsam dieses starke Signal für Demokratie, für Vielfalt, für Toleranz auf Social Media zu setzen, und zwar durch unsere Landeszentrale für politische Bildung und deren Angebote dort. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)