I. Ausgangslage
Europäische Integration wird tagtäglich auch und vor allem in den Grenzregionen von Nordrhein-Westfalen gelebt. Dank enger Kooperationen auf vielen Gebieten ist die Grenze für die Menschen oft kaum mehr wahrnehmbar: die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes können problemlos dies- und jenseits studieren und arbeiten sowie Waren und Dienstleistungen anbieten und erwerben.
Viele Businesspläne und Investitionsplanungen von Unternehmen und beispielsweise Einrichtungen der Bereiche Freizeit und Kultur dies- und jenseits der Grenze schließen ganz selbstverständlich auch die jeweiligen Nachbarn als potenzielle Käufer, Kunden und Besucher mit ein. Prägend sind dabei u.a. die grenznahen Gebiete entlang der 395 Kilometer langen nord-rhein-westfälisch-niederländischen Grenze. Ähnliches gilt für den 99 Kilometer langen Grenzbereich zu Belgien, wo südlich der Stadt Aachen das deutschsprachige Ostbelgien Kontakte sehr erleichtert.
Der Anteil der Menschen, die die Nachbarsprache beherrschen, geht durch den Wegfall der Dialekte und das nachlassende Interesse am Deutsch- bzw. Niederländisch-Unterricht zurück. Zwar ist die englische Sprache in vielen Fällen als Brückensprache zur Verständigung geeignet. Für all diejenigen, die sich jedoch intensiver mit dem Nachbarland und seiner Kultur beschäftigen oder dort arbeiten und leben möchten, bleibt das Erlernen der Nachbarsprache aber ein entscheidender Schlüssel. In den landesweit 250 Europaschulen, Euregio- und Euregi-oprofilschulen wird durch ein erweitertes und intensiviertes Sprachenangebot eine verbesserte Verständigung ermöglicht. Sie bereiten Schülerinnen und Schüler aller Schulformen und aller Altersstufen auf das Leben, Lernen und Arbeiten in Europa vor und erhöhen so die inhaltliche Auseinandersetzung mit Europa. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung Europas.
Darüber hinaus trägt auch die Kriegsgräberstätte Ysselsteyn in der Provinz Limburg weiter zur Völkerverständigung bei. Zu der flächenmäßig größten Kriegsgräberstätte der Welt finden zahlreiche Exkursion für Schülerinnen und Schüler sowie Auszubildende statt.
Die Euregio (Sitz Gronau), die Euregio Rhein-Waal (Sitz Kleve), die Euregio Rhein-Maas-Nord (Sitz Mönchengladbach) und die Euregio Maas-Rhein (Sitz Eupen) tun viel für die grenzüberschreitende Vernetzung der deutsch-niederländischen und der deutsch-belgischen Grenzregionen. Diese grenzüberschreitende regionale Verzahnung findet ihre Fortsetzung sowohl auf kommunaler als auch auf Landesebene. Viele Städtepartnerschaften zwischen Kommunen in Belgien und in den Niederlanden mit Kommunen in Nordrhein-Westfalen belegen dies ebenso wie die Konsultationen der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit den Regierungen der Niederlande und Belgiens.
- Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Durch noch stärkere Regionalkooperationen gilt es weitere Potenziale in den Grenzregionen zu heben und so den Nutzen des europäischen Integrationsprozesses zu bewahren sowie noch mehr herauszustellen. So werden nationalstaatliche Interessen immer stärker durch regionale und grenzüberschreitende Kooperationen erfolgreich ergänzt und flankiert.
- Dafür bieten sich die Grenzregionen als Modellregionen an, da man auf bestehende Kontakte und Strukturen aufbauen kann und breitgefächerte Expertise in den Euregios vorhanden ist.
- In einem ersten Schritt sollen Austausch und Kooperationen mit unseren direkten europäischen Nachbarländern, um so auf allen Ebenen noch enger zusammenzuwachsen.
- Trotz großem Engagement der beteiligten Akteure auf beiden Seiten, gibt es nach wie vor einzelne Faktoren, die ein komplett reibungsloses Lernen und Arbeiten im Grenzraum stellenweise erschweren. Damit das Arbeiten in Nordrhein-Westfalen für noch mehr Menschen aus den Nachbarländern attraktiv wird, gilt es die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern. Besonders davon profitieren könnten Schulen im Grenzgebiet, die Niederländisch als erste Fremdsprache anbieten möchten, dafür aber nicht über die personellen Kapazitäten verfügen. Für sie kann es eine Erleichterung sein, wenn Lehrkräfte aus den Niederlanden unkompliziert auch in NRW unterrichten könnten.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- Euregio-, Euregioprofil- und Europaschulen als wichtige regionale Beispiele grenzüberschreitenden bildungspolitischen Wirkens noch besser zu fördern und eine bessere personelle Ausstattung zu prüfen;
- die örtlichen Schulträger und die Schulaufsicht sowie die Träger der Jugendhilfe dabei zu unterstützen, bestehende grenzüberschreitende und bilinguale Kita- und Schulkooperationen weiterzuentwickeln;
- Schulen im Grenzgebiet zu ermutigen, Niederländisch als erste Fremdsprache anzubieten, und Möglichkeiten zu prüfen, wie der Einsatz von Lehrkräften aus den Niederlanden in Nordrhein-Westfalen vereinfacht werden kann, beispielsweise über eine Flexibilisierung und Erleichterung beim Nachweis von Sprachkenntnissen;
- das grenzüberschreitende Lernen, Arbeiten und Leben noch intensiver zu fördern und dafür die bisherigen Anstrengungen bei der gegenseitigen Anerkennung vonBerufsabschlüssen zu intensivieren und dahingehend fortzusetzen, nach wie vor bestehende Problemstellungen bei der Anerkennung von Qualifikationen zu identifizieren und diese weiter zu erleichtern;
- zu prüfen, ob grenzüberschreitende Module in Ausbildungsprozessen eingebunden werden können, um nach einem Ausbildungsabschluss leichter auf beiden Seiten der Grenze arbeiten zu können;
- bestehende deutsch-niederländische und deutsch-belgische Kooperationsprojekte an Hochschulen sowie Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung weiter zu unterstützen;
- grenzüberschreitend tätige Kulturkooperationen und -vereine wie etwa die zwischen den Zwillingskommunen Dinxperlo und Suderwick („Dinxperwick“) sowie Kerkrade und Her-zogenrath („Eurode“), dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe und den niederländischen Provinzen Gelderland und Overijssel, dem Landschaftsverband Rheinland und Ostbelgien und niederländischen Kommunen sowie Liemers-Niederrhein in der Provinz Gelderland und am Niederrhein sowie herausragende Kultur- und Kooperationsprojekte wie bspw. den Literarischen Sommer noch besser zu unterstützen, um auch hier mehr Engagement bei jüngeren Generationen auszulösen;
- neue Wege bei der Erinnerungskultur in enger Abstimmung mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zu begleiten, wobei als Vorbild die Konzeption der Stiftung Vrijheidsmuseum in Groesbeek (früher: Bevrijdingsmuseum) dienen kann.