Der Antrag „Nordrhein-Westfalen – stark in Europa“
Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ja, Europa steht vor großen Herausforderungen. Drängende Themen unserer Zeit sind fortlaufend auf der Agenda: der fortschreitende Klimawandel, der rapide Verlust an natürlichen Lebensräumen und Artenvielfalt, die Digitalisierung, die Suche nach einer gemeinsamen solidarischen Migrationspolitik sowie die Sicherstellung einer nachhaltigen und fairen Wirtschaft.
In den letzten Jahren haben aber auch Ereignisse und Krisen wie die Coronapandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und nicht zuletzt jüngst der Terrorangriff der Hamas auf Israel die europäische und internationale Politik maßgeblich geprägt.
Gleichzeitig ist Europa von außen wie von innen massiven Angriffen durch völkisch-nationalistische Kräfte ausgesetzt. Die einzige Antwort in diesen schwierigen, ja krisenhaften Zeiten kann doch nur sein, nein, muss sogar sein: Wir brauchen mehr Europa, mehr solidarisches Europa und nicht weniger.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Angela Freimuth [FDP])
Dass Rechtsnationalisten Europa nicht gestalten wollen, ist bekannt. Sie wollen zurück zum Nationalismus nach dem Modell des 20. Jahrhunderts. Ich frage: Wie geschichtsvergessen kann man eigentlich sein?
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Dann verwundert es nicht, dass Alice Weidel nun offen die Idee vom Austritt Deutschlands aus der EU kommuniziert, eines sogenannten Dexits nach dem Vorbild des britischen Brexits.
Aber was würde ein Dexit für unser Land bedeuten? Ich kann es Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen – die Fraktion hier ganz rechts außen wird es Ihnen und den Menschen draußen nämlich nicht sagen –: Wir wären abgeschnitten vom Binnenmarkt, von Freizügigkeit und gemeinsamer Währung, abgekoppelt von Forschungskooperationen und Bildungsmöglichkeiten.
Dass der Brexit nicht ernsthaft als Vorbild dienen kann, liegt doch klar auf der Hand.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Britinnen und Briten leiden nach wie vor unter den Folgen des Brexits. Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Instituts Cambridge Economics kostet der EU-Austritt das Land 163 Milliarden Euro im Jahr.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
– Ich glaube, Sie wollten Fakten. Dann hören Sie endlich mal zu.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
Im Jahr 2023 hatten die Briten pro Kopf im Schnitt etwa 2.000 Pfund weniger zur Verfügung; das sind umgerechnet etwa 2.330 Euro weniger. Für Deutschland wären die Folgen aufgrund unserer besonders vielfältigen Verflechtungen noch viel, viel drastischer.
Es ist offensichtlich, dass nationalistische Kräfte ideologiegeleitet gegen den europäischen Gedanken agieren. Vor diesem Hintergrund ist das entschiedene Einstehen für Europa heute wichtiger denn je. Die Europawahl am 9. Juni ist daher richtungsweisend.
Wir wollen Europa schützen, damit es uns schützt. Wir wollen es stärken, weil es uns starkmacht. Wir wollen seine Handlungsfähigkeit sichern, um unsere Demokratie, unsere Freiheit und den Frieden zu wahren. Für all diese Werte sind übrigens in den letzten Tagen Hunderttausende von Menschen flächendeckend in unserer Republik auf die Straße gegangen. Ich finde, das macht Mut, auch für mehr Europa, für mehr solidarisches Europa. Daher folgen Sie unserem Antrag.
Ich möchte noch einen Punkt zu dem Entschließungsantrag der SPD sagen. Ich finde es gut und wichtig, dass auch Sie mit dem Entschließungsantrag auf die Aspekte, die ich eben erwähnt habe, einen besonderen Fokus gelegt haben, auf die besondere Gefahr von rechts außen. Allerdings ist der Entschließungsantrag leider so kurzfristig eingegangen, dass wir über die eine oder andere Formulierung, über die man noch einmal hätte sprechen müssen, nicht sprechen können. Aber wegen der besonderen Bedeutung, den Blick jetzt erst recht auf die Feinde Europas von innen, von rechts außen, zu setzen, werden wir uns enthalten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Alexander Vogt [SPD])