Benjamin Rauer: „Sie beteiligen sich erneut an einer Scheindebatte, die die Würde des Menschen verletzt“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Bezahlkarte für Asylleistungen

Portrait Benjamin Rauer

Benjamin Rauer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! Bereits im Februar gab es einen sehr ähnlichen Antrag der FDP zur Bezahlkarte, und ich durfte zu diesem Thema sprechen. Bitte sehen Sie es mir nach, wenn sich wesentliche Elemente meiner Aussagen von damals, wie das auch im FDP-Antrag geschehen ist, wiederholen.

Lassen Sie mich vorab sagen, dass ich über diese erneute Antragstellung etwas irritiert bin. Es ist richtig, dass wir uns auf der Bundesebene auf eine Aufnahme der Bezahlkarte in das Asylbewerberleistungsgesetz geeinigt haben. Das könnte auf den ersten Blick suggerieren, dass wir es mit einer veränderten Sachlage zu tun haben. Dem ist aber nicht so.

Wie wir alle wissen, waren Beschlüsse der Länder zur Einführung einer solchen Karte bereits im Vorfeld möglich. Deshalb bleibe ich bei der Schlussfolgerung, die ich vor zwei Monaten vorgetragen habe: Das Ergebnis der europaweiten Ausschreibung bleibt abzuwarten. Erst dann werden wir wissen, welche technischen Möglichkeiten eine Bezahlkarte tatsächlich bieten wird.

Die Bewertung bezüglich des Nutzens einer solchen Karten muss ideologiefrei sein. Das bedeutet, anzuerkennen, dass sie in den Landesunterkünften ein Verwaltungserleichterung darstellen kann, weil die aufwendigen wöchentlichen Bargeldauszahlungen entfallen. In den Kommunen bewirkt die Installation eines neuen Systems anstelle der bewährten Überweisung der Leistung auf ein Konto nicht den beschworenen Bürokratieabbau; im Gegenteil.

Nach meiner Erfahrung als Sozialarbeiter in einer psychosozialen Betreuung von Geflüchteten in der Kommune und den aktuellen Rückmeldungen aus den Kommunen sind die Bargeldauszahlungen dort kein großes Thema. Die bei mir aus diversen Kommunen in NRW angekommenen Rückmeldungen lauten unisono, dass Bargeldauszahlungen nur in Einzelfällen erfolgten und für die Verwaltung keinen bedeutenden Aufwand darstellten.

Ihre Argumentation, mit der Einführung einer Bezahlkarte würde eine irreguläre Migration begrenzt, ist schlichtweg falsch. In der Migrationsforschung ist man sich mittlerweile weitestgehend darüber einig, dass das Modell der Pull-Faktoren in der Realität nicht haltbar ist. Die Schleuserkriminalität wird dadurch ebenso wenig bekämpft, weil die Schleuser vor Antritt der gefährlichen Flucht und nicht nach der Ankunft im sicheren Herkunftsland bezahlt werden.

Sie beteiligen sich erneut an einer Scheindebatte, die die Würde des Menschen verletzt.

(Beifall von den GRÜNEN und Thorsten Klute [SPD])

Als schwarz-grüne Koalition setzen wir uns deswegen weiter für eine diskriminierungsfreie Variante der Bezahlkarte ein, die auch keine neue Bürokratie schafft. Diese Bezahlkarte soll dort eingesetzt werden, wo es sinnvoll ist, und nicht dort, wo sie aus populistischen Gründen gefordert wird.

Seien Sie versichert, dass wir die notwendigen Entscheidungen treffen, sobald uns eine faktenbasierte Entscheidungsfindung möglich ist. Deshalb lehnen wir den Antrag der FDP erneut ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Mehr zum Thema

Geflüchtete Menschen