Am Montag, 26. Juli 2021 wurde ein vermeintliches Interview1 zwischen dem Ministerpräsidenten Laschet und Professor Dr. Faruk Şen auf der Seite www.Brandday.net veröffentlicht. Am 27. Juli 2021 nimmt die Europaausgabe der türkischsprachigen und auflagenstarken SABAH, die mit ihrer Nähe zur AKP bekannt ist, die vermeintlich getroffenen Aussagen des Ministerpräsidenten Armin Laschet auf und titelt prominent „Ich habe eine große Liebe zur Türkei.“2 In diesen Artikeln wird Ministerpräsident Laschet unter anderem mit der Aussage zitiert, dass er sich als Kanzler für ein „sehr ernsthaftes Partnerschaftsabkommen“ mit dem Land einsetzen wolle. Kritische Aussagen gegenüber der autoritären AKP-Regierung sind nicht zu vernehmen. Ebenso zeigt sich Ministerpräsident Laschet in dem vermeintlich geführten Interview sehr erfreut über eine von Faruk Şen initiierte Unterstützergruppe von Deutschtürken, die für seine Kanzlerkandidatur mobilisieren soll. Dieses Interview wurde von Faruk Şen bei Twitter bereits am 19. Juli 2021 angekündigt.3
Die Welt4 berichtet am 04. August 2021 daraufhin, dass die Staatskanzlei NRW auf Anfrage hin mitteile, es handele sich nicht um ein autorisiertes Interview. Im Weiteren heißt es: „Laschet habe auch überhaupt nicht mit dem Interviewer gesprochen.“ Die Landesregierung, so der Umkehrschluss, wirft diesem vor, das Interview erfunden zu haben. Die „Sabah“ erklärt, das vermeintliche Interview nur von der Seite www.Brandday.net übernommen zu haben. „Nach der Erlaubnis, das Interview in Teilen und mit Quellenangabe abdrucken zu können, wurde es veröffentlicht“, teilte der Deutschland-Chef der „Sabah“ WELT mit.“ Ebenso ist in der weiteren Presseberichterstattung zu entnehmen, dass Faruk Şen der SABAH gegenüber versichert habe, dass er mit Ministerpräsidenten Laschet telefoniert hätte und das Interview echt sei.
Gegenüber der dpa erklärte Faruk Şen, nach Löschung des Interviews, er habe die Situation „mit der Staatskanzlei geklärt“.5
Auch vor dem Hintergrund, dass ausländische Akteure zunehmend versuchen, durch verdeckte Methoden beziehungsweise Desinformationskampagnen die politische oder gesellschaftliche Willensbildung zu beeinflussen, muss dieser Gesamtvorgang vollständig aufgehellt werden. Im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen über das Jahr 2020 (S.319) wird aufgeführt, dass gängige Mittel der Einflussnahme ausländischer Akteure „Vereinnahmungsversuche politischer oder wirtschaftlicher Entscheidungsträger, die Beeinflussung der öffentlichen Meinung über die Medien (…)“ seien.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
- Wann hat die Landesregierung von dem vermeintlichen Interview bzw. seiner Wiedergabe in der türkischen Presse erfahren?
- Wie hat die Landesregierung auf das vermeintliche Interview reagiert?
- Welche Kontakte gab es in den letzten zwölf Monaten zwischen dem Ministerpräsidenten, der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei oder anderen Beauftragten von Ministerpräsidenten Laschet (auch Parteistellen oder Privatpersonen) und Faruk Şen? (Bitte nach Verteilung der Abteilungen, Gruppen und Referate sowie Datum auflisten)
- Was war Inhalt des klärenden Gesprächs nach dem 4. August 2021 mit Faruk Şen?
- Wird die Landesregierung juristisch gegen Faruk Şen oder Medien vorgehen, die das mutmaßlich gefälschte Interview verbreitet haben?
1 https://brandday.net/genel/2021/07/26/armin-laschet-ile-roportaj/, Abgerufen: 04.08.2021, siehe ebenso: https://web.archive.org/web/20210726091422/https://brandday.net/genel/2021/07/26/armin-laschet-ile-roportaj/, Abgerufen: 06.08.2021
2 https://www.sabah.com.tr/dunya/2021/07/27/turkiyeye-karsi-buyuk-sevgim-var, Abgerufen: 06.08.2021
3 https://twitter.com/faruksenprofdr/status/1417043306387845128?s=20, Abgerufen: 06.08.2021
4 https://www.welt.de/politik/deutschland/article232930611/Staatskanzlei-wirft-tuerkischen-Medien-vor-Laschet-Interview-erfunden-zu-haben.html, Abgerufen: 06.08.2021
5 https://www.faz.net/aktuell/politik/tuerkische-zeitung-sabah-erfundenes-interview-m it-armin-laschet-17471536.html, Abgerufen: 06.08.2021