Berivan Aymaz: „Im Sinne der Geflüchteten und Unternehmen“

Antrag der SPD zum Integrationsplan NRW

Portrait Berivan Aymaz 2021

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Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zu dem ursprünglich eingereichten SPD-Antrag zu sprechen. Ich finde, dass es gerade jetzt absolut nicht angebracht ist, einen solch mickrigen, zusätzlichen Antrag der AfD so groß zu debattieren und Ihnen in einem Themenbereich, von dem Sie eigentlich null Ahnung haben und bei dem Sie auch null Interesse haben, dazu beizutragen, Raum zu geben.
(Beifall von den GRÜNEN – Roger Beckamp [AfD]: Sie machen es gerade wieder!)
Der Integrationsplan ist 2016 nach umfangreichen Beratungen und mit Unterstützung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf den Weg gebracht worden. Zahlreiche Vorschläge wurden für eine gelingende Integration der Menschen, die aus Krieg und Verfolgung zu uns geflüchtet sind, in einem Maßnahmenpaket gebündelt, und die damalige rot-grüne Regierung hat den bundesweit ersten Integrationsplan beschlossen.
Mit dem Integrationsplan wurden zum einen bestehende Strukturen konzeptionell erweitert, finanziell aufgestockt und mit mehr Personal ausgestattet, und zum anderen wurden den neuen Anforderungen entsprechende konzeptionelle Maßnahmen entwickelt. Ziel dabei war es, die besten Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass sich die neu zugewanderten Menschen schnell und reibungslos in unsere Gesellschaft einbringen und integrieren können, sowie vor allen Dingen die Kommunen bei der Bewältigung der großen Herausforderung der Integration viel stärker und gezielter zu unterstützen.
In der Anhörung zur Fortführung des Integrationsplans NRW haben die Expertinnen und Experten auf die besondere Bedeutung von Integration in Ausbildung und Arbeit für die nächste Zeit hingewiesen.
In der Tat ist es so, dass die neu Zugewanderten, die 2015/2016 eingereist sind, inzwischen ihre Deutschkurse absolviert haben – teilweise erfolgreich – und jetzt einen Zugang zum Arbeitsmarkt finden müssen. Es wurde empfohlen, den Anspruch auf eine Ausbildungsduldung, also die sogenannte 3+2-Regelung, auf Einstiegsqualifizierungen auszuweiten. Ich finde diesen Punkt, den Sie, lieber Kollege Yetim, ja in Ihrem Antrag zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen aufgreifen, wichtig.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Wagner möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Ich meinte es ernst, als ich eben gesagt habe, dass ich finde, dass Sie heute nicht den Raum bekommen sollen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Christian Loose [AfD]: Sympathische Debatte! – Helmut Seifen [AfD]: Angsthasen!)
Dabei geht es im Sinne der Geflüchteten und Unternehmen darum, vor Eintritt in eine Ausbildung oder Umschulung eine bis zu einjährige Vorbereitung auf die Ausbildung rechtlich abzusichern und die Duldung auf diese Einstiegsqualifizierung auszuweiten, also eine sogenannte 1+3+2-Regelung.
Flüchtlinge in Ausbildung zu bringen, ist die eine Sache, aber dafür zu sorgen, dass diese die Ausbildung auch erfolgreich absolvieren können, ist eine andere Sache. Da hilft die Einstiegsqualifizierung ganz besonders.
Insofern werden wir heute die Erweiterung der Ausbildungsduldung auf eine vorgeschaltete Vorbereitungsphase unterstützen. Allerdings sind wir der Meinung, dass wir auch über eine Duldung hinausdenken müssen, damit Menschen, die unseren Arbeitsmarkt bereichern, nicht in die Situation einer Kettenduldung geraten. Hier brauchen wir über die Arbeitsmarktintegration die Möglichkeit eines Spurwechsels von einem ungesicherten Aufenthalt hin zu einem sicheren Aufenthalt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Deshalb plädieren wir für eine echte Rechtsicherheit, für einen Aufenthaltstitel statt einer Ausbildungsduldung. Ich bin natürlich gespannt, ob die GroKo in Berlin ihr Versprechen einhält, ein Einwanderungsgesetz zu beschließen, wie sie es gestalten wird und ob sie auch diese genannten Vorschläge berücksichtigen wird. Dafür werden wir Grüne auch in Berlin kämpfen. Aber auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sind jetzt gefragt, Druck auf Ihre Genossinnen und Genossen in Berlin auszuüben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend noch auf einen weiteren Punkt eingehen, der bei den Beratungen zur Fortführung des Integrationsplans von den Sachverständigen sehr deutlich betont bzw. hervorgehoben wurde. Die Integrationsmaßnahmen müssen für alle Geflüchteten – unabhängig von der Bleibeperspektive – von Anfang an gut zu- gänglich sein. Dies war für uns Grüne auch schon bei der Erstellung des Integrationsplanes 2016 ein zentrales Anliegen.
Das Warten in den Landeseinrichtungen bewirkt eine künstliche Desintegration, die Menschen zerstört und Perspektivlosigkeit schafft. Außerdem verlieren Menschen in dieser Zeit Qualifikationen und Kompetenzen. Die Integration in Ausbildung und Arbeit wird zunehmend schwieriger. Das haben uns die Expertinnen und Experten einhellig vorgetragen.
Angesichts dieser Erkenntnisse, dass eine zu lange Aufenthaltsdauer fatale Folgen für die Integration hat, finde ich es kurzsichtig und verantwortungslos, dass Sie, Herr Minister Stamp, nun unter dem Deckmantel der Entlastung der Kommunen Menschen bis zu 24 Monate in zentralen Landeseinrichtungen belassen wollen. Mit Ihrem Drei-Stufen-Plan, den Sie gestern vorstellten, werden Integrationsbemühungen konterkariert, und das Land NRW entwickelt sich vom Land der Chancen zum Land der Perspektivlosigkeit. Das schadet nicht nur den betroffenen Menschen, sondern auch unseren Städten und Gemeinden, die vermehrt mit Menschen zu tun haben werden, die Monate oder gar Jahre abgeschottet und ohne jeglichen Zugang zu gesellschaftlicher Teilhabe gelebt haben.
Die Fragen nach der Beschulung von Kindern, nach gesundheitlicher Versorgung und dem Zugang zu Integrationsmaßnahmen – wie Sprachkurse und ehrenamtliche Unterstützung – lassen Sie weiterhin unbeantwortet. Gerade deshalb müssen wir, finde ich, dahin gehend wirklich zusammen agieren und sicherstellen, dass sich das Land NRW weiterhin als ein Land der Chancen und Vielfalt entwickelt und nicht in Stillstand und Rückschritt verfällt. Deshalb unterstützen wir den Antrag zur Fortführung des Integrationsplanes. Wir würden auch gerne daran mitarbeiten, ihn zu entwickeln. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Aymaz. Frau Aymaz, bleiben Sie noch einen Moment stehen. Es gibt eine Kurzintervention, angemeldet von Herrn Wagner von der AfD-Fraktion. Der Fraktionsvorsitzende hat das Wort. Bitte schön.

Markus Wagner (AfD): Schönen Dank, Herr Präsident. – Frau Aymaz, Sie werden sich wohl damit abfinden müssen, dass ich in den Landtag gewählt bin und mich dementsprechend zu Wort melde. Wenn Sie meine Fragen nicht hören wollen, dann werden Sie sich jetzt eben meine Intervention anhören müssen.

Es ist schon erstaunlich: Wenn wir über Integration und in diesem Zusammenhang auch über Antisemitismus sprechen, sitzen die Vertreterinnen und Vertreter der Grünen immer auf einem besonders hohen Ross, obwohl sie doch eine zutiefst antizionistische Vergangenheit haben. Ihre Partei hat bereits 1984 damit begonnen, mit dem Abgeordneten Reents eine Reise nach Israel zu unternehmen, wo das Abschlusskommuniqué bereits vor Ende der Reise fest stand. In ihm wurde Israel die alleinige Schuld an den Auseinandersetzungen im Nahen Osten zugeschrieben. Herr Ströbele – er ist Ihnen sicherlich noch bekannt – trat eine Israelreise an, während die irakischen Scud-Raketen auf Israel flogen. Er hat dort gefordert, den Verkauf von Abwehrraketen an Israel zu unterbinden, weil dies eine Eskalation hervorrufen könnte.
Die Krönung aber haben Sie 2013 vollbracht. Da haben Sie dazu aufgefordert, dass israelische Produkte aus den besetzten Gebieten hier in Deutschland – nach dem Motto „Deutsche wehrt euch, kauft nicht bei Juden!“ – gesondert gekennzeichnet sein müssten. Sie haben das als informierte Kaufentscheidung ausgegeben.
Ich sage Ihnen eines: Ihren Antizionismus und Ihren Antisemitismus tragen wir von der AfD jedenfalls nicht mit. Darauf können Sie sich verlassen.
(Beifall von der AfD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Frau Aymaz, Sie haben das Wort für eine Replik, wenn Sie möchten: eins zu eins.
Berivan Aymaz (GRÜNE): Es ist das typische Vorgehen der AfD, Themen zu vermengen und etwas wiederzugeben, was mit der Realität absolut nichts zu tun hat. Ich glaube, dass es nicht nur uns, sondern auch der Öffentlichkeit bekannt ist, wie klar und eindeutig wir gegen Rassismus und Antisemitismus vorgehen. Wir werden uns auch weiterhin damit beschäftigen und dagegen vorgehen – in den Parlamenten und auf der Straße. Da können Sie sich sicher sein.