Mit dem Klimaschutzpaket der Bundesregierung können die Klimaziele nicht erreicht werden – Landesregierung muss sich für Nachbesserungen einsetzen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.       Ausgangslage
Am 20. September haben in Deutschland mehr als 1,4 Millionen Menschen für eine konsequente Klimaschutzpolitik, die die völkerrechtlich verbindlichen Klimaschutzziele von Paris um- setzt, demonstriert. Die Bundesregierung hatte also starken Rückenwind für einen mutigen Neustart beim Klimaschutz. Vor dem Hintergrund der eklatanten Zielverfehlung für das Jahr 2020 wäre jetzt ein entschlossener Kurswechsel überfällig gewesen. Das am 20. September vom so genannten Klimakabinett vorgestellte Klimapaket ist von diesem Anspruch weit entfernt. Das bestätigen auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Klimaforschung und Wirtschaft. Mit diesem Maßnahmenpaket werden die Klimaschutzziele deutlich verfehlt. Dies ist nicht nur klimapolitisch verantwortungslos, sondern auch wirtschaftspolitisch in Zeiten einer sich abschwächenden Konjunktur ein Offenbarungseid.
Die Bundesregierung verspielt die Chance, mit einem sozial ausgewogenen klimapolitischen Gesamtkonzept die Modernisierung unseres Landes voranzubringen, zielgerichtet zu investieren, die Belastungen für den Bundeshaushalt durch Streichung klimaschädlicher Subventionen möglichst gering zu halten und mit ordnungspolitischen Instrumenten klare Signale für mehr Klimaschutz auszusenden. Sie setzt vielmehr fast vollständig auf teure Anreize mit einem Sammelsurium von zusätzlichen sowie bestehenden Förderprogrammen und Steuerentlastungen.
Die Landesregierung des bevölkerungsreichsten Bundeslandes muss jetzt ihren Einfluss im Bundesrat dafür nutzen, um noch möglichst weitgehende Verbesserungen für mehr Klimaschutz zu erreichen. Maßnahmen, die kontraproduktiv für den Klimaschutz sind, wie z.B. die Einschränkungen für die Windenergie, haben in einem Klimaschutzpaket nichts zu suchen und müssen durch Maßnahmen zur Ausbaubeschleunigung der Windenergie ersetzt werden.
Auch bei der nun selbst von der Bundesregierung als zentrales Klimaschutz-Instrument angesehenen CO2-Bepreisung besteht grundsätzlicher Nachbesserungsbedarf. Die Bundesregierung versäumt mit ihren bisherigen Planungen, eine wirksame CO2-Bepreisung kurzfristig einzuführen, zum Beispiel über einen Zuschlag auf bestehende Energiesteuerarten. Stattdessen verschiebt die Bundesregierung mal wieder die Lösung der Probleme in die Zukunft und möchte erst in zwei Jahren ein Zertifikate-System einführen, bei dem bislang nicht geklärt ist, ob es rechtssicher eingeführt werden kann. Auch das angestrebte Preisniveau von zu Beginn nur 10 Euro je Tonne CO2 spiegelt nicht die Notwendigkeiten des Klimaschutzes wieder und wird absehbar wirkungslos bleiben, weil das eigentliche Ziel eine Lenkungswirkung zu entfalten, bei diesem Preis verfehlt wird. Und auch die zu Recht geforderte vollständige Rückverteilung an die Bürgerinnen und Bürger wird mit den vorliegenden Vorschlägen insgesamt nicht gewährleistet. Die Entlastungen durch die Erhöhung der Pendlerpauschale stellt eine teure Überkompensation für wenige dar und die anteilige Entlastungswirkung steigt mit dem Ein- kommen. Die Landesregierung muss daher gegenüber der Bundesregierung beim CO2-Preis auf eine kurzfristige Einführung mittels wirksamen Aufschlägen auf bestehende Energiesteu- ern und eine vollständige und sozial ausgewogene Rückverteilung an Bürgerinnen und Bürger bestehen.
Klimaschutz ohne einen ambitionierten Ausbau Erneuerbarer Energien ist unmöglich. Der Stillstand beim Ausbau der Windenergie ist daher nicht nur für die tausenden Beschäftigten, die bereits ihren Arbeitsplatz verloren haben, sondern auch für den Klimaschutz eine Katastrophe. Statt eines klaren Signals für den weiteren Ausbau, erschwert die Bundesregierung mit der Einführung eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung den Ausbau zusätzlich. Der Bundesregierung sind ganz offenbar nicht nur die Beschäftigten in dieser Zukunftsbranche gleichgültig, sondern auch die Erreichung ihrer eigenen Klimaschutz- und gesetzlich fixierten Ausbauziele. Einer Bundesregierung, die solche Maßnahmen in einem Klimaschutzprogramm aufführt, ist die Ernsthaftigkeit ihrer Klimaschutzbemühungen abzusprechen. Da der Ministerpräsident in seiner Pressekonferenz am 26. September ebenfalls fehlende Impulse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien beklagte, muss er jetzt seinen Worten Taten folgen lassen und sich für entsprechende Nachbesserungen einsetzen. Glaubwürdig bleibt die Kritik an der Bundesregierung nur, wenn die Landesregierung die eigene Windenergiepolitik in diesem Zuge ebenfalls grundlegend korrigiert. Denn nur wenn die Hindernisse für den Ausbau von Windenergie an Land behoben werden, kann das Ziel von 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 noch erreicht werden.
Leider rückt auch die Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudebereich mit den vorgeschlagenen Maßnahmen in weite Ferne. Zwar ist die steuerliche Anrechenbarkeit von energetischen Sanierungen überfällig und auch die Förderung neuer Heizungsanlagen ist sinnvoll, sofern sie klimafreundlich betrieben werden. Jedoch reichen diese Impulse nicht im Ansatz, um die für die Erreichung der Ziele notwendige Vervierfachung der Sanierungsrate im Bestand sicherzustellen. Darüber hinaus ist aus klimapolitischer Sicht nicht nachvollziehbar, warum höhere energetische Standards für Neubau und Bestand erst nach 2023 eingeführt werden sollen und selbst nach 2026 noch neue Ölheizungen erlaubt sein sollen. Das ist der Abschied vom Ziel eines „weitgehend klimaneutralen Gebäudebestands 2050“, wie es im Klimaschutzplan der Bundesregierung heißt. Soziale Aspekte, wie das Problem fehlender Anreize für Energieeffizienzmaßnahmen auf Seiten der Vermieter oder mangelnder Schutz von Mieterinnen und Mietern vor hohen Modernisierungsumlagen wird vollständig ignoriert. Die Landesregierung muss sich für die kurzfristige Verabschiedung eines Gebäudeenergiegesetzes einsetzen, genauso wie für Maßnahmen, die Mieterinnen und Mieter vor zu stark steigenden Mieten aufgrund energetischer Sanierungen schützt.
Die Mehrwertsteuersenkung auf Bahnfahrten und eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe genauso wie eine Erhöhung der Investitionen in den ÖPNV und die Ladeinfrastruktur sind richtige Schritte in der Verkehrspolitik. Notwendig wäre aber eine grundlegende Neuausrichtung der Verkehrspolitik mit einer Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, wie dem Dieselprivileg, einem klaren Ordnungsrahmen für den Umstieg auf emissionsarme Mobilität oder der Beendigung der Priorisierung des Straßenbaus gegenüber dem ÖPNV und dem Radverkehr. Denn die Emissionen steigen im Verkehrssektor seit Jahren. Bei der Umstellung der KFZ-Steuer entlang des CO2-Ausstoßes muss sichergestellt werden, dass die intendierte Lenkungswirkung auch tatsächlich erzielt wird. Dazu muss es einen deutlichen Bonus für klimafreundliche Fahrzeuge und einen Malus für Spritschlucker geben. Auch bei den Maßnahmen im Verkehrsbereich muss die Landesregierung daher ihre Zustimmung von den tatsächlichen Klimaschutzwirkungen der einzelnen Maßnahmen abhängig machen und insgesamt auf mehr Verbindlichkeit drängen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner ist anhand der vorgeschlagenen Maßnahmen Arbeitsverweigerung vorzuwerfen. Hier existiert offenbar kein Problembewusstsein für die Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf das Klima und die stagnierenden Treibhausgasemissionen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Es handelt sich einzig um Absichtserklärungen für weiche Anreizinstrumente. Auf Daten und quantifizierte Ziele wird in diesem Abschnitt vollständig verzichtet. Das Ziel der Landesregierung muss es daher sein, klare Vorgaben zum Umbau der industriellen Massentierhaltung in eine klima- und artgerechte Tierhaltung zu erwirken und ein eindeutiges Ziel zur Erhöhung der Fläche des Ökolandbaus zu verankern.
Das Klimakabinett plant, dass die Klimaziele in Zukunft jährlich auf die Sektoren heruntergebrochen und gesetzlich festgeschrieben werden. Dies entspricht dem Verursacherprinzip und erhöht die Transparenz. Um jedoch sicherzustellen, dass die Ziele tatsächlich erreicht werden, müssten die erwarteten Klimaschutzbeiträge einzelner Maßnahmen benannt werden, Klarheit über die Evaluierungskriterien bestehen und ein verbindlicher Mechanismus zur Nachbesserung bei Zielabweichungen für die betroffenen Ressorts eingeführt werden. Geschieht dies nicht, bleiben die Sektorenziele nichts weiter als bloße Absichtsbekundungen von denen es in der Vergangenheit genug gab, obwohl es endlich konkreter und entschiedener Maßnahmen bedarf.

II.      Der Landtag stellt fest:

1.      Das am 20. September von der Bundesregierung beschlossene Klimaschutzprogramm 2030 ist insgesamt nicht dazu geeignet, die Erreichung der aktuell gesetzten Klimaschutzziele Deutschlands für 2030 geschweige denn die Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaschutzabkommen sicherzustellen.
2.      Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stellt die Basis für die Erreichung der Klimaschutzziele in der Energiewirtschaft dar, ist aber gleichzeitig auch Voraussetzung für eine weitgehende Dekarbonisierung der Sektoren Gebäude und Verkehr. Maßnahmen, die den natur- und menschenverträglichen Ausbau von Erneuerbaren Energien behindern, statt zu erleichtern, sind vor diesem Hintergrund abzulehnen.

III.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass

1.      das Klimaschutzprogramm 2030 an entscheidenden Punkten mit Blick auf die Klimaschutzwirkungen nachgebessert wird. Hierbei muss die Landesregierung sich u.a. dafür einsetzen, dass eine kurzfristig wirksame und sozial ausgewogene CO2-Bepreisung eingeführt wird.
2.      statt der beschlossenen Maßnahmen, die den Ausbau der Windenergie behindern, ein Maßnahmenpaket beschlossen wird, welches den weiteren Ausbau akzeptanzgesichert ermöglicht.
3.      ein Gebäudeenergiegesetz mit einer Anhebung der Effizienzniveaus beschlossen wird und gleichzeitig Maßnahmen verabschiedet werden, die Mieterinnen und Mieter vor zu stark steigenden Mieten aufgrund energetischer Sanierungen schützt.
4.      die Maßnahmen im Verkehrsbereich um einen klaren Ordnungsrahmen für den Umstieg auf emissionsarme Mobilität ergänzt werden.
5.      die unzureichenden Vorschläge im Bereich Landwirtschaft durch klare Vorgaben zur Um- stellung auf eine klima- und artgerechte Tierhaltung und den Ausbau des Ökolandbaus ergänzt werden
6.      die Mechanismen zur jährlichen Evaluation der Klimaschutzfortschritte in den einzelnen Ressorts beispielsweise über Sanktionen so ausgestaltet werden, dass eine Zielerreichung garantiert werden kann.

IV.    Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1.      den Ausbau der Windenergie in NRW nicht weiter zu behindern.
2.      ein schlüssiges Konzept vorzulegen, wie der Bestand an Windenergiekapazität in NRW in fünf Jahren verdoppelt werden kann.
3.      die Abstandsregelung von 1.500 Metern zu Siedlungen und Wohnbauflächen im Landesentwicklungsplan zu streichen.