Berivan Aymaz: „Warum nur Studierende?“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zum Schutz verfolgter, internationaler Studierender

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Unter welchem Druck Menschen stehen, die sich in ihrer Heimat für die Wahrung der Menschenrechte, für Demokratie und Freiheit einsetzen, macht eine Aussage eines Stipendiaten der Elisabeth-Selbert-Initiative für Menschenrechtsverteidigerinnen, finde ich, sehr deutlich. Darin heißt es:

„Als ich hierherkam, hatte ich immer noch das Gefühl, weglaufen zu müssen, aber dann wurde mir klar: Nein, ich kann jetzt aufhören wegzulaufen.“

Diese Aussage zeigt auch, welche Last von ihren Schultern abfällt, wenn sie endlich – und sei es auch nur zeitweilig – an einem sicheren Ort Zuflucht vor Repressionen und Verfolgung finden.

Sehr geehrter Herr Pfeil, es überrascht Sie sicher nicht, dass ich für Ihren Antrag grundsätzlich erst einmal Sympathie habe.

(Zuruf von der SPD: Aber?)

Denn weltweit nehmen immer mehr Staaten autokratische bis diktatorische Züge an. Umso bedeutender, aber auch schutzwürdiger sind Menschen, die sich kritisch mit freiheitsberaubenden und demokratiefeindlichen Systemen auseinandersetzen.

Wie bedeutend dies nicht nur jeweils für die Gesellschaften dort ist, sondern eigentlich auch für unsere gesamte friedliche demokratische Weltordnung, erleben wir seit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Umso mehr stehen wir in der Pflicht, diejenigen zu unterstützen, die für Demokratie und Freiheit mutig vorangehen und ihre Stimme erheben.

Genau deshalb finde ich es auch wichtig und richtig, dass wir im schwarz-grünen Koalitionsvertrag die Bedeutung von Menschenrechten und ihrer Verteidigerinnen so klar hervorheben, und zwar in unterschiedlichen Kontexten: von Lieferketten mit hohen Sozialstandards über eine menschenwürdige Migrationspolitik bis hin zum konkreten Schutz für einzelne Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger. Ich denke, dass Sie darin auf die eine oder andere Formulierung stoßen, die Sie hier auch aufgegriffen haben.

Ich finde es großartig, dass der Landtag mit seinem Patenschaftsprogramm „Demokratie-Brücken“ ein deutliches Zeichen setzt, dass wir Abgeordnete auch fest an der Seite bedrohter Menschenrechtsverteidigerinnen weltweit stehen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vor diesem Hintergrund ist es auch gut, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, dieses so wichtige Thema der Menschenrechte in Ihrem vorliegenden Antrag aufgreifen. Wir stehen zweifellos auch als Bundesland in der Verantwortung – manche glaubten vielleicht lange, es sei doch immer nur die Bundespolitik, die für so etwas zuständig sei – uns für die Wahrung der Menschenrechte stark zu machen und verfolgte Menschenrechtsverteidigerinnen wo immer möglich zu unterstützen und zu stärken.

Trotzdem halte ich es aber für zu kurz gesprungen, dass sich der Antrag lediglich auf den Schutz von engagierten Studierenden beschränkt und die besondere Bedeutung von Studierenden in autokratischen Systemen hervorhebt.

Ich muss sagen: Gerade da ich mich mit einigen Ländern beschäftige, die in die Autokratie und bis in die Diktatur abgefallen sind, weiß ich, dass es nicht nur die Studierenden sind, sondern dass es überwiegend zum Beispiel auch Frauen aus der Frauenrechtsarbeit sind, die sich unfassbar für Menschenrechte engagieren, dass es queere Menschen sind, die sich mutig für Freiheitsrechte einsetzen, dass es Künstlerinnen und Künstler sind, dass es vor allem Journalisten sind, dass es Rechtsanwältinnen und Rechtanwälte sind, die Menschenrechte wirklich verteidigen und sehr oft auch ihren Beruf nicht ausüben können, weil sie so kritisch mit diesen Systemen und so engagiert sind.

Da frage ich mich: Warum nur Studierende? Sie tragen in Ihrem Antrag ja selbst vor, dass es derzeit glücklicherweise eigentlich für Studierende gute Programme gibt. Daher denke ich, dass wir sowohl über diese Frage als auch über die Frage der Umsetzung reden müssen: Welchen Schutz braucht es, und wie können wir gewährleisten, dass Menschen, die Schutz brauchen und Menschenrechte verteidigen, diesen Schutz bekommen?

Und auch darüber müssen wir noch einmal sprechen: Wo soll und kann eventuell etwas eingegliedert werden? Welche Strukturen gibt es bereits, die vielleicht besser zusammengeführt werden müssten, damit es effektiver ist und Schlagkraft hat? Über all diese Fragen werden wir im Ausschuss reden können. Deshalb bin ich froh, dass Sie den Antrag nicht direkt zur Abstimmung, sondern zur Überweisung eingereicht haben.

Der Überweisung stimmen wir zu, und ich freue mich auf die inhaltlichen und differenzierten Debatten, die wir dort im Sinne der Menschenrechte führen können und sollten. – Danke.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)