Berivan Aymaz: „Wohlklingende Absichtserklärungen alleine reichen nicht“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Luftbrücke aus Afghanistan

Portrait Berivan Aymaz 2021

Der Antrag

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Seit dem Abzug der internationalen Truppen haben die Taliban Afghanistan fest in der Hand. Nun sind viele Tausend Ortskräfte, Frauenrechtsaktivistinnen, Künstler, Journalistinnen, die sich in den letzten Jahren für den Aufbau von demokratischen und freiheitlichen Strukturen in Afghanistan eingesetzt haben, bedroht. Sie müssen um ihr Leben bangen. In den Augen der Islamisten sind all diese Menschen Verräterinnen und Verräter, die mit dem Westen gemeinsame Sache gemacht haben.

In den vergangenen Wochen haben mich zahlreiche verzweifelte Hilferufe von Menschen erreicht, teilweise direkt aus Afghanistan, aber auch von hier, die in tiefer Sorge um ihre Angehörigen vor Ort sind.

Für mich war es sehr schwer, mit ansehen zu müssen, dass für viele von ihnen vermutlich jede Hilfe zu spät kommen wird.

Die deutsche Evakuierungsaktion ist genau vor zwei Wochen beendet worden. An dieser Stelle möchte ich den Soldatinnen und Soldaten, die unter schweren und gefährlichen Bedingungen versucht haben, noch schnell so viele Menschen wie möglich zu retten, meinen aufrichtigen Dank aussprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt können wir nur noch hoffen, dass Menschen über zivile Flüge gerettet werden. Seien wir ehrlich: Dadurch sind wir nun auf die Gnade und Kooperationsbereitschaft der mörderischen Terrorbanden der Taliban angewiesen. Diesen desaströsen Zustand, diese humanitäre Katastrophe hat die Bundesregierung mitzuverantworten, die sich aus rein innenpolitischem Kalkül bewusst viel zu lange der Realität in Afghanistan verweigert hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle Appelle von uns Grünen und von NGOs, die seit Längerem auf die dramatische Entwicklung in Afghanistan hingewiesen und die schnelle Evakuierung von Menschen noch vor dem Abzug der internationalen Truppen gefordert haben, wurden nicht nur ignoriert, sondern konsequent immer wieder abgewiesen.

Diese Politik der Realitätsverweigerung hat sich eben nicht nur auf Bundesebene abgespielt, sondern wurde auf Landesebene fortgesetzt: Ministerpräsident Laschet und Flüchtlingsminister Stamp haben genauso wie Bundesinnenminister Seehofer noch bis zur letzten Sekunde an Abschiebungen nach Afghanistan festgehalten und damit suggeriert, das Land sei noch teilweise sicher.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das war ein fataler und folgenschwerer Vorgang.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt muss es darum gehen, alles zu unternehmen, um Menschen in Afghanistan zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Es ist gut, dass die Landesregierung die Aufnahme von 1.800 Menschen zugesagt hat. Als Kölnerin bin ich dankbar, Herr Minister Stamp, dass Sie der Organisation medica mondiale nicht nur Unterstützung zugesagt haben, sondern auch tatkräftig unterwegs waren mit Ihren Bemühungen, 90 Kolleginnen, 90 Frauen samt Familien aus Afghanistan herauszuholen.

Die bittere Realität ist aber – das wissen Sie auch –, dass diese 90 Kolleginnen von medica mondiale immer noch in Afghanistan festsitzen. In NRW sind in diesem Jahr insgesamt nur 82 Ortskräfte und ihre Familien aufgenommen worden.

Daher muss jetzt endlich Schluss damit sein, politische Verantwortung hin und her zu schieben. Ministerpräsident Laschet muss jetzt sein politisches Gewicht in die Waagschale werfen und Bundesinnenminister Seehofer dazu bewegen, ein Bund-Länder-Aufnahmeprogramm aufzulegen, und das sofort.

(Beifall von den GRÜNEN)

Gleichzeitig braucht es endlich gesicherte Bleibeperspektiven für Menschen, die bereits hier leben; das sind aktuell fast 45.000 Afghaninnen und Afghanen, von denen lediglich 4.000 über eine Duldung verfügen. Herr Minister Stamp, ich habe es schon in der Ausschusssitzung gesagt: Wir brauchen jetzt einen Erlass, damit die Menschen eine Bleibeperspektive bekommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir brauchen nicht noch länger auf einen aktualisierten Lagebericht von Heiko Maas zu warten. Die Meldungen aus Afghanistan machen ganz deutlich: Dieses Land ist nicht sicher. Wir brauchen einen unverzüglichen generellen Abschiebestopp nach Afghanistan.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Auch das brauchen wir nicht!)

Auch hier muss das Land NRW vorangehen und endlich auf eine bundesweite einvernehmliche Regelung drängen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Wohlklingende Absichtserklärungen alleine reichen nicht. In unserem Antrag haben wir konkrete Maßnahmen aufgeführt, die schnell von hier aus umgesetzt werden können. Ernsthafte Hilfe braucht schnelles Handeln und die Übernahme von Verantwortung aus NRW heraus.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall von den GRÜNEN)

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