Berivan Aymaz: „Ich finde, dass diese wertvollen Projekte für alle Kinder geöffnet werden müssen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Sprachkompetenz

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Erst das Menschliche und dann das Inhaltliche. Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, liebe Margret, mich auch an dieser Stelle ganz, ganz herzlich für die stets menschliche Zusammenarbeit zu bedanken. Deine Haltung als Ausschussvorsitzende war es immer, das Menschliche nach vorne zu stellen und dann dafür zu sorgen, dass alle die Möglichkeit hatten, in den demokratischen Streit einzusteigen.

Ja, wir haben uns gerne auch mal zwischendurch über die aktuellsten Farben der Modewelt ausgetauscht. Aber ich bin dir vor allen Dingen dafür dankbar, dass du es immer mit viel Geduld und natürlich auch aus einer demokratischen Haltung heraus ertragen hast, dass ich in den Ausschusssitzungen doch noch mal die dritte, vierte und fünfte Fragenschleife gedreht habe. Auch, wenn du ab und zu mal auf die Uhr geguckt hast, wusstest du stets, dass es wichtig ist, diesen demokratischen Raum auch mit hartnäckigen Fragen zu nutzen. Dafür noch mal vielen, vielen Dank, und dir alles Liebe für die Zukunft.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Jetzt aber zum Inhaltlichen. Ja, wir widmen uns heute dem Thema der Mehrsprachigkeit. Für mich ganz persönlich ist Mehrsprachigkeit eine Selbstverständlichkeit. Ich bin mit den Sprachen Türkisch, Kurdisch und Deutsch aufgewachsen. Das Switchen zwischen den Sprachen, das Hin und Her im Alltag, gehört nicht nur zu meiner Identität, sondern das ist für mich auch eine sehr, sehr erleichternde Art. Ehrlich gesagt, empfinde ich es als sehr, sehr anstrengend, einen ganzen Tag nur in einer Sprache zu verbringen. Deshalb ist es für mich hier am Rednerpult wirklich teilweise recht anstrengend, wenn ich zwei, drei Tage lang nur Deutsch gesprochen habe und nicht dazu gekommen bin, zwischendurch mal Türkisch oder Kurdisch zu sprechen. Dann merke ich plötzlich, wie sehr mich das in meiner Konzentration stört.

Ich bin sehr dankbar, dass wir inzwischen da angekommen sind, dass wir fraktionsübergreifend – zumindest innerhalb der demokratischen Fraktionen – diese Mehrsprachigkeit und vor allen Dingen den Wert der ersten Sprache schätzen. Bei mir kamen ja die erste, die zweite und sogar die dritte gleichzeitig, muss ich gestehen.

Ich weiß noch, dass es, als ich hier in Deutschland die Grundschule besucht habe, keine Selbstverständlichkeit war, das wertzuschätzen. Ich hatte übrigens überhaupt nicht die Gelegenheit, einen herkunftssprachlichen Unterricht zu besuchen. Das gab es nicht. Ich weiß, dass es noch sehr lange, nämlich bis vor Kurzem, in den Debatten eigentlich darum ging, erst die deutsche Sprache zu lernen. Erst die deutsche Sprache!

Das Beherrschen der Erstsprache hat einen ganz besonderen Wert, auch einen integrativen Wert. Dass das jetzt angekommen ist, freut mich sehr. Deshalb bin ich auch dankbar, dass es diesen Antrag gibt.

Allerdings, tauchen die Aufgaben, die dafür erledigt werden müssen, leider nicht in dem Antrag auf. Das ist der Grund, warum wir dem Antrag nicht zustimmen werden. Zum Beispiel geht es darum, dafür Sorge zu tragen, dass der herkunftssprachliche Unterricht an allen Schulen ermöglicht wird, dass vor allen Dingen die Bedingungen für Lehrerinnen und Lehrer der Herkunftssprache erleichtert werden, und dass kritisch hinterfragt wird, warum in den letzten Jahren herkunftssprachlicher Unterricht nicht so angeboten wird, wie er eigentlich angeboten werden müsste. All das taucht in dem Antrag leider nicht auf.

Wenn wir es ernst damit meinen, die Vielfalt der Sprachen wertzuschätzen, müssen wir kritisch genau dahin gucken, wo es eben nicht gut funktioniert. Wir müssen auch sehr schnell agieren, damit es besser funktioniert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, Sie hatten jetzt fünf Jahre Zeit, genau hinzugucken, wie es besser gemacht werden kann. Deshalb wundere ich mich, dass in der letzten Plenarsitzung dieser Legislaturperiode der Antrag gestellt wird, ein Konzept dafür zu erarbeiten. Das wird dieser so wichtigen Thematik, ehrlich gesagt, nicht gerecht.

Auf einen Punkt möchte ich bei dieser Gelegenheit noch eingehen: Sie sprechen in dem Antrag auch Modellprojekte wie zum Beispiel die Initiative „Lebendige Mehrsprachigkeit“ oder auch die „LaKI“-Programme, „Rucksack KiTa“ und „Griffbereit“ an, die übrigens alle zur rot-grünen Zeit gestartet sind. Ich finde es gut, dass diese Programme jetzt noch mal ausgebaut werden.

Herr Minister Stamp und liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Gelegenheit nutzen und appellieren, dass von dem Ausbau dieser Programme – gerade auch der Brückenprogramme – bitte nicht nur Kinder aus der Ukraine, sondern Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Sprache Gebrauch machen können.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Ich bin teilweise sehr, sehr entsetzt gewesen, zu erfahren, dass das nur für ukrainische Kinder gelten soll. Das darf es nicht sein. Ich finde, dass diese wertvollen Projekte für alle Kinder geöffnet werden müssen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Abschließend geht es natürlich auch darum, die Mehrsprachigkeit in unseren Behörden voranzutreiben. Ich glaube, dass dieser Aspekt noch mal stärker Berücksichtigung finden sollte. Ich hoffe sehr, dass das Thema in der nächsten Legislaturperiode mit der Ernsthaftigkeit angegangen wird, die es braucht. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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