Nimmt die Landesregierung einen vermeidbaren Anstieg der Quecksilberbelastung in Nordrhein-Westfalen in Kauf?

Kleine Anfrage von Norwich Rüße, Barbara Steffens und Wibke Brems

Portrait Wibke Brems 5-23

Mit ihrem Teilrücknahmebescheid vom 23. Februar 2018 hat die Bezirksregierung Münster Uniper, dem Betreiber des seit Jahren juristisch umstrittenen Kohlekraftwerks Datteln IV nachträglich einen höheren Quecksilberausstoß gestattet1. Dieser Teilrücknahmebescheid bezieht sich auf einen Erlass vom 14. Dezember 2016, mit dem der damalige Umweltminister die Genehmigungsbehörde angewiesen hatte, den Quecksilbergrenzwert von 0,004 mg/m3 zum Schutz der menschlichen Gesundheit zu halbieren. In der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 19.01.2017 wurde daraufhin ein Emissionsgrenzwert von 0,002 mg/m3 festgelegt. Dagegen hatte Uniper vor dem Oberverwaltungsgericht Münster Klage eingereicht, diese jedoch auf Grund des oben genannten Teilrücknahmebescheids zurückgezogen.
Industrieanlagen in Nordrhein-Westfalen verursachen mit etwa drei Tonnen Quecksilberemission pro Jahr fast ein Drittel der Quecksilberemissionen in Deutschland. Hauptemittenten in NRW sind die Kohlekraftwerke mit etwa zwei Tonnen Quecksilber im Jahr. Damit stammt die Hauptemissionsfracht an Quecksilber aus dem Energiesektor. Dabei könnte der Quecksilberausstoß in NRW laut eines Gutachtens, das vom Umweltministerium im April 2016 veröffentlicht wurde, durch technische Nachrüstungen um 80 Prozent gesenkt werden. In anderen Ländern gehören strengere Quecksilbergrenzwerte ebenso zum Standard wie technische Lösungen zur Nachrüstung. Diese Technologien werden beispielsweise in den USA eingesetzt, wurden aber in Deutschland entwickelt und patentiert, sodass sie auch für deutsche Industrieanlagen und Kraftwerke zur Verfügung stünden.
Über die Luft gelangt Quecksilber in unsere Gewässer und durch den Verzehr von Fisch auch in unsere Nahrungskette. So reichert sich das Schwermetall schließlich im menschlichen Körper an, was wiederum zu chronischen und folgenschweren Quecksilbervergiftungen führen kann. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit der Menschen und zum Schutz der Natur muss die Eintragung von Quecksilber in die Umwelt grundsätzlich reduziert werden.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Welche Strategie verfolgt die Landesregierung zur Absenkung der Quecksilberemission in Nordrhein-Westfalen? Bitte benennen Sie auch Maßnahmen zur technischen Nachrüstung von quecksilberemittierenden Anlagen.
  2. Aufgrund aktuell laufender Rechtsverfahren ist derzeit nicht absehbar, wann und ob das Kraftwerk Datteln IV den Betrieb aufnehmen wird. Wie rechtfertigt die Landesregierung dennoch die Erhöhung des Quecksilberausstoßes für diese Anlage zum jetzigen Zeitpunkt, wenn bislang keine langfristigen Betriebserfahrungen vorliegen?
  3. Warum hat die Landesregierung nicht die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster abgewartet, sondern dieser durch den Teilrücknahmebescheid vorgegriffen?
  4. Das Gutachten des Umweltministeriums von April 2016 belegt die technische Möglichkeit einer Reduzierung von Quecksilberemissionen um 80 Prozent. Wie ist der Teilrücknahmebescheid mit der Zielsetzung der „Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft“ (TA Luft) in Einklang zu bringen, die einen Einsatz der besten verfügbaren Techniken (BVT) für derartige Anlagen einfordert?
  5. Mit dem Teilrücknahmebescheid wird sich der Ausstoß des Nervengifts Quecksilber bei Inbetriebnahme der Anlage um 112 Kilogramm zusätzlich erhöhen. Welche Umweltauswirkungen hätte diese Zunahme auf die angrenzenden europäischen Natura-2000-Schutzgebiete?