I. Ausgangslage
Der Report des Weltklimarats IPCC, der Anfang August veröffentlicht wurde, hat noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig jetzt ein zügiges Handeln in allen Bereichen ist, um die weitere Erderwärmung zu stoppen. Das im Pariser Klimaschutzabkommen angestrebte 1,5-Grad Ziel könne nur dann gehalten werden, wenn ab sofort umfangreiche und wirksame Maßnahmen in allen Sektoren ergriffen werden.1 Dies gilt selbstverständlich auch für den Mobilitätssektor.
Doch während im Bereich der Automobilität mit der zunehmenden Anzahl an Elektrofahrzeugen eine Substitution von fossilen Brennstoffen in Sicht ist und selbst von vielen Autokonzernen ein Ende der Herstellung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor angekündigt wird, ist dies in anderen Bereichen keineswegs der Fall.
Der Luftverkehr ist global mit einem Anteil zwischen drei und fünf Prozent – je nach Studie – am Ausstoß von klimaschädlichen Emissionen beteiligt. Er gilt weltweit als die klimaschädlichste Art der Mobilität, da das Verhältnis von transportierten Personen und Gütern zu benötigtem Treibstoff pro zurückgelegter Strecke am ungünstigsten ist. So beträgt der Ausstoß von Treibhausgasen bei Inlandsflügen 214 Gramm pro Kilometer (Auto 143 g/km, Bahn 29 g/km).2
Eine Studie des EU-Forschungsprojekts „Clean Sky 2“ hat die Einsatzmöglichkeiten alternativer und CO2-neutraler Antriebe im Luftverkehr untersucht. Danach ist eine Umstellung auf batterieelektrische Antriebe wie bei den PKWs zumindest für die größeren Passagierflugzeuge derzeit nicht Sicht und aufgrund der benötigten Energiemenge und dem Gewicht der für längere Strecken benötigten Batterie auch nicht vorstellbar. Es gibt aber erfolgversprechende Ansätze für den Ersatz von Kerosin. Zum einen durch die die Verwendung sogenannter „E-Fuels“ (synthetisch hergestellter Treibstoff „Synfuels“ „Power-to-Liquid“) und zum anderen durch wasserstoffbasierte Antriebe.3
Doch allen diesen Antriebsstoffen ist gemeinsam, dass für ihre Herstellung enorme Mengen Energie benötigt werden. Deshalb ist die Voraussetzung aller technischen Innovationen zur CO2-neutralen Substitution von fossilen Antriebsarten, den Ausbau der erneuerbaren Energien entschieden voran zu treiben, um die entsprechenden Energiemengen überhaupt zur Verfügung zu haben. Nur so kann auch der Luftverkehr perspektivisch fast vollständig CO2-neutral werden.4
Bislang gibt es noch keinen verbindlichen Zeitpunkt, ab wann mit der Umstellung des Luftverkehrs auf CO2-neutrale Antriebe begonnen wird und wann dieser Prozess abgeschlossen sein könnte. Aktuelle Analysen der Beratungsagentur Roland Berger gehen davon aus, dass in etwa vier Jahren E-Fuels in ausreichender Menge vorhanden sein würden, um Beimischungen zum herkömmlichen Kerosin zu ermöglichen. Batterieelektrische Flugzeuge stünden vermutlich erst in den 2040er Jahren zur Verfügung.5 Der Flugzeughersteller Airbus hat angekündigt, bis 2035 ein serienreifes Wasserstoff-Flugzeug zu entwickeln.6
Damit ist klar, dass nur mit stark erhöhten Anstrengungen sowohl von Politik, Luftfahrt- und Energieindustrie sowie Wissenschaft und Forschung eine weitgehende Klimaneutralität des Luftverkehrs innerhalb des knappen Zeitfensters zur Verhinderung der weiteren Erwärmung der Erdatmosphäre zu erreichen ist. Hier muss deutlich mehr als bisher getan werden, um wirkliche Innovationen voran zu bringen und vor allem bestehende Hemmnisse abzubauen. Neben den technischen Lösungen zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs kann aber auch durch die Verlagerung von Luftverkehr auf die Schiene einiges an klimaschädlichen Emissionen vermieden werden. Dies betrifft insbesondere die innerdeutschen Kurzstreckenflüge und Flüge ins benachbarte Ausland. Deshalb ist es dringend notwendig, das Angebot an schnellen Schienenverbindungen zwischen den deutschen und europäischen Großstädten zu verbessern und auch die Anbindung der Flughäfen an den Fern- und Nahverkehr auszubauen. Der Deutschlandtakt bei der Deutschen Bahn und die Einrichtung von europäischen Nachtzuglinien sind dabei Schlüsselprojekte, um komfortable und klimaschonende Mobilität als Ersatz für kurze und mittlere Flugstrecken anzubieten. Der Erfolg der neuen ICE-Strecke Berlin-München ist dafür beispielhaft.
II. Der Landtag stellt fest
- Das Zeitfenster für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels schließt sich immer weiter. Klimaschutz in allen Bereichen muss deshalb ganz oben auf der Agenda der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen stehen.
- Der Luftverkehr hat einen nicht unerheblichen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen. Ein „weiter so“ darf es deshalb nicht geben, alle vorhandenen technologischen Möglichkeiten zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes müssen zügig in die Praxis umgesetzt werden.
- Der Einsatz von bereits erforschten technischen Alternativtreibstoffen werden bislang durch den stockenden Ausbau von erneuerbaren Energien gehemmt. Hier ist eine „Entfesselungsoffensive“ dringend notwendig.
- Die Landesregierung hat bislang zu wenig unternommen, um sowohl die Forschung alternativer Antriebsarten zu fördern als auch mit einem Luftverkehrskonzept die Rahmenbedingungen für klimaneutrale Flughäfen zu setzen und durch eine Mobilitätswende die besonders klimaschädlichen Inlandsflüge weitgehend überflüssig zu machen.
- Die Verlagerung von Luftverkehr auf die Schiene muss durch einen konsequenten Ausbau des Schienennetzes und attraktive innerdeutsche und europäische Verbindungen weiter forciert werden.
III. Der Landtag beschließt:
Die Landesregierung wird aufgefordert,
- endlich ein Luftverkehrskonzept vorzulegen, das unter den Aspekten des Klimaschutzes Rahmenbedingungen für die Luftfahrtindustrie und der NRW-Flughäfen zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele formuliert,
- mit den Flughafenbetreibern und Flugverkehrsgesellschaften einen Prozess zu organisieren, um die Umsetzung des Single European Sky und klimaeffiziente Flugrouten zu ermöglichen,
- ein Förderprogramm aufzulegen, das die wissenschaftliche Erforschung klimafreundlicher Antriebskonzepte im Luftverkehr an den Hochschulen des Landes unterstützt,
- sich für die schnellstmögliche Einführung einer stetig steigende Quote zur Beimischung von synthetischem Treibstoff auf allen Ebenen einzusetzen,
- einen „Runden Tisch“ zu initiieren, an dem u.a. die in NRW aktiven Raffinerien, das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), das Forschungszentrum Jülich und die Flughafenbetreiber aus NRW beteiligt werden sollen, um gemeinsam eine E-Fuels-Strategie zu entwickeln,
- eine Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen mit dem Ziel, dass sich die Bundesregierung in Brüssel für eine verbindliche europäische Richtlinie zur Umstellung auf synthetischen Treibstoff und für eine Besteuerung von Kerosin einsetzt,
- die bisherigen Hemmnisse zum Ausbau der erneuerbaren Energien, wie beispielsweise die Abstandsregelung für Windkraftanlagen oder die Begrenzung der Solarpflicht nur auf Parkplätzen von Gewerbebetrieben, endlich zu „entfesseln“ und eine Investitionsoffensive für den Bau von neuen Anlagen zur klimaneutralen Stromerzeugung zu starten,
- sich beim Bund für eine massive Investitionsoffensive in das Schienennetz einzusetzen und auf eine Umschichtung der Haushaltsmittel im Verkehrsbereich zugunsten der öffentlichen Verkehre zu drängen, damit möglichst schnell komfortable und klimaschonende Alternativen zu kurz- und mittellangen Flugstrecken auf die Schiene gesetzt werden.
1 https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/pressemitteilungen/de/2021/08/090821-Weltklimarat.html
3 Link zur kompletten Studie: https://www.cleansky.eu/sites/default/files/inline-files/20200507_Hydrogen-Powered-Aviation-report.pdf
4 Eine vollständige Klimaneutralität des Luftverkehrs zu erreichen ist aufgrund der Wirkung von Kondensstreifen bislang nicht in Sicht.
6 https://www.airliners.de/airbus-2035-wasserstoff-flugzeug/57451