Aus Freude am Lesen – Aktiven Umgang mit Literatur stärken

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag

Portrait Frank Jablonski

I. Ausgangslage

Die Literaturlandschaft in Nordrhein-Westfalen kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Bibliotheken, Kultureinrichtungen, Literaturbüros und -häuser sind für das lebendige literari­sche Leben in Nordrhein-Westfalen zentrale Einrichtungen, ebenso wie bürgerschaftliches En­gagement der freien Szene in Lesegesellschaften und literarischen Stiftungen. Viele regionale, nationale und internationale Autorinnen und Autoren sind auf zahlreichen Lesungen, Poetry Slams, Offenen Bühnen und/oder Literaturfestivals in Nordrhein-Westfalen zu erleben. Und umgekehrt ist auch Nordrhein-Westfalen die Heimat von vielen Autorinnen und Autoren, die verschiedenste Literaturformen, von Lyrik über Prosa u.a., hervorbringen.

Zahlreiche und durchaus unterschiedliche Einrichtungen und Initiativen prägen das literarische Leben in Nordrhein-Westfalen. Einen besonderen Stellenwert nehmen die kleineren und grö­ßeren Literaturfestivals ein. So gilt beispielsweise die „lit.COLOGNE“ als eines der größten Literaturfestivals in Europa, und die deutschsprachigen Poetry Slam Meisterschaften 2023 in Bochum waren Europas größte Bühne für über 200 Poetinnen und Poeten. Auf diesen Bühnen werden dem Publikum Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt präsentiert.

Wichtige Förderer des literarischen Lebens sind die fünf vom Land institutionell geförderten Literaturbüros in Bonn, Detmold, Düsseldorf, Gladbeck und Unna. Sie beraten Autorinnen und Autoren, organisieren Lesungen und andere Veranstaltungen und führen Projekte durch wie etwa Schreibwerkstätten (Schreibland NRW, Kopfweide) und andere literarische Weiterbil­dungsmaßnahmen, Kinder- und Jugendbuchwochen und Sommerakademien für Autorinnen und Autoren. Auch der Bereich der freien Szene, gerade im Bereich des Slam Poetry, nimmt sich der Förderung von Kinder und Jugendlichen verstärkt an. Projekte wie die Poesiepause zeigen als best-practice Beispiel, wie ein aktiver Umgang mit Literatur gelingen kann.

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert die Literatur und ihre Rezeption durch den Ausbau, die Pflege und die Vernetzung der literarischen Infrastruktur, die Bezuschussung literarischer Ver­anstaltungen durch die individuelle Förderung von Autorinnen und Autoren und durch Preise wie den Kinderbuchpreis NRW und den Verlagspreis NRW.

Mit zahlreichen Förderungen für Literaturfestivals, wie „Wege durch das Land“, „Mord am Hell­weg“ oder den „Literarischen Sommer“, mit „Post Poetry“ und anderen Lyrikwettbewerben und unterschiedlichsten Einzelveranstaltungen unterstützt die Landesregierung den Erhalt und die Weiterentwicklung des literarischen Lebens in Nordrhein-Westfalen.

Lesen ist von zentraler Bedeutung für die persönliche Entwicklung, für Bildung und Beruf, so­wie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Lesen ist nicht nur ein grundlegendes Handwerks­zeug, sondern ein Tor zu Wissen, kritischem Denken, Kreativität und Empathie. Fest steht, dass Lesen für die Erziehung und für die Selbstfindung des Menschen eine herausragende und unersetzbare Rolle spielt. Max Frisch schreibt dazu: „…vielleicht gehört es überhaupt zum Genuss des Lesens, dass man den Reichtum seiner eigenen Gedanken entdeckt.“

Die vergangen Jahre haben allerdings gezeigt, dass die Anzahl an Menschen in Deutschland, die nicht ausreichend lesen können, weiter zugenommen hat. Deshalb ist es wichtig, dass neben den vielen anderen Bildungseinrichtungen auch die obengenannten Literatur- und Kul­tureinrichtungen sich den Fragestellungen der Förderung für das Interesse am Buch stellen und weitere Angebote schaffen.

Die Förderung von Literarisierung und der Freude am Lesen ist nicht nur ein bildungspoliti­sches Anliegen, sondern spielt auch eine entscheidende Rolle in Gesellschaft und Kultur. Das Erlangen von literarischen Kompetenzen schafft die Grundlage zum selbstständigen Aneignen von Wissen. Gute Literaturvermittlung fördert als kulturelle Bildung das Eigeninteresse und schafft Momente, sich selbstständig mit Inhalten und den eigenen kreativen Prozessen ausei­nanderzusetzen. Eine gelungene Literaturvermittlung stellt nicht den zu lehrenden Kanon in den Fokus, sondern die Lernenden und deren Neugier auf den Umgang mit Literatur und Spra­che.

Daher ist der Ort von Literaturvermittlung nicht nur im Schulsystem angesiedelt, sondern auch im außerschulischen Bereich. Generationsübergreifend lassen sich Angebote der Literaturver­mittlung in öffentlichen Bibliotheken finden, aber auch in anderen kulturellen Bildungseinrich­tungen, wie soziokulturelle Zentren, Volkshochschulen oder in Literaturbüros.

Literaturprojekte für alle Altersgruppen machen deutlich, dass es eine ganzheitliche Auseinan­dersetzung mit Literatur bedarf, in denen alle Menschen, aber vor allem Kinder und Jugendli­che, sich mit dieser Kultursparte auseinandersetzen können.

I. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Leseförderung und Literarisierung ist eine ganzheitliche Aufgabe.
  • Die Freude am Lesen und das Interesse an Literatur haben eine wichtige Bedeutung für die persönliche Entwicklung und fördern die Teilhabe am kulturellen Leben.
  • Für alle Altersgruppen bedarf es vielfältiger Angebote und Orte der Literaturvermittlung.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • Initiativen für die Vermittlung von Literatur aus vorhandenen Mitteln zu unterstützen (z.B. Kooperationen von und mit Bibliotheken, ehrenamtlich getragenen Büchereien, außer­schulischen Leseinitiativen etc.) und dabei
  • die Auseinandersetzung mit Buch und Autor/Autorin generationsübergreifend zu ermöglichen;
  • einen niedrigschwelligen Zugang für Kinder und Jugendliche auch aus bildungsfer­nen Strukturen zu sichern und interaktive Formate zu berücksichtigen;
  • die Qualifikation von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren einzubeziehen;
  • ehrenamtliche Kräfte, z.B. der offenen Kinder- und Jugendarbeit oder der soziokulturellen Zentren einzubeziehen sowie
  • das Netzwerk der Lesementorinnen und -mentoren sowie ähnlicher ehrenamtlicher Institutionen zu nutzen, zu unterstützen und deren Arbeit öffentlichkeitswirksam zu verbreiten.
  • Europäische Formate im Bereich der Literaturvermittlung zu stärken, besonders im Hin­blick auf bestehende grenzüberschreitende Kooperationen mit den BENELUX-Staaten und im sogenannten „Regionalen Weimarer Dreieck“ (mit Schlesien in Polen und Hauts-de-France in Frankreich)
  • bei den Literaturbüros anzuregen, in ihren Veranstaltungen verstärkt Kinder- und Ju­gendliteratur zu berücksichtigen und best-practice Beispiele der Literaturvermittlung auf­nehmen.