Berivan Aymaz: „NRW als Industriestandort hat eine lange Geschichte der Arbeitsmigration“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Entfristung der Westbalkanregelung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Gerade NRW als Industriestandort hat eine lange Geschichte der Arbeitsmigration.
Es gibt keine Zweifel mehr, dass wir auch langfristig auf Zuwanderung angewiesen sein werden. Daher brauchen wir auch ein Einwanderungsgesetz, das seinem Namen gerecht wird. In unserem grünen Entwurf für solch ein Gesetz rücken wir auf Bundesebene die Gestaltung einer Einwanderungsgesellschaft in den Fokus, die die Interessen und Talente der Menschen in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig dafür sorgt, den Bedarf an Arbeitskräften in Deutschland auch in Zukunft zu decken.
Die 2015 eingeführte sogenannte Westbalkanregelung ist ein kluges und an den realen Bedürfnissen ausgerichtetes Instrument der Arbeitsmigration. Sie ermöglicht Menschen aus den ehemals von Krieg und Vertreibung geprägten Ländern wie Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien die Chance auf eine legale Einreise und berufliche Perspektive hier bei uns. Voraussetzung dafür ist ein konkretes Ausbildungs- oder Arbeitsplatzangebot in Deutschland.
Die Westbalkanregelung leistet also einen wichtigen Beitrag zur regulären Migration und ist maßgeblich für die Sicherung des Arbeitskräftebedarfs in Deutschland. Davon profitiert ganz besonders die nordrhein-westfälische Wirtschaft. Gerade die Coronakrise hat doch gezeigt, dass wir in unserem Aufenthaltsrecht noch viel zu wenige solcher niedrigschwelligen Regelungen haben.
Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom April dieses Jahres kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei Arbeitsverträgen im Rahmen der Westbalkanregelung zum großen Teil um stabile Arbeitsverhältnisse mit einer angemessenen Entlohnung handelt. Es kommen zu uns also genauso Bauarbeiter und Bauarbeiterinnen aus dem Kosovo wie Pflegefachkräfte aus Albanien. Diese Arbeitskräfte erreichten einen außergewöhnlich hohen Beschäftigungsstand; Sozialleistungen wurden nahezu gar nicht in Anspruch genommen.
Das Bundeskabinett hat am 26. August 2020 beschlossen, die Westbalkanregelung zu verlängern. Ich finde, dass das eine kluge Entscheidung und gut so ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Entscheidung bedarf aber noch der Zustimmung des Bundesrates.
Der Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sieht aktuell jedoch vor, die Westbalkanregelung bis zum 31. Dezember 2023 zu befristen und auf 25.000 Anträge pro Jahr zu deckeln.
Wir Grüne sind der festen Überzeugung, dass die Westbalkanregelung entfristet und die geplante Deckelung gestrichen werden muss. Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Außerdem liegt ja auf der Hand, dass wir auch in Zukunft den Arbeitskräftebedarf haben werden und dem großen Interesse aus den Westbalkanstaaten gerecht werden müssen. Warum also diese Deckelung?
(Beifall von den GRÜNEN)
Den offenen Brief von BAUVERBÄNDE.NRW mit dem Appell, die Bundesratsinitiative der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen und Thüringen zu unterstützen, haben sicher auch Sie, Herr Minister Stamp, zur Kenntnis genommen. Auch wir fordern Sie auf, sich jetzt am Freitag im Bundesrat den Forderungen der drei Bundesländer anzuschließen und für eine Entfristung der Westbalkanregelung und eine Streichung der vorgesehenen Deckelung zu stimmen. Setzen Sie sich dafür ein, die Praxis der Visavergabe für Arbeitskräfte aus den Westbalkanländern zu verbessern; denn ganz sicher ist ja: Ein Einwanderungsland braucht auch Außenvertretungen, die entsprechend ausgestattet sind.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Minister Stamp, Sie haben jetzt also die Chance, von NRW aus voranzugehen, damit ein bewährtes Instrument für reguläre Arbeitsmigration fortgesetzt werden kann – im Sinne der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, der hoch motivierten Arbeitskräfte und vor allen Dingen auch der Menschen aus dem Westbalkan. Stimmen Sie unserem Antrag doch einfach zu! – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)