Nordrhein-Westfalen steht weiter an der Seite der belarussischen Demokratiebewegung

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag

Portrait Berivan Aymaz 2021

I. Ausgangslage

Seit dreißig Jahren hält sich der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka durch ma­nipulierte Wahlen, Repressionen gegen die Opposition und gewaltsame Unterdrückung der eigenen Bevölkerung an der Macht. Nachdem viele Belarussinnen und Belarussen sich bereits vor dem Wahltag in großen Unterstützungskundgebungen für die Oppositionskandidatin Swet­lana Tichanowskaja ausgesprochen hatten, kam es nach der manipulierten Präsidentschafts­wahl vom 9. August 2020 in Belarus zu massiven Protesten. Die Bürgerinnen und Bürger stimmten bei dieser Wahl mehrheitlich für einen demokratischen Wechsel. Hunderttausende demonstrierten gegen das Lukaschenka-Regime, forderten das Ende der Herrschaft des Langzeitdiktators und ein freies, demokratisches Belarus, in dem die Menschenrechte gewahrt werden. Die belarussischen Sicherheitskräfte schlugen die Massenproteste gewaltsam nieder. Tausende friedlich Demonstrierende kamen in Haft. Menschenrechtsexpertinnen und -experten prangerten massive Menschenrechtsverletzungen wie sexualisierte Gewalt gegenüber verhafteten und inhaftierten Menschen, Misshandlungen und Folter an.1 Regimekritikerinnen und -kritiker und Oppositionelle wie die Karlspreisträgerin Swetlana Tichanowskaja, die legi­time Gewinnerin der Präsidentschaftswahl 2020, mussten ins Exil fliehen. Hunderttausende verließen so das Land.

Seit der Präsidentschaftswahl 2020 hat sich die Menschenrechtslage in Belarus massiv ver­schlechtert. Jegliche Form politischer Opposition wird unterdrückt. Viele oppositionelle Par­teien, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen wurden aufgelöst. Auch Journalis­tinnen und Journalisten sind staatlichen Repressionen wie Einschüchterungen und willkürli­cher strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt. Belarus belegt Rang 167 von 180 auf der Rang­liste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.2 Versammlungs-, Meinungs- und Presse­freiheit existieren nur in der Theorie. Fernsehen und Radio sind unter staatlicher Kontrolle und werden zensiert. Websites und soziale Medien werden teilweise blockiert. Zugang zu unab­hängigen Informationen erhalten Menschen in Belarus vor allem über das Internet und im Exil betriebene unabhängige Medien. Deren Nutzung ist für die Menschen in Belarus riskant. Un­abhängige (soziale) Medien werden von dem belarussischen Regime als extremistisches Material oder extremistische Vereinigungen eingestuft. Personen, die solchen Seiten folgen oder Inhalte mit „gefällt mir“ markieren, riskieren hohe Geld- und Gefängnisstrafen.

Politisch, wirtschaftlich und militärisch untersteht das Lukaschenka-Regime massivem Ein­fluss durch Russland. Lukaschenka unterstützt Russland in seinem völkerrechtswidrigen An­griffskrieg gegen die Ukraine unter anderem, indem die belarussische Regierung es Russland ermöglicht, ballistische Raketen von belarussischem Hoheitsgebiet aus abzufeuern oder durch den belarussischen Luftraum in die Ukraine zu fliegen.3 Die Mehrheit der belarussischen Ge­sellschaft lehnt die Beteiligung an dem Krieg gegen die Ukraine ab. Durch ihre Unterstützung des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine macht sich die belarussische Führung daran und an den in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen mitschuldig. Als Reaktion auf die gefälschten Wahlen von 2020, die Unterdrückung, die Menschenrechtsverletzungen und die Mittäterschaft des Landes an der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine hat die Europäische Union Sanktionen gegen Belarus verhängt.4 Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten erkannten das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020 nicht an. Auch der Landtag von Nordrhein-Westfalen positionierte sich im März 2023 in einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP (LT-Drs. 18/3663) klar, verurteilte das Vorgehen des Lukaschenka-Regimes gegen seine ei­genen Bürgerinnen und Bürger auf das Schärfste und brachte seine Solidarität mit der Frei­heitsbewegung in Belarus zum Ausdruck.

Inmitten politischer Repressionen, russischer Dominanz und westlicher Sanktionen fand am 26. Januar 2025 erneut eine sogenannte Präsidentschaftswahl statt, aus der Lukaschenka nach offiziellen Angaben mit einer großen Stimmenmehrheit als Sieger hervorging. Im Unter­schied zu dem Wahlkampf 2020 gab es keine unabhängigen Kandidatinnen und Kandidaten. Obwohl Regimekritikerinnen und -kritiker inhaftiert sind – laut der belarussischen Menschen­rechtsorganisation Viasna beträgt die Zahl politischer Gefangener in Belarus über 12005 – und die Opposition ins Exil gezwungen wurde, verstärkte das Regime das repressive Klima unter dem Stichwort „Wahlsicherheit“ im Vorfeld der Präsidentschaftswahl. Das Fotografieren und das Filmen ausgefüllter Stimmzettel, eine Möglichkeit zum Nachweis von Wahlbetrug wie sie bei der Präsidentschaftswahl 2020 genutzt wurde, waren verboten. Wählen im Ausland war nicht möglich, sodass die belarussische Diaspora von der Wahl ausgeschlossen war. Unab­hängige Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter waren nicht anwesend. Seit über 20 Jah­ren haben OSZE-Beobachtermissionen jede Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunal­wahl in Belarus als nicht den internationalen Standards entsprechend eingestuft.6

Westliche Beobachterinnen und Beobachter bezeichneten die Präsidentschaftswahl in Bela-rus als „Scheinwahl“ und „Farce“, weder frei noch fair.7 Offener Protest ist in Belarus nur unter Gefahr für Leib und Leben möglich und dennoch setzen mutige Menschen ihr Wirken im Un­tergrund fort. In Warschau protestierten am 26. Januar 2025 tausende Menschen gegen die „Präsidentschaftswahl“ in Belarus. Angeführt von Tichanowskaja wurde mit dem Protest­marsch eine große weiß-rot-weiße Fahne durch die Straßen der Stadt getragen. Die Fahne wurde nach der gefälschten Präsidentschaftswahl zu einem zentralen Symbol der belarussischen Freiheitsbewegung. Auch in anderen europäischen Städten, auch in Nordrhein-Westfa­len, fanden Demonstrationen der belarussischen Diaspora gegen die Scheinwahl und für ein freies und demokratisches Belarus statt. Die belarussische Demokratiebewegung ist aktiv und kämpft vor allem aus dem Exil weiter für eine Zukunft Belarus als souveräner, demokratischer Rechtsstaat, in dem Menschenrechte gewahrt werden.

Doch auch im Ausland ist zivilgesellschaftliches Engagement für ein freies, demokratisches Belarus risikobehaftet. Das Lukaschenka-Regime nimmt auch diese Menschen ins Visier. Die belarussische Staatsanwaltschaft leitete Strafverfahren gegen Belarussinnen und Belarussen ein, die im Ausland an Protestmärschen und Kundgebungen gegen die Schein-Präsident­schaftswahl am 26. Januar 2025 teilgenommen hatten.8 Es seien hunderte Personen identifi­ziert worden, die an Protestaktionen in Warschau, New York, Vilnius, Bialystok, Prag, Breslau und anderen Städten teilgenommen haben.9 Zudem erließ Lukaschenka bereits im September 2023 ein Dekret, das ein neues Verfahren zur Ausstellung von Dokumenten vorsieht.10 Diplo­matische Vertretungen der Republik Belarus stellen keine neuen Pässe mehr aus und verlän­gern diese nicht mehr. Auch Eigentums- und Vermögensangelegenheiten können nur noch persönlich vor Ort in Belarus geregelt werden. Mit einer Reise nach Belarus riskieren belarussische Staatsangehörige, die sich in der belarussischen Demokratiebewegung engagieren oder engagiert haben bzw. aufgrund politischer Verfolgung Belarus verlassen haben, jedoch politische Verfolgung, Verhaftung und Inhaftierung in Belarus. Es ist wichtig, dass die beson­deren Umstände Betroffener weiterhin berücksichtigt werden11 und politisch Verfolgten in Deutschland Schutz gewährt wird.

Auch anlässlich des am 25. März jährlich stattfindenden Belarus Freedom Days bekräftigt der Landtag Nordrhein-Westfalen seine Position an der Seite der Freiheitsbewegung in Belarus.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Der Landtag Nordrhein-Westfalen bekräftigt seine Unterstützung für die Bevölkerung von Belarus in ihrem Streben nach Demokratie, Freiheit und Menschenrechten. Nord­rhein-Westfalen steht weiterhin solidarisch an der Seite derer, die sich innerhalb und außerhalb von Belarus für die belarussische Freiheitsbewegung engagieren.
  • Der Landtag Nordrhein-Westfalen verurteilt weiterhin auf das Schärfste die anhaltende Verletzung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze und Menschenrechte in Belarus und fordert die sofortige Freilassung aller rechtswidrig inhaftierten und verurteil­ten politischen Gefangenen.
  • Der Landtag unterstreicht die Möglichkeit für Mitglieder des Landtags, im Rahmen des Programms „Demokratie-Brücken“ weltweit Patenschaften für Parlamentarierinnen und Parlamentarier bzw. Menschenrechtsaktivistinnen und Menschenrechtsaktivisten einzu­gehen, die in ihren Ländern bedroht, verfolgt oder inhaftiert sind. Dies eröffnet die Mög­lichkeit, belarussische Oppositionelle zu unterstützen.
  • Der Landtag Nordrhein-Westfalen wird Möglichkeiten eruieren, beispielsweise im Rah­men der Woche der Menschenrechte, neuerlich Aufmerksamkeit für die Menschen­rechtssituation in Belarus zu schaffen.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung aus vorhandenen Mitteln,

  • weiterhin in allen geeigneten Formaten, wie im Rahmen der Woche der Menschen­rechte, auf die Menschenrechtssituation in Belarus aufmerksam zu machen.
  • sich weiterhin im Rahmen der Möglichkeiten einer Landesregierung auf allen politischen Ebenen für unrechtmäßig verfolgte und inhaftierte Menschen in Belarus einzusetzen.

 

1 Vgl. https://www.ohchr.org/en/press-releases/2020/09/un-human-rights-experts-belarus-must-stop-torturing-protesters-and-prevent?LangID=E&NewsID=26199.

2 Vgl. https://www.reporter-ohne-grenzen.de/belarus.

3 Vgl. https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions-against-belarus/.

4 Vgl. Ebd.

5 Vgl. https://prisoners.spring96.org/en#list.

6Vgl.https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/praesidentschaftswahl-in-belarus; https://euvsdisinfo.eu/de/lukaschenkas-sogenannte-praesidentschaftswahl-in-belarus/; https://www.zeit.de/politik/ausland/2025-01/belarus-wahl-praesidentschaft-alexander-lukaschenko-opposition-faq;https://www.europarl.europa.eu/RegData/etu-des/ATAG/2025/767195/EPRS_ATA(2025)767195_DE.pdf; Die Angabe bezieht sich auf den gesam­ten Absatz.

7 Vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/belarus-lukaschenko-praesidentschaftswahl-100.html.

8 Vgl. https://www.polskieradio.pl/400/7764/Artykul/3476889,Nach-Wahlen-in-Belarus-LukaschenkoRe-gime-macht-Demonstranten-in-Polen-ausfindig; https://www.interfax.ru/world/1004916.

9 Vgl. https://www.interfax.ru/world/1004916; https://ont.by/news/sk-identificirovany-365-uchastnikov-akcij-ustroennyh-26-yanvarya-za-rubezhom.

10 Vgl. https://www.dw.com/de/belarus-botschaften-stellen-keine-p%C3%A4sse-mehr-aus/a-66751549.

11 Vgl. https://www.nds-fluerat.org/wp-content/uploads/2023/12/20231116_Laenderschreiben_Zumut-barkeit-der-Passbeschaffung-zur-Erfuellung-der-Passpflicht.pdf.