Astrid Vogelheim: „Der globale Wasserhaushalt ist ein hochkomplexes, fragiles System, das durch die Auswirkungen der Klimakrise zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät“

Zum Antrag der Grünen im Landtag auf Einsetzung einer Enquetekommission "Wasser"

Portrait Astrid Vogelheim

Der Antrag „Einsetzung einer Enquete-Kommission „Wasser in Zeiten der Klimakrise“ (EK Wasser)“

Astrid Vogelheim (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie außerordentlich wichtig die Enquetekommission „Wasser in Zeiten der Klimakrise“ wäre, wird an einigen Meldungen dieses Jahres deutlich: „Der vergangene Februar war weltweit der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – und damit der neunte Monat in Folge mit einem globalen Temperaturrekord“; „Im vergangenen Jahr lag die globale Temperatur 1,48 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1850 bis 1900“ – ein neuer Höchstwert. 2023 war das niederschlagsreichste Jahr in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Dann kam vergangene Woche folgende Meldung. Die Europäische Umweltagentur warnte: „Die Staaten Europas sind zu schlecht auf Hitze, Dürren und Überschwemmungen vorbereitet“ – und das, obwohl sich Europa von allen Kontinenten am schnellsten erwärmt.

Der globale Wasserhaushalt ist ein hochkomplexes, fragiles System, das durch die Auswirkungen der Klimakrise zunehmend aus dem Gleichgewicht gerät.

Die Erinnerungen an die schreckliche Flutkatastrophe 2021 mit Toten, Verletzten und gewaltigen wirtschaftlichen Schäden sind noch frisch und für viele Menschen schmerzhaft. Wer in den vergangenen Jahren durch unser Land gefahren ist, kann das ganze Elend sehen, kann sehen, was 14 zu trockene Jahre, darunter zwei extreme Dürreperioden, nämlich 2018 und 2022, in unseren Wäldern angerichtet haben.

Ganz generell sehen wir die Auswirkungen der globalen Erwärmung schon seit Jahren, zunehmend auch in NRW. Lange Perioden großer Trockenheit, Dürren, Niedrigwasser in den Flüssen und Hitzewellen oder Starkregen, Überschwemmungen, Dauerregenfälle und Hochwasser – das sind zwei Seiten einer Medaille.

Wir wissen aus der Klimafolgenforschung, dass die Wahrscheinlichkeit für Extremwetterereignisse dieser Art zunimmt. Sie ereignen sich nicht mehr nur in anderen Teilen der Welt, sondern direkt vor unserer Haustür.

Wir dürfen nicht nachlassen, weiterhin alles dafür zu tun, das Fortschreiten der Klimakrise zu bremsen.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

Gleichzeitig müssen wir unser Land aber auch klimaresilienter machen – für die Veränderungen, die wir heute schon erleben, aber noch viel mehr für den Fall, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebten 1,5 Grad überschritten werden; danach sieht es im Moment leider sehr stark aus. Es ist höchste Zeit für Risikovorsorge. Viele der Maßnahmen werden Zeit brauchen. Die Kanalisation einer dicht bebauten und stark versiegelten Stadt kann nicht von heute auf morgen an die Erfordernisse für Starkregenereignisse angepasst werden. Ich habe über 25 Jahre als Ingenieurin in der Siedlungswasserwirtschaft gearbeitet und kenne die Herausforderungen.

Auch das Schaffen von Retentionsflächen, damit die Flüsse wieder Raum haben, braucht in einem demokratischen Rechtsstaat Zeit. Daher wird die Beschleunigung der Umsetzung von bereits identifizierten Anpassungsmaßnahmen eine wichtige Frage in der Enquetekommission sein.

Eine weitere wichtige Frage werden Finanzierungsmodelle sein. Investitionen in die Klimafolgenanpassung werden Geld kosten. Klar ist aber auch: Für jeden Euro, den wir jetzt nicht in die Anpassung stecken, müssen wir schon bald drei oder mehr Euro bezahlen.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft verursachten Starkregenereignisse in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2000 bis 2021 allein an Wohngebäuden Schäden in Höhe von 4,15 Milliarden Euro. Welche Schäden Dürre und Hitze im Land angerichtet haben, ist noch nicht einmal hinreichend untersucht – von den nichtmonetären Schäden mal ganz abgesehen.

Es ist nicht nur eine Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Generationengerechtigkeit, sondern im schlimmsten Fall eine Frage des Überlebens, ob wir Risikovorsorge betreiben oder nicht, ob wir in 30, 50 oder 100 Jahren noch sauberes, hochwertiges Trinkwasser und Wasser für Anbau und Erzeugung von Nahrungsmitteln haben. Ob wir unsere Ökosysteme so erhalten können, wie wir sie heute schätzen und für unser eigenes Überleben brauchen, und ob wir unsere Bevölkerung ausreichend vor Extremwetterereignissen schützen können, entscheiden wir heute.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Heute ist Weltwassertag. Dieses Jahr steht er unter dem Motto „Wasser für Frieden“. Wasser kann Frieden schaffen, ein Mangel daran Konflikte auslösen. Wohlstand und Frieden hängen vom Wasser ab. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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