Warum verweigert Ministerpräsident Laschet den vollständigen Atomausstieg in Deutschland mit fadenscheinigen Argumenten?

Kleine Anfrage von Monika Düker und Wibke Brems

Portrait Wibke Brems 5-23

Am 1. März führte Ministerpräsident Laschet im Landtag aus, dass der Koalitionsvertrag der neuen großen Koalition in Berlin ermögliche, Uran-Lieferungen aus Deutschland nach Belgien künftig zu unterlassen. Wenn die Anlagen in Gronau und Lingen allerdings geschlossen würden, werde Deutschland mit einem Komplettausstieg aus der Atomkraft auch kein Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde sein und könne sich in der Folge nicht mehr an den Atomgesprächen mit Iran beteiligen. Damit würde Deutschland international an Einfluss verlieren. Wörtlich sagte der Ministerpräsident: „Wenn wir Gronau schließen, wenn wir Lingen schließen, dann bedeutet das, dass sich Deutschland aus diesem Feld der Produktion verabschiedet. Wir sind dann nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde. Wir wären dann nicht an den Atomenergiegesprächen und den Friedensgesprächen mit dem Iran beteiligt gewesen. […] Damit würden wir den Einfluss Deutschlands preisgeben. […] Wenn Deutschland nicht mehr Kernelemente produziert und aussteigt, kann man nicht mehr Mitglied der Internationalen Atomenergiebehörde sein. Gronau wird deshalb bleiben, und nach Tihange wird nicht mehr geliefert.“
Die Aussagen des Ministerpräsidenten überraschen, da beispielsweise Österreich bereits seit 1978 aus der kommerziellen Atomkraft ausgestiegen ist. Trotzdem ist das Land weiterhin Mitglied der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEA) und gilt auch international als gewichtige Stimme im internationalen Atomkraft-Diskurs. Die Beteiligung Deutschlands an den 5+1-Gesprächen mit Iran geht ebenfalls nicht auf die Mitgliedschaft der IAEA zurück sondern auf die Initiative des damaligen Außenministers Joschka Fischer. Er hat seine Amtskollegen aus Frankreich und Großbritannien 2003 erstmalig von Gesprächen mit Iran überzeugt. Auch die engen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Iran waren einer der Hintergründe. So berichtete es beispielsweise 2015 u.a. der Deutschlandfunk. Ein Grund war laut der Zeitung „Die Volksstimme“ auch, dass das einzige iranische Atomkraftwerk Buschehr nach Plänen der deutschen Firmen Siemens und AEG Telefunken gebaut worden sei.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Auf welchen rechtlichen Grundlagen oder internationalen Vereinbarungen fußt die Einschätzung des Ministerpräsidenten, dass die Stilllegung der Urananreicherungsanlage in Gronau und der Brennelementefabrik in Lingen dazu führen würde, dass Deutschland nicht mehr Mitglied der IAEA sein könnte und z. B. nicht mehr an den 5+1-Gesprächen mit Iran teilnehmen könnte?
  2. Wie lässt sich Rechtsauffassung des Ministerpräsidenten mit der Tatsache vereinbaren, dass bspw. Österreich bis heute Mitglied der IAEA ist, obwohl das Land bereits seit 1978 aus der Kernenergie ausgestiegen ist?
  3. In welcher Weise wird sich die Landesregierung für eine Schließung der Anlagen in Gronau und Lingen einsetzen, wenn sich herausstellen sollte, dass weder Deutschlands Mitgliedschaft in der IAEA noch die Beteiligung an den 5+1-Gesprächen mit Iran durch die Schließung gefährdet wären?
  4. Wie wird Ministerpräsident Laschet die Belieferung der belgischen Atomkraftwerke mit deutschen Brennelementen künftig verhindern?
  5. Ab welchem Zeitpunkt werden nach Auffassung der Landesregierung die belgischen Atomkraftwerke nicht mehr aus Deutschland beliefert?