Benjamin Rauer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Es ist mir wirklich wichtig, dass wir uns über eine Thematik mit hoher humanitärer Bedeutung auseinandersetzen – mit der Situation der Jesidinnen, die vor den entsetzlich Gräueltaten des sogenannten Islamischen Staates aus dem Irak geflohen sind – und keine politischen Spielchen spielen.
Auch bei uns in Nordrhein-Westfalen leben Jesidinnen, die Schutz gesucht haben. Viele Überlebende mussten persönlich oder in ihren Familien unvorstellbare Grausamkeiten wie systematische Gewalt, Verfolgung und Versklavung erleben. Die Lage im Irak hat sich bis heute für Jesidinnen nicht verbessert. Insbesondere Frauen und Kinder leben dort in einer sehr bedrohlichen Situation.
Im Januar dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag den Genozid an Jesidinnen durch den sogenannten Islamischen Staat offiziell anerkannt. Vor diesem Hintergrund appelliere ich nicht nur aus moralischer Verpflichtung, sondern auch aus humanitärer Notwendigkeit für eine bundesweite Bleiberechtsregelung für die jesidischen Menschen aus dem Irak.
(Beifall von den GRÜNEN, Dietmar Panske [CDU] und Annika Fohn [CDU] – Lisa-Kristin Kapteinat [SPD]: Machen Sie doch einfach mehr, als zu appellieren!)
Die derzeit vermehrte Abschiebung von Jesidinnen in den Irak und die Tatenlosigkeit von Bundesinnenministerin Nancy Faeser machen mich sprachlos.
(Volkan Baran [SPD]: Ach, komm!)
Wir erwarten von Frau Faeser, dass sie eine bundeseinheitliche Regelung schafft. Wir erwarten von Frau Faeser, dass sie sämtliche rechtlichen Mittel ausschöpft, um die Abschiebung von Jesidinnen zu verhindern und ihnen einen dauerhaften Schutz zu gewähren.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege Rauer, es liegt der Wunsch einer Zwischenfrage von der Kollegin Blask vor. Lassen Sie die zu?
Benjamin Rauer (GRÜNE): Nein, danke.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
Diese notwendige Regelung muss im Aufenthaltsgesetz verankert werden, um den Schutz dieser Menschen langfristig sicherzustellen.
In ihrem Antrag fordert die SPD-Fraktion einen Abschiebestopp durch die Landesregierung. Allerdings möchte ich Sie, liebe SPD-Kolleginnen, darauf hinweisen, dass eine dauerhafte rechtssichere und humanitäre Lösung nur auf Bundesebene durch Frau Faeser erreicht werden kann.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Daher appelliere ich an die Kollegen der SPD-Fraktion, dieses wichtige Anliegen mit ihren Parteikolleginnen auf Bundesebene zu erörtern und sich gemeinsam für eine langfristige Lösung für die ganze Bundesrepublik einzusetzen, …
(Volkan Baran [SPD]: Bis das passiert: Alle abschieben!)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege Rauer, es liegt ein weiterer Wunsch einer Zwischenfrage vor.
Benjamin Rauer (GRÜNE): Ich bleibe bei meinem Nein. – … genauso, wie wir Grüne es mit unseren Vertreterinnen in der Bundesregierung und der Bundestagsfraktion auch tun.
Ich habe am Wochenende gespannt Ihren Bundesparteitag verfolgt. Leider konnte der Antrag für einen Abschiebestopp in den Irak dort aber keine Mehrheit bei den Delegierten finden.
Für den Iran hatte die Fluchtministerin Frau Paul im vergangenen Jahr einen Abschiebestopp erlassen und verlängert. Alle rechtlichen Möglichkeiten des Landes wurden damit vollständig ausgeschöpft. Wie Sie wissen, können die Bundesländer Abschiebungen eigenständig für maximal sechs Monate aussetzen. Ein vom Land erlassener Abschiebestopp ist also immer zeitlich begrenzt.
(Serdar Yüksel [SPD]: Ja, wäre aber schon mal was!)
Ab sofort könnten also wieder Menschen in den Irak abgeschoben werden, wo ihnen Verhaftung, Folter und die Todesstrafe drohen. Auch hier erwarte ich von der Bundesinnenministerin, dass sie endlich tätig wird. Denn Nancy Faeser könnte nun rechtlich im Anschluss eine Verlängerung des jüngsten Abschiebestopps der Länder auf der zuständigen Bundesebene erlassen. Man hört dazu aber nichts.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Volkan Baran [SPD]: Das ist unglaublich!)
Mit diesem Antrag strebt die SPD-Fraktion eine angebliche Lösung auf Landesebene an, die es aber nicht nachhaltig geben kann. Sie erkennt dabei nicht an, dass der langfristige und gesicherte Schutz von Jesiden in den Händen von Frau Faeser liegt.
Wir werden diesen Antrag ablehnen.
(Thorsten Klute [SPD]: Das ist klar! – Jochen Ott [SPD]: Keine Verantwortung!)
Ich hoffe sehr im Sinne der Jesidinnen, dass Frau Faeser noch eine Lösung findet, damit diese Menschen hierbleiben und somit in Sicherheit leben können.
(Zurufe von der SPD)
Liebe Kolleg*innen, ich bin mir sicher, dass Sie das richtige Ziel verfolgen. Wir teilen das.
(Kirsten Stich [SPD]: Nee!)
Ich bitte Sie daher unter Demokrat*innen: Bitte setzen Sie sich bei Frau Faeser dafür ein.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht Ihr Ernst!)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Herr Kollege Rauer, es ist Ihrer Aufmerksamkeit sicherlich nicht entgangen, dass eine Kurzintervention angemeldet ist. Sie können sie auch von Ihrem Platz aus erwidern. Die Kurzintervention ist von Frau Blask angemeldet. – Sie haben jetzt 90 Sekunden, Frau Kollegin.
(Zuruf: Man kann auch ablehnen! – Zuruf von der SPD: Benjamin, du hast eine Zwischenfrage von ihr abgelehnt!)
Inge Blask (SPD): Sehr geehrter Herr Rauer, wir können heute angesichts Ihrer Rede nur feststellen, dass die Grünen hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen die Abschiebung von Jesidinnen und Jesiden akzeptieren.
(Widerspruch von den GRÜNEN – Gegenruf von Volkan Baran [SPD]: Zuhören!)
Sie könnten etwas tun. Sie haben an der Stelle die Möglichkeit.
(Gönül Eğlence [GRÜNE]: Überhaupt nicht!)
Nur die Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen schieben im Moment ab. Alle anderen Länder haben gehandelt, und ich erwarte von Ihnen, dass Sie als Landesregierung und auch als Mehrheitskoalition heute handeln. Wir als SPD-Fraktion erwarten das heute von Ihnen.
(Beifall von der SPD – Zuruf)
Vizepräsident Rainer Schmeltzer: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Herr Kollege Rauer, Sie haben 90 Sekunden für die Erwiderung. Bitte schön.
Benjamin Rauer (GRÜNE): Wir kennen uns nicht, und ich glaube, Sie wissen nicht, dass ich im Petitionsausschuss sitze. Wenn Sie das wüssten, würden Sie auch wissen, wie sehr ich mich in den vergangenen Wochen mit diesem Thema beschäftigt habe
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD] – Weitere Zurufe)
und wie oft ich mich bei diesem Thema an verschiedenen Stellen für die Menschen eingesetzt habe.
(Zuruf von Lisa-Kristin Kapteinat [SPD])
Uns zu unterstellen, dass wir für die Abschiebung seien, ist totaler Quatsch.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)
Das Nächste ist das Thema – ich habe es gerade erwähnt – „Iran“. Sie wissen genau, was das heißt. Wir haben bezüglich Iran genau das getan, was Sie jetzt fordern. Ein halbes Jahr später stehen wir da und wissen nicht weiter, weil Frau Faeser nicht weiter vorgeht.
(Beifall von den GRÜNEN und der CDU – Widerspruch von der SPD – Zuruf von Volkan Baran [SPD])