Wird geflüchteten Kindern und Jugendlichen das Recht auf Beschulung vorenthalten?

Kleine Anfrage von Sigrid Beer und Berivan Aymaz

Portrait Berivan Aymaz 2021

Aus Artikel 8 der Landesverfassung NRW ergibt sich das Recht eines jeden Kindes auf Beschulung. Auch die UN-Kinderrechtskonvention, die Charta der Grundrechte der EU und die Europäische Menschenrechtskonvention bekräftigen dies und stellen klar, dass der Zugang niemandem verwehrt werden darf.

In Deutschland realisiert die Schulpflicht dieses verfassungsmäßige Recht. In Nordrhein-Westfalen ist die Schulpflicht in §34 des Schulgesetzes geregelt. Für geflüchtete Minderjährige beginnt die Schulpflicht demnach (§34 Abs.6) mit der Zuweisung in eine Gemeinde. Hintergrund der Regelung war die Praxis, dass mit der Zuweisung klar ist, welche Gemeinde das Kind bzw. die Jugendliche oder den Jugendlichen zu beschulen hat und für die Einhaltung und Durchsetzung der Schulpflicht verantwortlich ist.

Mittlerweile gibt es aber eine veränderte Rechtslage, was den Verbleib in Aufnahmeeinrichtungen angeht, und vor allem eine veränderte Praxis. Ein Aufenthalt dauert nicht mehr wie vor Jahren wenige Wochen, sondern meist viele Monate. Damit ist die gesetzliche Regelung nicht mehr geeignet, das verfassungsmäßige Recht auf Beschulung umzusetzen. Auch in anderen Bundesländern taucht das Problem auf, dass jungen Geflüchteten das Recht auf Beschulung vorenthalten wird. Das Verwaltungsgericht München hat in mehreren Fällen jungen Geflüchteten ausdrücklich dieses Recht zugesprochen und damit eine Veränderung des Verwaltungshandelns erwirkt.

Auch wenn die Landesregierung angekündigt hat, eine Zuweisung in eine Gemeinde im vierten Monat der Aufenthaltsdauer in den Unterbringungseinrichtungen des Landes zu erreichen, sind in der Praxis deutlich längere Aufenthaltszeiten festzustellen. Gemäß Art. 14 Abs.2 der Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU darf der Zugang zur Bildung nicht länger als drei Monate nach Antragstellung verzögert werden. Das gilt unabhängig vom Aufenthaltsort.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Wie viele minderjährige Geflüchtete sind seit Juli 2017 länger als drei Monate in Unterbringungseinrichtungen des Landes untergebracht (gewesen)? Bitte nach Einrichtung und Monaten unterscheiden.
  2. Wie beurteilt die Landesregierung die Rechtsauffassung zum Recht auf Beschulung, wie sie das Verwaltungsgericht München in den Beschlüssen von Januar 2018 vertreten hat?
  3. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung daraus für das Verwaltungshandeln in NRW?
  4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um eine Beschulung von minderjährigen Geflüchteten mit Aufenthalt in Unterbringungseinrichtungen des Landes zu gewährleisten?
  5. Hält die Landesregierung die derzeitigen Angebote in den Unterbringungseinrichtungen des Landes für quantitativ und qualitativ für ausreichend?