Berivan Aymaz: „Die groß angekündigte Integrationsoffensive bleibt leider auch 2019 aus“

Haushaltsplan 2019 - Ministerium für Flüchtlinge und Integration

Portrait Berivan Aymaz 2021

Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ja, Herr Minister Stamp, eines muss man Ihnen zugestehen, nämlich dass Sie offensichtlich die Bedeutung erfolgreicher Integrationsprojekte und Strukturen aus unserer Regierungszeit anerkennen und diese auch weiter fortsetzen.
Besonders erfreulich ist auch gerade im Hinblick auf die sehr unglücklich verlaufene Haushaltsberatung im letzten Jahr, die zu großen Verunsicherungen bei den Trägern der sozialen Beratung von Geflüchteten geführt haben, dass Sie nun die Mittel von 25 Millionen Euro mit einer Verpflichtungserklärung auch für das Jahr 2020 verstetigen.
Herr Minister Stamp, zu Beginn Ihrer Amtszeit – es sind inzwischen gut eineinhalb Jahre her haben Sie angekündigt, eine Integrationspolitik zu führen, wie es sie noch nie gegeben habe. Bei allem Respekt für die Anerkennung der Maßnahmen aus grüner Regierungszeit frage ich mich, wenn ich mir Ihren Haushaltsentwurf angucke, wo denn nun die groß angekündigte neue Linie bleibt. Das einzig Neue, was mir ins Auge sticht, ist eine Kampagne, in der durch Vorbilder die erfolgreichen Integrationsgeschichten bzw. die erfolgreiche Einwanderungsgesellschaft von NRW dargestellt werden sollen. Diese Aktion mag ja nett und schön sein, aber Politik sollte doch mehr bieten als nur PR und Inszenierung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Gerade auch in einer Zeit von erstarkendem Rechtspopulismus und Rassismus, die tagtäglich unsere offene und bunte Gesellschaft angreifen, reicht es nicht, nur die erfolgreichen Integrationsgeschichten darzustellen, sondern jetzt kommt es erst recht darauf an, eine emanzipatorische und demokratische Einwanderungsgesellschaft innovativ, nachhaltig und mit Weitblick zu gestalten.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren haben Sie auch, Herr Minister Stamp, dafür die allerbesten Rahmenbedingungen. Die Zuzugszahlen von Neueinwanderern sind deutlich gesunken, und der Landeshaushalt ist aufgrund sprudelnder Steuereinnahmen extrem gut ausgestattet.
Während Sie im Integrationsausschuss noch ankündigten, für jeden einzelnen Menschen verbindliche und verlässliche Integrationschancen bieten zu wollen, sehen Sie Ihre eigentliche Herausforderung wohl darin, das Landesaufnahmesystem für Geflüchtete komplett umzustellen und Menschen bis zu 24 Monate ohne Integrationsangebote, ohne Zugang zu Bildung und Arbeit und gesellschaftlicher Partizipation in den Landeseinrichtungen zu kasernieren. Dabei warnen Expertinnen und Experten doch eindringlich vor den gravierenden Folgen, die die Integration von Geflüchteten konterkarieren und Kommunen mit erheblichen Folgekosten auch belasten.
Obwohl im Bund wie auch im Land NRW die Anzahl freiwilliger Rückkehrer zurückgegangen ist – die Gründe hierfür sind vielschichtig, liegen sehr oft auch in der Situation in den Herkunftsländern –, stocken Sie ausgerechnet in dem Bereich die Mittel auf. Obwohl der Titel „Rückführung und Rückführungsbegleitung“ 2017 und auch 2016 nicht annähernd ausgeschöpft wurde, wird jetzt von über 12 Millionen Euro mehr im Vergleich zur Verausgabung im Jahre 2017 ausgegangen. Das kann doch nicht die Ankündigung sein, Menschen, die hierherkommen, unabhängig davon, welche Bleibeperspektive sie haben, tatsächlich eine Chance zu bieten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Hier wird doch ganz klar ein Zeichen gesetzt, ein Zeichen der Abschottung, ja, und auch der Abschiebung, statt einer Willkommens- und Integrationspolitik.
Abschließend möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, der mir in zahlreichen Gesprächen mit Akteuren aus der Flüchtlings- und Integrationsarbeit begegnet ist. Es geht um die hohe Anzahl von traumatisierten Geflüchteten, in der Regel bedingt durch Krieg, Verfolgung, Erlebnisse auf der Flucht und nicht zuletzt auch durch die ungünstigen Bedingungen in den Unterbringungseinrichtungen.
Die Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge sehen sich mit einem enorm steigenden Beratungsbedarf konfrontiert. Hier werden dringend zusätzliche personelle Kapazitäten benötigt. Denn je frühzeitiger Traumata und psychische Erkrankungen erkannt und behandelt werden, desto erfolgreicher kann die Integration verlaufen. Hier ist vorausschauende Politik gefragt, die auch Problemlagen zügig erkennt und nicht ausblendet. Daher fordern wir eine Erhöhung der Mittel für die Psychosozialen Zentren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, Sie sehen allein schon an den hier in der kurzen Zeit vorgebrachten Beispielen: Die groß angekündigte Integrationsoffensive, die Herausforderungen erkennt, langfristig angelegte Konzepte formuliert und sich klar gegen den populistischen Rechtsruck wendet und NRW weiter als ein Einwanderungsland voranbringt, bleibt leider auch 2019 aus.
–  Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)