Nordrhein-Westfalen setzt Zeichen für die Achtung universeller Menschenrechte

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Berivan Aymaz 2021

I. Ausgangslage

Am 10. Dezember 1948 wurde in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verab­schiedet. In diesem Jahr jährt sich dieses Ereignis zum 75. Mal. Von den insgesamt dreißig Artikeln ist der erste der bekannteste: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rech­ten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ Damals von den noch jungen Vereinten Nationen eher als anzustre­bendes Ideal ohne rechtsverbindlichen Charakter beschlossen, hat die Erklärung doch eine enorme Strahlkraft entfaltet. Die Grundlage des internationalen Menschenrechtsschutzes war damit gelegt: Menschenrechte sind universell, unteilbar und unveräußerlich, d. h. jeder Mensch besitzt sie von Geburt an und kann sie niemals verlieren. Auf diesen rechtlich nicht bindenden Konsens folgten eine Reihe völkerrechtlich bindender internationaler Verträge. Die Bundesrepublik Deutschland – 1948 noch kein Mitglied der Vereinten Nationen – hat wie viele andere Staaten die Menschenrechte als Grundrechte in das Grundgesetz aufgenommen und sie damit individuell einklagbar gemacht.

Auch heute sind weltweit noch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zu beobachten. Die Zahl der Autokratien nahm in den vergangen Jahren zu. Wo rechtstaatliche Grundsätze unter­graben und Freiheiten immer weiter eingeschränkt werden, sind diejenigen besonders be­droht, die mutig und laut ihre Stimme für die Einhaltung der universellen Errungenschaften erheben. Ob Frauen im Iran oder Afghanistan, die unermüdlich für Gleichberechtigung und eine freie Gesellschaft protestieren, Regimegegner in Russland, die ein Ende des Angriffs­kriegs auf die Ukraine fordern, Journalistinnen und Journalisten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Künstlerinnen und Künstler oder Studentinnen und Studenten – Mensch-rechtsverteidigerinnen und -verteidiger engagieren sich unter großem persönlichen Einsatz für die Einhaltung von Menschenrechten. Nicht selten werden sie dafür verfolgt, verhaftet, miss­handelt oder mit dem Tode bestraft. Viele können ihren Beruf nicht mehr ausüben und leben in Angst, nicht nur um sich selbst, sondern auch um ihre Angehörigen. Wie bedeutend ihr Einsatz nicht nur jeweils für ihre eigenen Gesellschaften ist, sondern auch für die gesamte friedliche und regelbasierte Weltordnung, verdeutlicht einmal mehr der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit all seinen geopolitischen Folgen und menschlichen Schicksalen. Umso mehr stehen wir in der Pflicht, diejenigen zu unterstützen, die für Demokratie und Freiheit mutig vorangehen und ihre Stimme erheben.

Nordrhein-Westfalen steht für Weltoffenheit und Internationalität. Die enge partnerschaftliche Zusammenarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen mit Ländern und Regionen weltweit sowie die zahlreichen über die letzten Jahrzehnte entstandenen und gewachsenen Städtepartner­schaften zwischen nordrhein-westfälischen und ausländischen Kommunen zeigen: Das Fun­dament der internationalen Beziehungen des Landes ist breit angelegt. Und nicht zuletzt be­sitzt der Landtag Nordrhein-Westfalen mit seiner Vielzahl an engagierten internationalen Par­lamentariergruppen ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal. Von all dem profitiert das Land Nordrhein-Westfalen und setzt sich aktiv für Menschenrechte ein.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr das Programm „Demokratie-Brücken“ ins Leben gerufen. Abgeordnete können Patenschaften für Parlamentarierinnen und Parla­mentarier bzw. Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten eingehen, die weltweit in ihren Ländern bedroht, verfolgt oder inhaftiert sind.

Darüber hinaus nehmen auch unsere Kommunen in Nordrhein-Westfalen immer mehr ihre menschenrechtliche Verantwortung im Rahmen ihrer internationalen Beziehungen wahr. Durch gezielte Bildungsarbeit lässt sich der Mehrwert des Einsatzes für Menschenrechte auch für die Bevölkerung vor Ort herausstellen. Das Recht auf Bildung, welches seit 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten ist, gilt als Schlüssel für den Zugang zu weiteren Menschenrechten. Bürgerinnen und Bürger setzen sich darauf aufbauend stark für eine aktive Menschenrechtspolitik ein und können damit einen wertvollen Multiplikator für die Förderung von Menschenrechten weltweit sein. Umso wichtiger ist es, dass immer mehr Städte und Gemeinden sich mit diesem Ziel auch international vernetzen und austauschen. So können sie sich im Rahmen der sogenannten Urban Diplomacy oder „Diplomatie von un­ten“ auch in ihren internationalen Beziehungen für den Schutz der Menschenrechte einsetzen. In Nordrhein-Westfalen hat sich beispielsweise Köln im Frühjahr dieses Jahres auf den Weg gemacht, „Menschenrechtsstadt“ zu werden und ein Stipendienprogramm für Menschen­rechtsverteidigerinnen und -verteidiger beschlossen.

Die nordrhein-westfälische Gesellschaft ist hier ebenso aktiv und verfügt über vielfältige Initia­tiven und – auch transnationale – Organisationen, die beispielsweise humanitäre Hilfe leisten, mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit dem Thema Menschenrechte zu breiter Aufmerksamkeit verhel­fen oder als Schnittstelle zur Wissenschaft fungieren. Das Land wertschätzt die Menschen­rechtsarbeit dieser Akteure.

II. Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest: Nordrhein-Westfalen bekennt sich zur Internationalen Erklärung der Menschenrechte und steht fest an der Seite all derjenigen, die sich für die Achtung der Men­schenrechte, für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit einsetzen.

Der Landtag beauftragt die Landeregierung,

  • aus vorhandenen Mitteln in der Woche rund um den internationalen Tag der Menschen­rechte am 10. Dezember eine „Woche der Menschenrechte“ auszurichten. In diesem Rahmen soll mit öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen und Formaten auf das Thema aufmerksam gemacht, Austausch unter den einschlägigen Akteuren gefördert
  • zu prüfen, inwiefern unter Einhaltung des geltenden Asylrechts, adäquate Rahmenbe­dingungen für bedrohte Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, Journalistin­nen und Journalisten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Medien- und Kulturschaffende, die sich vorübergehend in Nordrhein-Westfalen aufhalten, geschaffen werden können und dazu in einen Dialog mit einschlägigen Organisationen, Initiativen und Stiftungen einzutreten.
  • das freiwillige Engagement der Kommunen in Nordrhein-Westfalen in der Menschen­rechtsarbeit im Rahmen ihrer internationalen Beziehungen zu würdigen. Besonders un­terstützt werden sollen hierbei die Bemühungen der Kommunen zur Anbahnung von Städtepartnerschaften, z. B. mit der Ukraine, um damit einen eigenen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte zu leisten.
  • in ihren Konsultationen mit internationalen Partnern Menschenrechtsbelange konse­quent zu thematisieren und dabei gegenüber den jeweiligen Ländervertretern insbeson­dere die Fälle anzusprechen, für die sich Abgeordnete des Landtags Nordrhein-Westfa­len über das Programm „Demokratie-Brücke“ im Rahmen politischer Patenschaften en­gagieren.