Berivan Aymaz: „Für uns Grüne ist das Recht auf Familie ein Grundrecht“

Antrag der Fraktion der AfD zum Familiennachzug

Portrait Berivan Aymaz 2021

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Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Markus Wagner [AfD]: Sie haben schon wieder das Wort „pseudo“ vergessen!)
Der vorliegende Antrag ist mit vielen Zahlen geschmückt und hat etwas, was für die AfD symptomatisch ist.
(Zuruf von der AfD: Weil Sie es nicht verstanden haben!)
Sie führen als Argumentation gegen den Familiennachzug völlig aus der Luft gegriffene Zahlen an und erfinden ein Szenario von unkontrollierter Massenzuwanderung quer durch die Republik.
(Markus Wagner [AfD]: Haben wir seit drei Jahren!)
Die AfD rechnet für jeden anerkannten Schutzberechtigten – das haben die Vorrednerinnen und Vorredner wunderbar erwähnt – mit einem Zuzug von drei Familienmitgliedern und gibt an, dass durch den Familiennachzug weitere 150.000 Personen nach NRW kommen würden. Einen Faktencheck mache ich jetzt nicht mehr, den haben meine Vorredner bereits durchgeführt.
(Zurufe von der AfD)
Ich möchte aber trotzdem erwähnen, dass nach seriösen Berechnungen eben nicht mit einem Zuzug von 150.000 Menschen nach NRW zu rechnen ist, sondern lediglich mit einem Zuzug von 14.000 Menschen.
(Markus Wagner [AfD]: Warum das denn? – Arndt Klocke [GRÜNE]: Ach, die eine Null!) Die Verbreitung von falschen Fakten beruht zumindest in diesem Fall nicht auf Unwissenheit
– an der Stelle können wir der AfD nicht Unwissenheit attestieren –, sondern sie wird bewusst eingesetzt, um Angst und Unsicherheit in unserer Gesellschaft zu schüren.
(Helmut Seifen [AfD]: Das ist Diffamierung! – Markus Wagner [AfD]: Sie diffamieren! Was anderes konnten Sie noch nie!)
Wir werden es nicht zulassen, dass in diesem Haus mit Lügen gezielt Stimmung gegen Schutzbedürftige gemacht wird. Wir werden Ihre Lügen überall und immer wieder entlarven.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der AfD: Unverfrorenheit!)
Angesichts der Bilder, die uns täglich aus Syrien erreichen, die zeigen, dass aufgrund des Krieges in vielen Städten kein Stein mehr auf dem anderen steht, ist es an Zynismus wirklich nicht mehr zu überbieten, dass die AfD von einer baldigen Rückkehr der Menschen in dieses von Gewalt und Zerstörung geplagte Land spricht.
(Zuruf von Markus Wagner [AfD])
Für uns Grüne ist das Recht auf Familie ein Grundrecht. Es ist, wie wir in diesen Tagen bei den Sondierungen in Berlin erleben, ein Armutszeugnis, dass gerade die christliche Union, die für sich beansprucht, die Familienpartei zu sein, weiterhin an der Aussetzung des Familiennachzugs festhält, dass sie Kinder von Eltern und Eheleute jahrelang auseinanderreißen will.
Familien gehören zusammen. Das gilt für jede Familie, unabhängig von Herkunft und Status. (Beifall von den GRÜNEN – Bodo Löttgen [CDU]: Aber nicht über das Recht!)
Dafür, meine Damen und Herren, stehen wir Grüne in Berlin und in NRW ein. (Bodo Löttgen [CDU]: Aha!)

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Der Abgeordnete Seifen würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Nein.

Vizepräsidentin Angela Freimuth: Okay, Sie wollen im Vortrag fortfahren.

Berivan Aymaz (GRÜNE): Die Aussetzung …
(Markus Wagner [AfD]: Sie stellen sich lieber keinen Fragen!)
–  Ich will Ihnen doch hier keinen weiteren Raum für Lügen geben. (Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
–  Hören Sie lieber zu. Nehmen Sie ein paar Fakten mit, wenn Sie das überhaupt noch können.
Die Aussetzung des Familiennachzugs ist nicht nur rechtlich höchst bedenklich, sondern auch aus integrationspolitischer Perspektive eine fatale Entscheidung. Wer bei uns vor Folter, Todesstrafe oder Gewalt und Krieg Schutz gefunden hat, wird sich erst dann auf das Lernen der deutschen Sprache konzentrieren, sich um Arbeit bemühen und besser in das Gemeinwesen integrieren können, wenn er nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben seiner Kinder oder seines Partners bzw. seiner Partnerin in Sicherheit weiß.
Vor diesem Hintergrund ist es nun wirklich mehr als bizarr, dass ausgerechnet Staatssekretärin Serap Güler – ich erinnere: zuständig für Integration – in die Debatte einwirft, man habe den Menschen nicht Integration versprochen, sondern lediglich Schutz geboten. Es ist an Erbärmlichkeit nicht mehr zu überbieten, mit welchen vermeintlichen Argumenten die Gegnerinnen und Gegner des Familiennachzugs in die Debatten gehen und sich an Populismus und Verantwortungslosigkeit zu übertrumpfen versuchen. – Hier geht es nicht darum, was Sie, Frau Güler, den Menschen versprochen haben. Integration ist kein Akt der Barmherzigkeit, sie ist nach geltendem EU-Recht eine Pflichtaufgabe. Hier stehen Sie ganz besonders in der Verantwortung.
Eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzbedürftige oder gar, wie es der vorliegende Antrag der AfD darüber hinausgehend fordert, dessen komplette Abschaffung sind für uns Grüne völlig verantwortungslos und menschenrechtlich inakzeptabel.
Die prognostizierten Zahlen und aktuellen Schätzungen zum Familiennachzug sind absolut überschaubar und ohne Zweifel beherrschbare Größen. Die von der AfD in die Welt gesetzten Zahlen dagegen sind grotesk und pure Hetze ohne jeden Realitätsbezug. Wir lehnen den Antrag ab.

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