Benjamin Rauer: „Mehr Menschen zu inhaftieren, ist ein unwürdiger Vorschlag einer Scheinlösung“

Zum Antrag der FDP-Fraktion zur Ausreisepflicht

Portrait Benjamin Rauer

Benjamin Rauer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen der demokratischen Fraktionen! In neun Tagen ist Heiligabend. Weihnachten ist das Fest der Liebe und der Schutzsuchenden. Die hochschwangere Maria und ihr Partner Josef baten einen Wirt in Bethlehem um Unterkunft. Nur widerwillig gab er ihnen einen Platz in einem kalten Stall. Zum Glück rief er nicht die römischen Soldaten, um das Paar loszuwerden. Somit musste Jesus nicht in einem Gefängnis geboren werden.

Pünktlich zum Fest der Liebe liefert uns die FDP einen Antrag, der die Menschlichkeit einschränken soll. Mal wieder werden Abschiebungen als vermeintliche Lösung gegenüber den Anforderungen der Versorgung von geflüchteten Menschen dargestellt.

Lassen Sie mich versichern: Die Plätze im Ausreisegewahrsam auszubauen, ist keine Lösung für die Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Neben der Tatsache, dass das Abschiebegefängnis in Büren ohnehin das größte in Deutschland ist, möchte ich Sie ausdrücklich bitten, sich die Belegungszahlen der UfA in Büren noch einmal genauer anzuschauen. Dabei wird Ihnen auffallen, dass seit Jahren nicht mal die Hälfte der Plätze in der Einrichtung belegt ist.

Sie suggerieren, dass mehr Plätze im Abschiebegewahrsam zu mehr Abschiebungen führen werden. Das ist mehr als unredlich. Sie ignorieren, dass die Mehrheit der Schutzsuchenden einen rechtlichen Anspruch auf Schutz in unserem Land hat und dass im Besonderen Ausreisepflicht kein Straftatbestand ist.

(Beifall von den GRÜNEN und Silvia Gosewinkel [SPD])

Das sage ich auf Grundlage des Urteils des Europäischen Gerichtshofes von 2014.

Die Abschiebehaft stellt „einen schwerwiegenden Eingriff in den grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich einer Person“ dar. Daher „müssen vorrangig mildere Mittel […] ausgeschöpft werden.“ So steht es auch in unserem Koalitionsvertrag.

Zur Debatte um die Gewährung von Asyl und Schutz gehört die Ausreisepflicht dazu. Aber bei einem Großteil der Menschen liegen berechtigte Gründe für ein Bleiberecht vor. Bei anderen muss das freiwillige Verlassen angestrebt werden.

Mehr Menschen zu inhaftieren, ist ein unwürdiger Vorschlag einer Scheinlösung. Wir sollten stattdessen darüber sprechen, wie wir Strukturen schaffen, in denen die Integration in den Arbeitsmarkt bei dem dramatischen Arbeits- und Fachkräftemangel gelingt.

Wir sollten auch darüber sprechen, wie wir gesellschaftsorientiert, innovativ und im Sinne der demokratischen Werte mit geflüchteten Menschen umgehen möchten.

In diesem Sinne und zu Weihnachten lehnen wir diesen Antrag ab. Ich wünsche frohe und friedliche Weihnachten.

(Beifall von den GRÜNEN und Matthias Kerkhoff [CDU])

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