Frank Jablonski: „Damit stärkt Literatur auch Aushandlungsprozesse in unserer Demokratie“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag

Portrait Frank Jablonski

Der Antrag „Aus Freude am Lesen – Aktiven Umgang mit Literatur stärken“

Frank Jablonski (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Zunächst einmal möchte ich die Gelegenheit nutzen, um den vielen Hunderttausend Menschen zu danken, die in den letzten Wochen gemeinsam für unsere Demokratie auf die Straße gegangen sind. Das war genau das richtige Zeichen zur richtigen Zeit. Vielen Dank dafür! NRW hat klar gezeigt, dass die schweigende Mehrheit zu rechtsextremen Ideen nicht mehr schweigt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Besonders laut, kreativ und vielfältig waren die Statements aus dem Kunst- und Kulturbereich. Denn eines haben wir im Kulturbereich nicht vergessen: Bei der ersten Regierungsbeteiligung von Nationalsozialisten in Deutschland – das war 1930 in Thüringen – haben diese sofort mit Wilhelm Frick, dem späteren Reichsinnenminister, unter anderem das Kulturministerium besetzt.

Frick hat zum Beispiel umgehend sogenannte entartete Kunst verbieten lassen. Er hat „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque im Unterricht verboten und Fresken von Oskar Schlemmer, der unter anderem das Bauhaus-Logo entworfen hat, zerstören lassen. So etwas passiert, wenn Rechtsextreme für Kulturpolitik zuständig sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die alten wie die neuen Nazis wussten ganz genau, dass ihnen im Kunst- und Kulturbereich extrem großer Widerstand droht. Denn der Kunst- und Kulturbereich ist frei, vielfältig und progressiv, und er verteidigt unsere demokratischen Grundwerte. Das haben wir in den letzten Wochen gesehen. Seien Sie versichert: Die Künstlerinnen und Künstler in NRW werden auch weiter auf allen Ebenen gegen Hass und Hetze und gegen völkische Deportationsfantasien kämpfen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

Der vorliegende Antrag „Aus Freude am Lesen – Aktiven Umgang mit Literatur stärken“ wurde gemeinsam von allen demokratischen Fraktionen im Landtag NRW getragen und gestellt.

Hier wurde bereits auf die herausragende Stellung NRWs in der Literatur hingewiesen. Die Werke des Nobelpreisträgers Heinrich Böll, Annette von Droste-Hülshoffs „Die Judenbuche“, die Werke Hans Mayers, Irmgard Keuns, Navid Kermanis – sie alle sind renommiert und weltbekannt.

Einer der Gründe für diesen reichhaltigen Schatz ist, dass Literatur in NRW wertgeschätzt wird. Das zeigen die zahlreichen Literaturpreise, Stipendien, Literaturhäuser und ‑büros, aber natürlich auch die Verlage, die literarischen Gesellschaften, Stiftungen und Poetry-Slams oder Literaturfestivals wie zum Beispiel die international bekannte lit.COLOGNE und die lit.RUHR.

Wir werden mit diesem Antrag das breite Fundament, auf dem die Literatur in NRW steht, stärken und weiter ausbauen. Denn Lesen als Grundlage von Literatur ist von zentraler Bedeutung für die persönliche Entwicklung. Lesen fördert kritisches Denken, Kreativität und Empathie und spielt für die Selbstfindung des Menschen eine herausragende und unersetzbare Rolle. Literatur bietet Resonanzräume, die für den Austausch genutzt werden können. Damit stärkt sie auch Aushandlungsprozesse in unserer Demokratie.

Literaturvermittlung muss alle Menschen erreichen, unabhängig von Alter, Wohnort, Herkunft oder Geschlecht. Deshalb geht es in diesem Antrag auch um Kinder und Jugendliche im Schulalter, aber eben nicht nur um sie. Interesse und Freude an Literatur und Sprache müssen auch in soziokulturellen Zentren, in Volkshochschulen, in öffentlichen Bibliotheken oder zum Beispiel in Literaturbüros stattfinden.

Gleichwohl haben Literaturprojekte für Kinder und Jugendliche einen ganz besonderen Stellenwert, was sich auch in diesem Antrag ausdrückt. Deshalb werden wir einen niedrigschwelligen Zugang für Kinder und Jugendliche auch aus bildungsfernen Strukturen sichern und interaktive Formate berücksichtigen. Wir werden die offene Kinder- und Jugendarbeit und die soziokulturellen Zentren einbeziehen, und wir werden uns bei den Literaturbüros dafür einsetzen, dass sie bei ihren Veranstaltungen verstärkt Kinder- und Jugendliteratur berücksichtigen.

Ein letzter Punkt, der mir sehr am Herzen liegt und den ich nicht unerwähnt lassen möchte, ist die europäische Dimension des Antrags. Wir werden unsere enge Zusammenarbeit mit den Beneluxstaaten und im sogenannten Regionalen Weimarer Dreieck, also mit Schlesien in Polen und Hauts-de-France in Frankreich, weiter vertiefen. Das ist im Jahr der Europawahl ein wichtiges Signal; denn wir Demokratinnen und Demokraten stehen alle zu Europa.

Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, also den Kolleginnen und Kollegen von CDU, SPD und FDP, dafür danken, dass wir diesen Antrag gemeinsam stellen und tragen. Das ist ein gutes und starkes Zeichen für die Geschlossenheit der demokratischen Fraktionen in NRW und ein sehr guter Tag für die Literatur in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)

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