Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Auch knapp sechs Wochen nach Beginn des Angriffskriegs von Putin auf die Ukraine erschüttern uns die Berichte und Meldungen über Gräueltaten und regelrechte Massaker an der ukrainischen Zivilbevölkerung.
Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, hier an dieser Stelle ganz klar sagen: Für alle diese Kriegsverbrechen wie jüngst in Butscha gehören die russischen Verantwortlichen, allen voran Putin, vor Gericht gestellt und zur Verantwortung gezogen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
Doch jetzt muss es für uns in NRW erst einmal darum gehen, all den Menschen, die bei uns Schutz suchen, auch den Schutz zu bieten, den sie brauchen. Nach aktuellen Informationen sind in NRW inzwischen etwa 100.000 Geflüchtete aus der Ukraine angekommen; die tatsächliche Zahl dürfte aber höher sein.
Ein Großteil dieser Menschen ist in den Kommunen untergekommen und nur ein Bruchteil in den Landeseinrichtungen. Lieber Herr Kollege Lenzen, ich denke, es ist wichtig, auch das fairnesshalber noch einmal zu erwähnen, wenn Sie hier schon die Landeseinrichtungen loben.
(Beifall von Christian Dahm [SPD])
Es ist gut, Herr Minister Stamp, dass Sie jetzt ankündigen, die Kapazitäten in den Einrichtungen von derzeit 27.000 auf 60.000 Plätze zu erhöhen. Aber ich finde, dass Sie schon genauer darlegen müssen, in welchem Zeitraum, wo und in welcher Form von Unterbringungsmöglichkeiten dies vorgesehen ist. Angesichts der aktuellen Notlage geht es nicht nur darum, ein Vorhaben ins Blaue hinein zu verkünden und von Perspektiven zu reden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Unsere Kommunen und Hilfsorganisationen und die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler machen es nämlich vor: Sie packen seit Wochen unermüdlich tatkräftig an.
Viele der in dem SPD-Antrag gestellten Forderungen haben wir Grüne auch bereits mehrmals an unterschiedlichen Stellen an die Landesregierung adressiert. Ich finde auch, dass wir als demokratische Fraktionen da immer ganz klar waren. Diese Forderungen hatten einen Charakter konstruktiven, gemeinsamen und gemeinschaftlichen Agierens und nicht des Vorführens. Schon gar nicht war es so, dass dieses Thema für irgendwelche Zwecke, für Wahlzwecke instrumentalisiert wurde. Herr Lenzen, deswegen finde ich, dass Sie da mit den Vorwürfen an die SPD ein bisschen zu weit gegangen sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Gut ist ja auch, dass das Land die Kommunen nach unseren Forderungen und dem Hinweis bezüglich der fehlenden PIK-Stationen jetzt mit mobilen Teams unterstützt. Aber, Herr Kollege Lenzen, seien wir ehrlich: Eine Schulung im Zwei-Schicht-Betrieb durch Personal, das wiederum die Kommunen zur Verfügung stellen müssen, ist nicht die Abhilfe, die unsere Kommunen brauchen. Ihnen fehlt es an Personal, Geräten und, und, und.
(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])
Und es stehen viele weitere Herausforderungen an – zum Beispiel die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung, Impfungen, die durchgeführt werden müssen, aber auch die Bereitstellung von Betreuungs- und Bildungsangeboten für die zahlreichen Kinder und Jugendlichen, die jetzt bei uns sind.
Herr Minister Stamp, für all das müssen Sie auch Geld in die Hand nehmen. Derzeit stehen im Landeshaushalt 1,6 Milliarden Euro für Geflüchtete zur Verfügung. Das ist die Summe für alle Geflüchteten, also auch für die, die nicht aus der Ukraine kommen. Dass diese Summe vorne und hinten nicht ausreicht, liegt doch auf der Hand.
Allein die FlüAG-Pauschale, die das Land an die Kommunen gibt, beträgt pro Kopf 10.500 bzw. 13.500 Euro im Jahr. Für die 100.000 in NRW untergebrachten Geflüchteten aus der Ukraine wäre das in diesem Jahr schon mehr als 1 Milliarde Euro. Das ist nur eine ganz konservative Rechnung, denn da habe ich noch nicht einmal den Mehrbedarf, der durch die Anmietung von teuren Objekten wie Messehallen, Catering, das Sicherheitspersonal usw. zur Verfügung gestellt werden muss, dazugerechnet.
Daher finde ich, dass die Landesregierung jetzt zügig einen Nachtragshaushalt vorlegen muss, um die Aussagen, den Kommunen helfen zu wollen, mit Zahlen zu belegen und zu sagen, wie das ausgestaltet werden soll.
An Ihrem Antrag verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht, warum Sie den verklausulierten Weg über ein Sondervermögen gehen. Da muss ich meinem Vorredner recht geben. Das ist nicht der optimale Weg. Wir brauchen einfach einen Nachtragshaushalt.
Natürlich steht auch der Bund in der Verpflichtung bzw. Verantwortung, den Kommunen und Ländern zu helfen.
Wir alle sind gespannt, was das Ergebnis der Gespräche sein wird. Dieses wird uns am Donnerstag erreichen.
Dem Antrag der SPD stimmen wir trotz einiger Punkte, die ich erwähnt habe, zu. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)