Berivan Aymaz: „Wir möchten gerade auf die besondere Situation bei der Abschiebehaft aufmerksam machen“

Entwurf der Landesregierung zum Abschiebehaftvollzugsgesetz - zweite Lesung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Meine Vorredner und meine Vorrednerin haben es bereits erwähnt: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes werden die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts für Fixierungen in geschlossenen psychiatrischen Einrichtungen nun auch auf die Abschiebungshaft übertragen.
Es wurde hier noch einmal betont, dass Fixierungen einen massiven Eingriff in die Grundrechte von Menschen darstellen und daher nur als letztes Mittel zur Abwehr einer von der betroffenen Person ausgehenden akuten Selbst- oder Fremdgefährdung vorgesehen werden. Aufgrund ihrer besonderen Eingriffsintensität dürfen diese Maßnahmen nur noch mit einer richterlichen Genehmigung angeordnet werden, wenn diese absehbar die Dauer von einer halben Stunde überschreiten.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun auf die Abschiebungshaft anzupassen, ist eine logische und notwendige Folge. Das haben wir bereits im Ausschuss so dargelegt. Allerdings finde ich, dass es die Landesregierung verpasst hat, sich eingehend mit den besonderen Umständen in der Abschiebungshaft auseinanderzusetzen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich eben nicht auf die besondere Situation in der Abschiebungshaft, sondern auf psychiatrische Einrichtungen, und kann somit nicht eins zu eins übernommen werden. Vor diesem Hintergrund haben wir Grüne eine Anhörung beantragt, um dieser besonderen Thematik mit externem Sachverstand gerecht zu werden.
Lieber Herr Kollege Lenzen, Sie haben ein wenig bedauert, dass unser Änderungsantrag so kurzfristig eingereicht worden ist. Ich hingegen bedaure es sehr, dass die Landesregierung diesen Gesetzentwurf nicht mit der entsprechenden Vorlaufzeit eingebracht hat.
Es steht seit fast einem Jahr fest, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf Länderebene umgesetzt werden kann. Da der Gesetzesentwurf erst im Mai vorgelegt wurde und wir uns eine Anhörung fast erkämpfen mussten, ging es einfach nicht schneller.
Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass wir uns mit diesem Sachverhalt intensiver hätten auseinandersetzen müssen und dass der Zeitdruck, mit dem wir das Thema nun bearbeiten, der parlamentarischen Arbeit absolut nicht würdig ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich freue mich aber, dass Sie schließlich doch einen Änderungsantrag eingereicht haben, der sogar einen von vielen guten Punkten, die der Experte, den wir benannt hatten, angeführt hat, aufgegriffen hat. Für uns geht das aber nicht weit genug. Wir möchten gerade auf die besondere Situation bei der Abschiebehaft aufmerksam machen.
Ich möchte es nicht hinnehmen, Herr Hoppe-Biermeyer, dass Sie einfach sagen, man könne die Maßnahme nicht durchführen, wenn kein Dolmetscher und kein Arzt zur Verfügung stünden. Dann muss das eben gewährleistet sein; denn hier geht es immerhin um einen massiven Eingriff in die Grundrechte. Dann muss einfach gewährleistet sein, dass sich Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, bei solch einem Eingriff verständlich machen können, und dass sie vor allen Dingen auch vollständig über ihre Rechte belehrt werden. Das gehört dazu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Lenzen, dass noch nicht einmal ein Arzt hinzugezogen werden soll, damit das alles möglichst schnell vonstattengeht, das geht gar nicht – und zwar nicht deshalb nicht, weil die Menschen krank sind, sondern weil die Fixierung eine Maßnahme ist, die gesundheitsschädigende und gefährdende Folgen haben kann, bis hin zum Tod. Solche Fälle sind bekannt. Daher ist eine durchgehende ärztliche Eins-zu-eins-Betreuung notwendig, und deshalb haben wir noch einmal klargestellt, dass diese Punkte gewährleistet werden müssen.
Darüber hinaus wird die Dokumentationspflicht beim Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehr weit gefasst. Das bedeutet, dass beide Punkte genau dokumentiert werden müssen und vor allen Dingen auch ganz klar festgehalten werden muss, wenn ein qualifizierter Dolmetscher nicht hinzugezogen wurde und warum er nicht hinzugezogen wurde.
Ich bitte Sie eindringlich, diese Punkte, die für die Abschiebehaft von großer Bedeutung sind, mitzutragen und unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Andernfalls werden wir dem Gesetzentwurf leider nicht zustimmen können und müssen uns enthalten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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