Benjamin Rauer: „Nordrhein-Westfalen handelt, es braucht aber endlich eine klare bundesweite Regelung“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag zum Schutz von Ezidinnen und Eziden

Portrait Benjamin Rauer

Der Antrag „Schutz von Ezidinnen und Eziden aus humanitären Gründen in Nordrhein-Westfalen: Aufnahmeanordnung nach § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz“

 

Benjamin Rauer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Die Verfolgung der Ezidinnen und Eziden einzig und allein aufgrund ihrer ethnisch-religiösen Zugehörigkeit reicht bis in das 15. Jahrhundert zurück.

Im Jahr 2014 erreichte diese jahrhundertelange Verfolgung ihren grausamen Höhepunkt. Die Terrororganisation, der selbsternannte Islamische Staat, begann in Sinjar einen Völkermord an der jesidischen Bevölkerung.

Tausende Ezidinnen und Eziden wurden ermordet, Frauen und Kinder verschleppt, versklavt, vergewaltigt, gefoltert.

Doch auch zehn Jahre nach dem Genozid befindet sich die ezidische Bevölkerung im Nordirak weiterhin in einer humanitären Notlage. Zwar ist die Terrorherrschaft des IS auch im Irak beendet, doch besiegt ist der IS nicht. Schläferzellen des IS verüben weiterhin Anschläge, und durch die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen der irakischen Zentralregierung und kurdischen Einheiten bleibt die Region Sinjar bis heute politisch instabil und militärisch umkämpft.

Die Ziele des Wiederaufbaus sind weit verfehlt worden. Eine funktionierende Verwaltung und grundlegende Infrastruktur fehlen weiterhin. Ezidinnen und Eziden im Irak sind weiterhin Diskriminierung, Hass und Übergriffen ausgesetzt – ohne ausreichenden Schutz durch die staatlichen Sicherheitsbehörden.

Währenddessen werden in Deutschland Abschiebungen von Ezidinnen und Eziden in genau dieses Krisengebiet vorgenommen. Um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Es werden Menschen, die dachten, nach einem Genozid hier Sicherheit gefunden zu haben, in ein für sie lebensgefährliches Gebiet abgeschoben.

Die Ausländerbehörden begründen das damit, dass es für sie keine andere Möglichkeit gibt, da Ezidinnen und Eziden keinen Schutzstatus nach dem Asylverfahren erhalten. Das führt dazu, dass insbesondere ältere Menschen keinen Schutz behalten, da sie nicht über eine Ausbildung oder eine Arbeitsaufnahme einen anderen Aufenthaltstitel erlangen können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, heute setzen wir gemeinsam ein wichtiges Zeichen. Ich freue mich außerordentlich, dass wir gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen im Landtag den Weg für eine rechtssichere Bleibeperspektive für Ezidinnen und Eziden in Nordrhein-Westfalen beschließen. Damit bekennt sich unser Bundesland klar zu seiner humanitären Verantwortung gegenüber den Überlebenden des Genozids.

Ministerin Josefine Paul hat zuletzt deutlich gemacht, dass wir in Nordrhein-Westfalen eine rechtssichere Bleibeperspektive für diese Menschen schaffen müssen. Heute ist es so weit. Wir beauftragen die Landesregierung, beim Bundesinnenministerium das Einvernehmen für das Aufnahmeprogramm herzustellen.

Es ist jedoch die Zustimmung des Bundesinnenministers Dobrindt erforderlich. Ich richte meinen Appell daher auch direkt nach Berlin.

Am 19. Januar 2023 erkannte der Deutsche Bundestag auf Antrag der Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP die Gräueltaten an Ezidinnen und Eziden als Genozid an. Konkret wurde beschlossen – ich zitiere aus der Drucksache 20/5228 –:

„Der Deutsche Bundestag wird sich mit Nachdruck zum Schutz êzîdischen Lebens in Deutschland und ihrer Menschenrechte weltweit einsetzen.“

Dieser Beschluss war ein wichtiges politisches und moralisches Signal.

Aber ein Signal allein genügt nicht. Was die Überlebenden des Genozids brauchen, ist keine symbolische Anerkennung, sondern eine konkrete politische Umsetzung. Halten Sie Ihr Versprechen zum Schutz ezidischen Lebens in Deutschland!

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Fest steht: Nordrhein-Westfalen handelt. Es braucht aber endlich eine klare bundesweite Regelung, die ezidischen Geflüchteten Schutz, Sicherheit und eine dauerhafte Perspektive gewährt.

Deshalb appelliere ich an den Deutschen Bundestag und an Bundesinnenminister Dobrindt: Übernehmen Sie endlich politische Verantwortung für die Überlebenden des Genozids! Stimmen Sie unserem Aufnahmeprogramm zu, und schaffen Sie eine rechtssichere Bleibeperspektive für alle Ezidinnen und Eziden , die in der Bundesrepublik Schutz gefunden haben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und Thorsten Klute [SPD])

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