Berivan Aymaz (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir alle erinnern uns noch sehr genau daran, wie groß die Erleichterung war, als uns im letzten Jahr die Meldung „Durchbruch beim Impfstoff gegen das Coronavirus“ erreichte. Dieser Tage erleben wir, wie groß die Verunsicherung – und zwar zu Recht – innerhalb unserer Bevölkerung ist, weil die Impfkampagne einfach nicht so läuft, wie sie laufen sollte.
Wie würde es uns erst ergehen, wenn wir heute noch immer nicht wüssten, ob und wann wir überhaupt Zugang zum Impfstoff haben würden? Zurzeit sind zwei Drittel der Menschen weltweit tagtäglich mit genau dieser Frage konfrontiert. Mehr als 85 Länder werden vor 2023 keinen umfassenden Zugang zu Coronavirus-Impfstoffen haben. Mehr als 130 Länder haben noch nicht eine einzige Dose erhalten. Im Vergleich dazu haben aktuell allein zehn Länder bereits 75 % der weltweit vorhandenen Impfstoffdosen verwendet. Ich finde, das ist zutiefst ungerecht und ein verdammt gefährliches Nord-Süd-Gefälle.
(Beifall von den GRÜNEN)
Daher stehen wir als Industrieland Deutschland und als Bundesland NRW in der Pflicht, diesbezüglich für Gerechtigkeit zu sorgen. Für viele Länder besteht das Problem darin, schlichtweg nicht die finanziellen Mittel zu haben, um ihrer Bevölkerung wegen der hohen Verkaufspreise COVID-19-Medikamente, -Impfstoffe, -Diagnostika sowie Schutzmaterialien zur Verfügung stellen zu können. Dass die Zeit drängt, wissen wir alle.
Wenn wir nicht weiterhin weltweit tagtäglich 10.000 Tote durch die Pandemie beklagen und vor allen Dingen weitere Mutationen nicht weiter zirkulieren lassen möchten, dann müssen wir handeln. Wir dürfen den globalen Süden nicht ausblenden und müssen dafür sorgen, dass auch die Länder dort die Möglichkeit haben, selbst Impfstoff zu produzieren.
(Beifall von der AfD)
Die Regierungen Indiens und Südafrikas sind diesbezüglich bereits im Oktober letzten Jahres aktiv geworden und fordern, endlich die Verpflichtung aus dem TRIPS-Abkommen zum Schutz und zur Durchsetzung von Patenten dafür auszusetzen, und zwar so lange, wie die Pandemie wütet und Menschenleben kostet. Dieser Vorstoß wird jedoch von der EU und somit leider auch von Deutschland weiterhin blockiert.
Umso wichtiger ist es, endlich auf Artikel 122 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union zurückzugreifen. Nach Auffassung von Rechtsexpertinnen und -experten kann dieser sogenannte Notfall-Artikel 122 des EU-Vertrages dahin gehend ausgelegt werden, endlich die Freigabe von Impfstofflizenzen zu ermöglichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, als am 26. Dezember 2020 die ersten Impfdosen in NRW eintrafen, feierte Herr Ministerpräsident Laschet dies mit einem Tweet, in dem er schrieb – ich zitiere –: Jede Form von Impfnationalismus muss verhindert werden. Nur gemeinsam bewältigen wir die Krise. – Zitat Ende.
Das waren, wie ich finde, kluge Sätze. Es muss uns allen ganz klar sein, dass wir die Pandemie nicht besiegen können, wenn wir nur Europa im Blick haben und nur in Europa geimpft wird. Deswegen muss auch die Landesregierung jetzt endlich aktiv werden und sich auf europäischer und auf Bundesebene dafür einsetzen, dass dieser Notfall-Artikel 122 ausgelöst wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Coronavirus kennt keine Grenzen. Um dieses Virus in seine Schranken zu weisen, brauchen wir eine entschiedene und solidarische Weltgemeinschaft. Das ist wirklich nicht nur ein Gebot der Fairness und nicht nur eine ethische Frage, sondern am Ende schlichtweg auch in unserem eigenen Interesse. Erstens sind nämlich auch wir auf eine ausreichende Produktion des Impfstoffs angewiesen; das erleben wir ja dieser Tage. Zweitens wissen wir doch in Deutschland und NRW als Industriestandort, wie abhängig der Export von Produkten von funktionierenden Märkten weltweit ist. Drittens wissen wir doch alle, dass die Pandemie erst dann vorbei ist, wenn sie für alle vorbei ist – weltweit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Stimmen Sie in diesem Sinne unserem Antrag zu!
(Beifall von den GRÜNEN)