Berivan Aymaz: „Für uns Grüne ist selbstverständlich, dass sie alle ihre Grundrechte und Teilhabemöglichkeiten gleichberechtigt wahrnehmen können müssen“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Imamausbildung

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! In Nordrhein-Westfalen leben Menschen unterschiedlicher Herkunft, diverser Geschlechter und sexueller Identität sowie Menschen mit und ohne Religionszugehörigkeit. 04. Denn das ist ein Anspruch unseres Grundgesetzes und keine Frage einer Nettigkeit oder politischen Haltung, und das gilt auch für Musliminnen und Muslime, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Doch wer praktizierender Muslim hier in Nordrhein-Westfalen ist, ist bei der Religionsausübung immer noch auf Imame aus dem Ausland angewiesen. Verbände wie DITIB, IGMG oder ATIB greifen auf Imame zurück, die in der Türkei von der Erdogan-treuen Religionsbehörde Diyanet ausgebildet werden, und auch für die Ausbildung von DITIB-Imamen in der Eifel, die in den Kölner, Dortmund oder Bielefelder Moscheen das Freitagsgebet verrichten, gelten leider immer noch Lehrpläne aus Ankara.

Wenn wir aber möchten, dass in deutschen Moscheen eine qualifizierte, an den Bedürfnissen der hier lebenden Muslime orientierte Gemeindearbeit stattfinden soll, wenn wir zur Anwerbung von Imamen aus dem Ausland eine nachhaltige Alternative bieten möchten und wenn wir den Einfluss auch von islamistischen und nationalistischen Geistlichen auf unsere muslimischen Communitys hier nicht länger einfach so hinnehmen möchten, dann brauchen wir verbindliche Standards für eine universitäre Ausbildung und Weiterbildung von Imamen in Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb hat unsere Bundestagsfraktion bereits im Jahr 2018 in einem Antrag Ausbildungsprogramme für Imame und islamische Religionsbedienstete in Deutschland gefordert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP, ja, Ihr Antrag geht grundsätzlich in die richtige Richtung, und mit dem Zentrum für Islamische Theologie an der Universität Münster haben wir hier in NRW auch ein Institut mit langjähriger Erfahrung in der Ausbildung von Theologinnen und Theologen. Daher muss dieses Institut auch weiterhin in seiner Arbeit gestärkt werden.

Aber einige zentrale Fragen bleiben in Ihrem Antrag unbeantwortet, weshalb wir uns bei der Abstimmung enthalten werden. Sie wollen neben den großen Dachverbänden auch kleinere Verbände und unabhängige Moscheegemeinden in die Zertifikatsstudienprogramme einbinden und entsprechende Vereinbarungen zur Kooperation treffen. Nach welchen nachvollziehbaren Kriterien diese Verbände, diese Vereine jedoch ausgewählt werden, bleibt völlig unklar. Und wieder einmal bleibt auch völlig unklar, wie mit politisch hochproblematischen Dachverbänden – mein Vorredner Ibrahim Yetim hat es kürzlich angesprochen – wie zum Beispiel DITIB verfahren wird, ohne dabei ihren Einfluss weiter zu stärken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist mir bewusst, das Imame, die in NRW ausgebildet werden, hier auch eine Perspektive auf eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt haben müssen. Und wenn Verbände wie DIBIT und Co. diese ausgebildeten Imame nicht bezahlen können oder auch aus politischer Überzeugung nicht einstellen wollen, dann haben wir zwar gut ausgebildete Imame, die aber in der Gemeindearbeit eventuell kaum zum Zuge kommen.

Hier haben wir ein Dilemma. Wenn Verbände nicht in die Ausbildung einbezogen werden, kann das dazu führen, dass die hier ausgebildeten Imame nicht in Anspruch genommen werden. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir über dieses Dilemma, mit dem wir es übrigens nicht erst seit gestern zu tun haben, offen und mutig miteinander sprechen müssen. Daher hätten wir uns gewünscht, dass wir als demokratische Fraktionen in dieser so wichtigen religionspolitischen Frage auch gemeinsam nach Lösungen gesucht hätten.

Wir sind auf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP, zugegangen. Ihnen scheint aber ein Alleingang als Regierungsfraktionen – vor allem ein Alleingang mit viel PR – wichtiger gewesen zu sein als die gemeinsame Suche nach einer nachhaltigen und vor allen Dingen verfassungsrechtlich sauberen Lösung in dieser so zentralen Frage. Ich finde, das ist eine verpasste Chance.

Auch wenn der Antrag nun direkt abgestimmt wird – wir werden uns enthalten –, stehen wir für den weiteren Austausch zur Verfügung. Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, dass wir da einiges zu bieten haben. Sie erinnern sich an den islamischen Religionsunterricht. Zahlreiche wichtige Vorschläge sind von uns aufgenommen worden, sehr wichtige Korrekturen sind von uns eingebracht worden. Diese Chance haben Sie im Moment nicht, aber vielleicht nehmen Sie sie ja noch wahr. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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