I. Ausgangslage
Jede Bürgerin und jeder Bürger in Nordrhein-Westfalen hat nach § 1 Abs. 1 des Weiterbildungsgesetzes das Recht, die zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und zur freien Wahl des Berufs erforderlichen Kenntnisse und Qualifikationen zu erwerben und zu vertiefen. Der Gesamtbereich der Weiterbildung ist dabei ein gleichberechtigter Teil des Bildungswesens.
Den 131 Volkshochschulen allein in Nordrhein-Westfalen – rund 900 sind es bundesweit – kommt hier eine besondere Rolle zu: Sie stellen die Grundversorgung des Weiterbildungsangebotes sicher. Mit ihrem breit gefächerten Programmangebot und ihrer starken Präsenz im gesamten Land stehen sie für größere Bildungschancen und Teilhabe für alle Bevölkerungsschichten. Ein flächendeckendes und bezahlbares Weiterbildungsangebot ist für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger von essenzieller Bedeutung, um auf persönliche und berufliche Herausforderungen reagieren zu können.
Die Angebote der Volkshochschulen und vergleichbarer gemeinwohlorientierter Weiterbildungsträger sind seit jeher umsatzsteuerbefreit. Ihre Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 22a UStG ist dabei ein wichtiger Grundstein für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags, lebenslanges Lernen zu angemessenen Gebühren anbieten zu können.
Bezüglich der Umsatzsteuerbefreiung sehen die Volkshochschulen und gemeinwohlorientierten Weiterbildungsträger unsicheren Zeiten entgegen. Die kommunale Umsatzsteuerpflicht ab dem Jahr 2023 wirft viele Fragen auf. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs lassen Einschränkungen bei der Steuerbefreiung befürchten.
Eine Umsatzsteuerpflicht würde sich jedoch unmittelbar auf die Kursgebühren auswirken, da eine Kompensation der Weiterbildungsträger durch die öffentliche Hand in der aktuellen Lage nicht darstellbar erscheint. Insbesondere bei Angeboten wie Kursen der Grundbildung, Sprach- und Integrationskursen oder beruflicher Qualifizierung und Weiterbildung darf der Geldbeutel nicht über eine Teilnahme entscheiden. Eine faktische Steuererhöhung, welche sich unmittelbar auf die Teilnahmegebühren auswirken würde, wäre auch im Hinblick auf die Rolle der Weiterbildung bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels absolut kontraproduktiv und unbedingt zu vermeiden.
Die Zukunftskoalition aus CDU und GRÜNEN setzt sich dafür ein, die vielfältige Weiterbildungslandschaft in Nordrhein-Westfalen mit den Volkhochschulen und anderen gemeinwohl-orientierten Weiterbildungsträgern zu stärken. Die Bundesregierung hat sich grundsätzlich zur Umsatzsteuerbefreiung für gemeinwohlorientierte Bildungsdienstleistungen bekannt. Sie muss jetzt rasch für Rechtssicherheit sorgen und eine europarechtskonforme Lösung vorlegen, welche auch zukünftig die Angebote der gemeinwohlorientierten Weiterbildungsträger – und damit auch der Volkshochschulen – umfänglich von der Umsatzsteuer freistellt.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
– Die Weiterbildung ist ein gleichberechtigter Teil des Bildungswesens, den 131 Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen kommt in diesem Bereich eine wichtige Rolle zu.
– Die Umsatzsteuerbefreiung ist eine grundlegende Voraussetzung, um die Bezahlbarkeit der Angebote der gemeinwohlorientierten Bildungsträger zu gewährleisten.
– Aufgrund der kommunalen Umsatzsteuerpflicht ab dem Jahr 2023 und der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs besteht zum Fortgelten der Umsatzsteuerbefreiung erhebliche Unsicherheit.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
– sich gegenüber der Bundesregierung für die zeitnahe Vorlage einer europarechtskonformen Regelung einzusetzen, welche eine Umsatzsteuerbefreiung gemeinwohlorientierter Weiterbildungsangebote auch für die Zukunft gewährleistet.
– sich darüber hinaus dafür einzusetzen, dass Volkshochschulen und gemeinwohlorientierte Weiterbildungseinrichtungen anderer Träger angesichts ihres angebotenen Bildungsspektrums als mögliche Bildungsträger umsatzsteuerfreier Leistungen weiterhin explizit im Gesetz aufgeführt werden.