Klimakrise: Die Landesregierung muss ihre Ziele nachschärfen, Maßnahmen ergreifen und Klimavorbehalt einführen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.         Ausgangslage
Auch das Extremwetterjahr 2018 mahnt zum Handeln
Die Auswirkungen des globalen, vom Menschen verursachten Klimawandels sind längst auch in Nordrhein-Westfalen zu spüren und dies nicht erst seit dem rekordverdächtigen Sommer 2018 mit seinen dramatischen Folgen für Mensch und Natur. Daten der Versicherungswirtschaft zeigen, dass unser Bundesland im vergangenen Jahr mit fast einer Milliarde Euro Schäden durch Sturm, Hagel und Starkregen mit großem Abstand am stärksten betroffen war. Durch den Klimawandel ist in Zukunft mit einer Zunahme derartiger Extremwetterereignisse zu rechnen. Und angesichts des 13. zu warmen Monats in Folge, sprach der Präsident des Deutschen Wetterdienstes bereits von „Klimawandel live“ (https://www.dwd.de/DE/presse/pressemitteilungen/DE/2019/20190429_deutschlandwetter_ap- ril_news.html).
Die Veränderungen mahnen uns, dass es höchste Zeit ist, dass auch Nordrhein-Westfalen alles dafür tut, um die Versprechen aus dem Klimaabkommen von Paris einzuhalten. In allen Sektoren und auf allen Ebenen müssen endlich wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden. Dabei hat die jetzt in Industrieregionen lebende Generation die Verantwortung für zukünftige Generationen, in Nordrhein-Westfalen und in anderen Regionen der Erde lebenswerte klimatische Bedingungen zu erhalten.
Die Landesregierung muss sich dieser Verantwortung stellen und Klimaschutz und Anpassung an die globale Erwärmung zu ressortübergreifenden Prioritäten machen. Um dem Klimaschutz dauerhaft und bei jedem Gesetzesvorhaben Geltung zu verschaffen, ist es notwendig, im Rahmen eines „Klimavorbehalts“ die Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen zu ermitteln, im Gesetzesvorblatt transparent auszuweisen und wenn nötig Ausgleichsmaßnahmen zu formulieren.. Die voraussichtliche Erreichung des landeseigenen Klimaziels 2020 und der eingeleitete Kohleausstieg dürfen nicht als Vorwand gelten, dass die Landesregierung weitere Klimaschutzmaßnahmen hintenan stellt.
Die vielen jungen Menschen, die jeden Freitag für eine bessere und wirksame Klimapolitik streiken und u.a. die Unterstützung etlicher Tausend Wissenschaftler erfahren haben, sollten Mahnung sein und die Landesregierung zum notwendigen Kurswechsel veranlassen.
Die Bilanz des Wetterjahres 2018 zeigt auf dramatische Weise, dass neben einem effektiven Klimaschutz gleichfalls die Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel drastisch verstärkt werden müssen. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung unserer Städte und Gemeinden, der Land- und Forstwirtschaft und dem Gesundheits- und Katastrophenschutz. Denn selbst bei Erreichung des „2-Grad-Zieles“ werden in den kommenden Jahren die Veränderungen enorm sein und entsprechend weitreichende Anpassungsanforderungen auf unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft zukommen. Die Geschwindigkeit, mit welcher die Anpassung bislang erfolgt, reicht bei weitem nicht aus, um mit den Veränderungen Schritt zu halten.
Landesregierung muss sich auf allen Ebenen für effektive Klimapolitik einsetzen Völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziele gelten bislang nur für Staaten und wesentliche Rahmenbedingungen werden durch die Bundesregierung oder auf der EU-Ebene gesetzt. Nichtsdestotrotz hat sich die Landesregierung wiederholt zu den Zielen von Paris bekannt und entsprechende Politik in Aussicht gestellt. Gehandelt hat sie jedoch bisher nicht. Daher muss sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzen, dass die Ziele Deutschlands zur Treibhausgasemissionsreduktion entsprechend des Pariser Klimaabkommens weiter angehoben werden und die Rahmenbedingungen auf Bundesebene so gestaltet werden, dass diese Ziele auch tatsächlich erreicht werden. Dazu ist die kurzfristige Verabschiedung eines wirksamen Klimaschutzgesetzes notwendig, welches nicht nur die Klimaschutzziele verbindlich vorgibt, sondern auch Verantwortlichkeiten transparent macht und Mechanismen vorsieht, wie einer absehbaren Zielverfehlung effektiv begegnet werden kann. Zu den notwendigen Maßnahmen gehören neben einem schnellstmöglichen Umstieg auf eine zu 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung, einer Verkehrswende hin zu klimaschonender Mobilität, einer wirksamen und gleichzeitig sozialverträglichen Bepreisung von Treibhausgasemissionen in allen Sektoren, steuerliche Anreize für Energieeffizienzinvestitionen oder der Übergang zu einer klimaverträglichen Landwirtschaft.

Das Klimaschutzgesetz NRW muss novelliert werden

Die Anstrengungen der Bundesländer sind entscheidend für das Erreichen der Klimaschutz- ziele der Bundesregierung. Trotzdem scheut sie sich, mit den Bundesländern eine verbindliche Lastenteilung zu verhandeln.
Vor diesem Hintergrund war die Einführung eines landeseigenen Klimaschutzgesetzes im Jahr 2013 ein wichtiger Schritt, um mehr Verbindlichkeit beim Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen zu erreichen und den Grundstein für konkrete Maßnahmen in einem Klimaschutzplan zu legen. Die Landesregierung verfügt damit theoretisch über die notwendigen Grundlagen, um wirksame Klimaschutzpolitik zu betreiben. Jedoch scheint sich die schwarz-gelbe Landesregierung daran nicht gebunden zu fühlen, wie sich beispielhaft an der Ignoranz des Ziels einer klimaneutralen Landesverwaltung bis 2030 zeigt. Im Lichte des Pariser Abkommens muss das Klimaschutzgesetz NRW novelliert werden. Die formulierten Ziele bedürfen einer Nachschärfung, Konkretisierung und Erhöhung der Verbindlichkeit für die nachfolgenden Ebenen. Dies gilt genauso für den Klimaschutzplan, welchen die Landesregierung faktisch ausgesetzt hat. Zudem muss die bereits bestehende Pflicht in §4 Absatz 4 Klimaschutzgesetz NRW, nach welcher neue Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften den Zielen des Klimaschutzgesetzes nicht entgegen stehen dürfen, in einen „Klimavorbehalt“ weiterentwickelt werden, indem eine Berechnung der Auswirkungen auf die Treibhausgasemissionen zwingend vorzunehmen ist, diese im Gesetzesvorblatt transparent veröffentlicht wird und wenn nötig Ausgleichsmaßnahmen formuliert werden.
Die aktuell im Klimaschutzgesetz NRW formulierten Ziele, sind mit den bundesdeutschen Zielen aus dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung nicht mehr kompatibel. So würde Deutschland die eigenen Ziele nicht erreichen, wenn NRW lediglich das Minderungsziel für 2050 von -80 Prozent erreicht. Ein Abwandern der industriellen Wertschöpfung muss verhindert werden, gleichzeitig darf NRW sich nicht aus der Solidargemeinschaft mit dem Bund und den anderen Bundesländern verabschieden. Daher bedarf es einer Erhöhung und Konkretisierung der Klimaschutzziele von NRW analog des Klimaschutzplans 2050 der Bundesregierung (2020: -40 Prozent, 2030 -55%, 2040 -70 Prozent und 2050 -95 Prozent).
Ein pragmatischer Ansatz wäre die Übernahme der bundesweiten Ziele auf die Treibhausgasemissionen NRWs anhand des NRW-Anteils in einem bestimmten Basisjahr. Hier bietet sich das Jahr der Einführung des Klimaschutzgesetzes 2013 an, in welchem NRW etwa 32,5 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verursacht hat.
Die Erreichung dieser Ziele erfordert konsequentes Umsteuern in allen Politikbereichen, doch ohne einen ambitionierten Beitrag auch von NRW wird die Erreichung der Klimaziele von Paris für Deutschland nicht zu erreichen sein.

II.       Beschlussfassung

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
1.       Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zu einer ressortübergreifenden Priorität zu machen und einen Klimavorbehalt für alle Gesetzesinitiativen einzuführen.
2.       die Reduktionsziele im Klimaschutzgesetz NRW entsprechend der Ziele im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung anzupassen, für die einzelnen Sektoren zu konkretisieren und für nachfolgende Ebenen verpflichtend zu machen.
3.       die Umsetzung des Klimaschutzplans zu beschleunigen, indem weitere Maßnahmen angestoßen werden und die Finanzierung über Landesmittel sichergestellt und ausgeweitet wird.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung, sich auf Bundesebene
4.       für eine Erhöhung der Klimaschutzziele Deutschlands im Einklang mit den Pariser Klimaschutzzielen einzusetzen.
5.       dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung das angekündigte Klimaschutzgesetz umgehend vorlegt, um der nationalen Klimapolitik die notwendige rechtliche Verbindlichkeit zu verleihen und darauf hinzuwirken, dass im Gesetz ein Verfahren zu verankern, das dazu dient, erkennbare Zielverfehlungen rechtzeitig zu korrigieren.