Plastikmüllexporte aus NRW und menschenrechtliche Folgen

Kleine Anfrage von Berivan Aymaz und Norwich Rüße

Portrait Norwich Rüße
Portrait Berivan Aymaz 2021

Die Menge des in Deutschland anfallenden Verpackungsabfalls steigt stetig an. Nach Angaben des Umweltbundesamtes verursachten die Deutschen im Jahr 2019 rund 227 Kilogramm Verpackungsabfall pro Kopf und liegen damit deutlich über dem europäischen Durchschnitt.1 Die inländischen Recyclingkapazitäten können diesem Trend angesichts der Menge und auch des weiterhin hohen Anteils nicht-recyclingfähiger Verpackungen kaum folgen und so werden erhebliche Teile des Müllaufkommens verbrannt oder exportiert. Dies ist insbesondere bei Verpackungen aus Kunststoffen bzw. Plastik der Fall, aber auch andere Plastikabfälle werden zur Entsorgung exportiert, z. T. auch auf illegalen Wegen.

China hatte als eines der Hauptabnehmerländer für Plastikmüll aus aller Welt angesichts der steigenden Mengen und des schlechten Zustandes der häufig unsortierten und stark verdreckten Müllberge schon 2018 die Reißleine gezogen und die Importe von Plastikabfällen fast gänzlich gestoppt. Dadurch verlagerte sich das Problem jedoch unverzüglich in andere Länder, die ebenfalls nicht über ausreichende Recycling- oder teilweise auch nicht über andere fachgerechte Entsorgungsstrukturen verfügen. So sorgt der deutsche Müll vielerorts für Umweltprobleme, z. B. durch die Ablagerung auf wilden Müllkippen oder schlecht gesicherten Deponien, oder wird bestenfalls anstelle des Recyclings zur Energiegewinnung verbrannt, beispielsweise in klimaschädlichen Zementwerken.2

Recherchen des Deutschlandfunks zeigen, dass die Plastikmüllexporte nicht nur Umweltprobleme nach sich ziehen können. Dort wo Recyclingfirmen große Mengen Plastikmüll verarbeiten, werden nicht selten ausbeuterische Arbeitsverhältnisse für die Beschäftigten geschaffen, wie das Beispiel der Recyclingindustrie in der Region rund um das türkische Adana zeigt. Die Beschäftigten dort sind nicht selten syrische Flüchtlinge, deren prekäre Situation ausgenutzt wird, um sie zu Hungerlöhnen und ohne Arbeitsschutz unter gesundheitlich hochbedenklichen Bedingungen arbeiten zu lassen. Laut den Deutschlandfunk-Recherchen finden zwar von deutscher Seite aus Vor-Ort-Kontrollen statt, die die beschriebenen Missstände jedoch nicht effektiv aufzudecken scheinen.3

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche Rolle spielen menschenrechtliche Aspekte bei der Genehmigung von Plastikmüllexporten durch die Bezirksregierungen?
  2. In welchen Fällen haben die Bezirksregierungen Einwände gegen Exportnotifizierungen erhoben aufgrund von Bedenken bzgl. der menschenrechtlichen Situation am Zielort?
  3. Finden von Seiten nordrhein-westfälischer Behörden Vor-Ort-Kontrollen in Recyclingbetrieben statt?
  4. Falls Frage 3 mit Ja beantwortet wird: Welche Kontrollen haben nordrhein-westfälische Behörden seit 2019 mit welchen Ergebnissen durchgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Datum, kontrollierender Behörde, kontrollierten Betrieben und Ergebnis der Kontrollen.)
  5. Inwiefern sieht die Landesregierung Bedarf, bei der Genehmigung von Plastikmüllexporten menschenrechtliche Aspekte verstärkt zu berücksichtigen?

 

1 https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/verpackungsmuell-111.html

2 https://www.quarks.de/umwelt/muell/so-wirkt-sich-chinas-einfuhrverbot-auf-unseren-plastikmuell-aus/

3 https://www.deutschlandfunkkultur.de/ausbeutung-syrer-innen-in-der-tuerkei-100.html