Dr. Julia Höller: „Alle Menschen müssen sich in unserer Gesellschaft sicher fühlen können und sicher vor Diskriminierung und Anfeindungen sein“

Zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag zu den Demonstration für Demokratie

Portrait Dr. Julia Höller

Der Antrag 

Dr. Julia Höller (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Herr Höne, vielen Dank für diese sehr starken und klaren Worte. Das zeigt, wie wir hier zusammenstehen. Das war großartig. Vielen Dank dafür.

In der letzten Woche fragte mich mein Sohn beim Abendessen: Mama, wenn sich die Nazis durchsetzen, muss mein bester Freund Jakob dann weg? – Jakobs Vater stammt aus Eritrea.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Meine Freundin Birgit fragt mich: Muss ich mir ernsthaft Sorgen machen, dass mein Sohn Tom vielleicht nie eine Chance auf ein Leben in einer integrativen Gesellschaft hat? – Tom ist ein Kind mit Downsyndrom. Ich sage das hier, ich sage das meinem Sohn und meiner Freundin Birgit, und ich verspreche es allen, die nach der CORRECTIV-Recherche voller Sorge in die Zukunft schauen: Nein, wir werden es nicht so weit kommen lassen. Wir werden alles tun, um unsere Demokratie zu schützen und Seite an Seite mit euch zu kämpfen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Anfang Januar habe ich wie so viele hier fassungslos die CORRECTIV-Recherchen zum Geheimtreffen in Potsdam verfolgt. Durch die Demonstrationen mit Hunderttausenden von Menschen ist aus diesem Moment der Angst ein Moment der Hoffnung geworden. Unsere Aufgabe ist es jetzt, diese Hoffnung, diese Erwartungen der Menschen über all das hinaus, was wir in den letzten Jahren auf den Weg gebracht haben, weiter in konkrete Taten, in staatliches Handeln umzusetzen.

Wir reden gerade viel von historischen Vergleichen, aber es gibt hier einen ganz großen Unterschied zu den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts: Unsere Sicherheitsbehörden stehen fest auf dem Boden unseres Grundgesetzes. Unsere Sicherheitsbehörden sind Teil der Brandmauer gegen rechts – so sagt es die Polizeigewerkschaft bdk, und dafür bin ich ihr sehr dankbar.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dass das so bleibt, ist unsere Aufgabe, zum Beispiel mittels einer Nulltoleranzstrategie, was Rechtsextremismus in unseren Sicherheitsbehörden angeht.

Es wird gerade viel über den Verfassungsschutz und dessen Rolle im Kampf gegen Verfassungsfeinde gesprochen. Ein guter Verfassungsschutz, wie wir ihn nach dem NSU neu aufgestellt haben, gehört zu unserer wehrhaften Demokratie. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Strukturen, um Anschlagspläne und Gewalt zu verhindern. Der Verfassungsschutz bewertet diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen. Der Kompass für ihn ist klar: Das ist unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Der Verfassungsschutz muss wachsam sein. Identitäre Bewegung, gewaltbereite Neonazis, Verschwörungsmilieu – hier guckt der Verfassungsschutz genau hin, damit rechtzeitig eingegriffen werden kann.

Der Verfassungsschutz deckt rechtsextreme, demokratiefeindliche Strukturen auf. Das gilt laut Grundgesetz natürlich auch für Parteien, wenn sie demokratiefeindlich und rechtsextrem sind.

Organisationsverbote müssen vor der Justiz standhalten, egal wie sehr ich persönlich will, dass die AfD verboten wird, und ich will das. Es geht nicht darum, was wir wollen, sondern darum, was laut unserer Verfassung möglich ist. Wir als Politik haben aber ganz viele Stellschrauben und Instrumente. Es ist unsere politische Entscheidung, Analysen und Bewertungen der Sicherheitsbehörden kontinuierlich auszuwerten, um zu erkennen, ob die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Instrumente unserer wehrhaften Demokratie gegeben sind. Es ist unsere Entscheidung, all diese Instrumente zu nutzen.

Es geht aber nicht nur um repressive Instrumente, sondern auch um die Prävention. Dazu gehört in erster Linie die Auseinandersetzung mit Rassismus und Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Deshalb stärken wir mit der Stabsstelle die Arbeit gegen Rechtsextremismus. Alle Menschen müssen sich in unserer Gesellschaft sicher fühlen können und sicher vor Diskriminierung und Anfeindungen sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD – Beifall von Henning Höne [FDP])

Das sind unsere Aufgaben; dafür wurden wir alle gewählt. Diese Verantwortung ist groß. Vielleicht werden uns unsere Kinder und Enkelinnen irgendwann einmal fragen: Wo warst du, als die AfD unsere demokratischen Werte ausgehöhlt hat? Was habt ihr da getan?

Die AfD ist eine Gefahr für unsere Demokratie. Das ständige Wiederholen von Verschwörungsmythen, die Verschiebung des Sagbaren in unendlich vielen Kleinen Anfragen, Anträgen und Reden, der Hass im Netz – das ist nicht immer so spektakulär wie ein Geheimtreffen, aber es ist in der Sache für unsere Demokratie nicht weniger gefährlich. Das gilt gerade dann, wenn klar ist, dass die AfD ihr menschenverachtendes und verfassungsfeindliches Gedankengut den Wähler*innen durch arglistige Täuschung als vermeintliche Sozialpolitik für den kleinen Mann verkauft.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Ich möchte meinen Kindern dann sagen können: Wir werden dafür sorgen, dass Sie niemals die Macht über unsere Demokratie bekommen und hier niemals Ihre menschenfeindliche, rechtsextreme Politik umsetzen können. Dafür werden wir uns mit allem, was wir haben, einsetzen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die CORRECTIV-Recherchen sind wie ein Ruck durch unser Land gegangen. Der Ruck gibt Hoffnung. Dennoch gilt: Wir haben es mit einer Kontinuität rechter Gewalt zu tun, und das ist eben nicht neu. Dem stellen wir uns entgegen, genauso wie unsere Sicherheitsbehörden. Dafür sorgen wir; das ist unser Versprechen. Denn es geht um nicht weniger als den Schutz von Tom und Jakob, von uns allen und von unserer Demokratie.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Henning Höne [FDP])