A. Problem
Mit dem Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 – hat das Bundesverfassungsgericht die §§ 19, 20, 21, 22, 23, 27, 76, 79 Absatz 5 sowie § 93 Absatz 1 Satz 2 des Bewertungsgesetzes in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 und Satz 3 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl. I S. 1118), soweit sie bebaute Grundstücke außerhalb des Bereichs der Land- und Forstwirtschaft und außerhalb des in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiets betreffen, jedenfalls seit dem 1. Januar 2002 für unvereinbar mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) erklärt. Der Bundesgesetzgeber hat daraufhin mit dem Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (GrStRefG) vom 26. November 2019 (BGBl. I S. 1794) das sog. Bundesmodell eingeführt und dabei grundsätzlich an das bestehende Bewertungs- und Grundsteuersystem angeknüpft, wobei die verfassungswidrige Ausgestaltung der bisherigen Bemessungsgrundlage – Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1964 – durch eine dem Gleichheitssatz entsprechende Bemessungsgrundlage ersetzt wird. Außerdem wurde eine Länderöffnungsklausel in Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 GG ergänzt, die es den Bundesländern ermöglicht, vom Bundesmodell abweichende Regelungen für die Grundsteuer festzulegen.
Das Bundesmodell zielt auf eine „verfassungskonforme, rechtssichere und zeitgemäße Fortentwicklung der Grundsteuer und der damit verbundenen Bewertung der Grundsteuerobjekte, um die Grundsteuer als verlässliche Einnahmequelle der Kommunen zu erhalten“. Mit dem Grundsteuer-Reformgesetz war laut der Gesetzesbegründung „nicht beabsichtigt, eine strukturelle Erhöhung des Grundsteueraufkommens“ zu generieren. Ferner richtete die Begründung des Grundsteuer-Reformgesetzes einen Appell an die Gemeinden, die aus der Neubewertung des Grundbesitzes resultierenden Belastungsverschiebungen durch eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung des Hebesatzes auszugleichen, um ein konstantes Grundsteueraufkommen zu sichern. Von den Ländern erwartete der Bundesgesetzgeber, dass den Kommunen durch eine gesetzliche Anpassung der Länder nicht die Möglichkeit verwehrt wird, ihre Hebesätze zur Wahrung der Aufkommensneutralität entsprechend anzupassen. (vgl. BT-Drucksache 19/13453 vom 23. September 2019, Begründung des Grundsteuer-Reformgesetzes, Teil A. Problem und Ziel).
Die Ergebnisse der Grundsteuermessbetragsfestsetzungen auf den 1. Januar 2025 haben gezeigt, dass die auf die verschiedenen Grundstücksarten entfallenden Messbetragsvolumina unter Berücksichtigung der im Bundesmodell grundsätzlich angestrebten Aufkommensneutralität der Grundsteuer von Kommune zu Kommune in unterschiedlichem Umfang zum gesamten Grundsteuermessbetragsvolumen beitragen.
Ein Grund hierfür ist insbesondere die unterschiedliche räumliche Struktur des vorhandenen Bestands der wirtschaftlichen Einheiten in den Kommunen. Sofern das Grundsteuermessbetragsvolumen in einer Kommune beispielsweise überwiegend aus neuen Wohngebäuden und wenigen alten Gewerbeimmobilien resultiert, ergibt sich für die Eigentümerinnen und Eigentümer von zwei bau- und wertidentischen Immobilien in der einen Kommune eine andere Steuerbelastung als in einer anderen Kommune, in der ausschließlich neue Gewerbebauten und nur wenige alte Wohngebäude anzutreffen sind. Damit wäre die vom Bundesgesetzgeber angestrebte Aufkommensneutralität zwar rechnerisch erreichbar. Aber das Bundesmodell trägt den räumlich strukturellen Gegebenheiten in den Kommunen nicht hinreichend Rechnung. Deshalb ist eine Änderung der landeseinheitlich wirkenden Grundsteuermesszahl nicht zielführend. Die Grundsteuerreform des Bundesmodells bedarf also einer Erweiterung, mit der den Kommunen – optional – ein gesondertes Hebesatzrecht für Wohn- und Nichtwohngrundstücke eingeräumt wird, mit der die regionalen Abweichungen erforderlichenfalls abgefedert werden können, ohne dass hierbei die Gleichmäßigkeit der Besteuerung aufgegeben wird. Vielmehr wird die Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch das optionale Hebesatzrecht in der Region erst ermöglicht. Deshalb ist die mit diesem Gesetz vorgenommene Ergänzung der logische Abschluss der Grundsteuerreform des Bundesmodells.
B. Lösung
Mit dem Gesetzentwurf zur Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen wird den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, den räumlich strukturellen Besonderheiten zwischen den Kommunen Rechnung zu tragen. Damit wird der Gedanke des Bundesgesetzgebers zur Aufkommensneutralität der Grundsteuerreform vollendet. Das derzeitige Bundesmodell ermöglicht zwar, dass das Aufkommen einer Kommune im Allgemeinen aufkommensneutral gestaltet werden kann. Jedoch können mögliche Mehrbelastungen einer Grundstücksart in den einzelnen Regionen durch das Bundesmodell nicht ausgeglichen werden, weshalb einige Eigentümerinnen und Eigentümer stärker belastet werden als andere. Indem von der im Grundgesetz vorgesehenen Länderöffnungsklausel in Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 GG Gebrauch gemacht wird, können diese Mehrbelastungen bei Bedarf abgemildert werden. Mehrbelastungen in Einzelfällen sind dadurch selbstverständlich weiterhin nicht vollständig auszuschließen, sondern Folge der durch das Bundesverfassungsgericht geforderten Beseitigung der bisher verfassungswidrigen Einheitsbewertung.
Künftig wird den Kommunen – optional – ein wesentlich stärker differenziertes Hebesatzrecht eingeräumt. Die Kommunen können unterschiedliche Hebesätze für Wohngrundstücke einerseits und Nichtwohngrundstücke andererseits festlegen. Zu den Wohngrundstücken gehören die Grundstücke, die im Ertragswertverfahren zu bewerten sind. Nichtwohngrundstücke umfassen in der für Nordrhein-Westfalen geltenden Regelung die unbebauten Grundstücke und die Grundstücke, die im Sachwertverfahren bewertet worden sind. Die Kommunen können diese Option nutzen, müssen es jedoch nicht. Sie können auch weiterhin einen einheitlichen Hebesatz für Grundstücke des Grundvermögens festlegen. Nach Bundesrecht darf der Hebesatz für die zum Grundvermögen gehörenden Grundstücke grundsätzlich nur einheitlich sein.
Damit wird die Ausgestaltung der Grundsteuerreform in ihrem dreistufigen System vervollständigt. Denn dadurch werden nicht nur neue Bemessungsgrundlagen in Gestalt von Grundsteuerwerten (1. Stufe) und Grundsteuermesszahlen (2. Stufe), sondern auch flexible Hebesatzgestaltungen (3. Stufe) realisiert. Das ermöglicht den Kommunen, zusätzlich zur bisher zulässigen Unterscheidung zwischen Grundsteuer A (land- und fortwirtschaftliches Vermögen), Grundsteuer B (Grundvermögen) und Grundsteuer C (Hebesatz für unbebaute baureife Grundstücke zur Baulandmobilisierung), auch die Belastung zwischen Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken regionalverantwortlich zu steuern. Dies eröffnet den Kommunen die Möglichkeit, im Rahmen der Grundsteuer eigene politische Lenkungsziele festzulegen, die auf der 1. Stufe (Bewertungsebene) rechtlich nicht zulässig wären, beispielsweise die Förderung des Wohnens als hohes soziales Gut oder die Steigerung der Attraktivität der Kommune als Wirtschaftsstandort.
Zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Steuerwettbewerb enthält das Gesetz eine Grenze für die Festlegung des jeweiligen Hebesatzes für Nichtwohngrundstücke.
Diese zusätzliche Flexibilität wird den Kommunen in Nordrhein-Westfalen bereits zum 1. Januar 2025 eingeräumt.
Die Kommunen können die neu zugestandene Flexibilität nutzen, um den vielfältigen und unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Regionen Rechnung zu tragen. Bei einer Nutzung der neuen Flexibilität obliegt es den Kommunen, bei einer Differenzierung der Hebesätze hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe darzulegen. Bei der Ausgestaltung des differenzierenden Hebesatzrechts müssen sich die Kommune innerhalb verfassungsrechtlicher Grenzen bewegen und dürfen die Eigentümerinnen und Eigentümer einer Grundstücksart nicht unverhältnismäßig stark belasten (Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes).
Nutzt eine Kommune die Option, muss sie die Gründe für die von ihr gewählte Differenzierung darlegen, um verfassungsrechtlich abzusichern, dass die Grenzen des Gleichbehandlungsgebots (Artikel 3 GG) trotz der differenziert getroffenen Belastungsentscheidung oder der Lenkungsmaßnahmen nicht überschritten werden.
C. Alternativen
Keine.
D.1. Kosten: Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Die mit dem Bundesmodell angestrebte grundsätzliche Aufkommensneutralität auf gebietskörperschaftlicher Ebene (Kommune) sollte konzeptionell durch die Bestimmung von Steuermesszahlen erreicht werden, mit denen unter der Annahme von konstanten Hebesätzen ein annähernd gleiches Grundsteueraufkommen rechnerisch erreicht werden kann. Damit war klar, dass das Aufkommen der Grundsteuer jedoch entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Artikels 28 GG letztlich auf kommunaler Ebene durch die Festsetzung der Hebesätze bestimmt wird.
An diesem rechnerischen Zusammenhang hat sich nichts geändert. Die grundsätzlich angestrebte Aufkommensneutralität auf kommunaler Ebene kann auch bei der Freigabe der Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke unverändert erreicht werden. Vielmehr bietet eine Öffnung der Hebesätze den Kommunen eine erweiterte Möglichkeit, die Grundsteuerreform für alle Eigentümerinnen und Eigentümer gleichermaßen aufkommensneutral zu gestalten und mögliche Mehrbelastungen zu vermeiden.
D.2. Erfüllungsaufwand
D.2.1. Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft und die privaten Haushalte
Kein Erfüllungsaufwand.
D.2.2. Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Die Kommunen können – optional – auf regionale Unterschiedlichkeiten reagieren. Die für die Entscheidung erforderlichen Daten sind den Kommunen in der Form der Grundsteuermessbetragsveranlagungen durch die Finanzverwaltung zugeleitet worden.
Soweit die Kommunen die Option ausüben wollen, werden sie ihre grundsätzlich vorhandene Automation anpassen müssen.
E. Zuständigkeit
F. Auswirkungen auf die Selbstverwaltung und die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände
Die Grundsteuer führte 2022 in Nordrhein-Westfalen zu einem Aufkommen von mehr als 4 Milliarden Euro und ist damit ein wichtiger Baustein der kommunalen Finanzausstattung. Die Reform war daher unverzichtbar, um die Finanzausstattung der Kommunen in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin sicherzustellen. Durch die Öffnung der Hebesätze werden die Kommunen in ihrem Selbstverwaltungsrecht gestärkt.
G. Finanzielle Auswirkung für Unternehmen und private Haushalte
Die Grundsteuerreform soll aufkommensneutral erfolgen (vgl. A.). Gleichzeitig muss eine verfassungsfeste Erhebung der Grundsteuer sichergestellt werden. Daher sind Belastungsveränderungen im Einzelnen nicht ausgeschlossen, weil die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Wertverzerrungen zwischen den einzelnen Grundstücksarten weiterhin beseitigt werden müssen.
Durch dieses Gesetz wird den Kommunen zukünftig die Möglichkeit eröffnet, den Grundbesitz privater Haushalte oder von Unternehmen im Rahmen der Festlegung differenzierender Hebesätze zu fördern.
H. Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Auswirkungen des Gesetzes
Das Gesetz hat keine Auswirkungen bei einer geschlechterdifferenzierten Betrachtung.
I. Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung (im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie NRW)
Das Gesetz steht nicht im Widerspruch zu Nachhaltigkeitsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen.
J. Befristung
Das Gesetz gilt unbefristet ab dem 1. Januar 2025.
Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen
(Nordrhein-Westfalens Grundsteuerhebesatzgesetz – NWGrStHsG)
§ 1 Festsetzung des Hebesatzes
(1) Abweichend von § 25 Absatz 4 des Grundsteuergesetzes vom 7. August 1973 (BGBl. I S. 965), das zuletzt durch Artikel 21 des Jahressteuergesetzes 2022 vom 16. Dezember 2022 (BGBl I S. 2294) geändert worden ist, muss der Hebesatz vorbehaltlich des § 25 Absatz 5 des Grundsteuergesetzes jeweils einheitlich sein
- für die in einer Gemeinde liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft,
- für die in einer Gemeinde liegenden unbebauten Grundstücke (§ 247 des Bewertungsgesetzes) und bebauten Grundstücke, die gemäß § 250 Absatz3 des Bewertungsgesetzes im Sachwertverfahren zu bewerten sind (Nichtwohngrundstücke) und
- für die in einer Gemeinde liegenden bebauten Grundstücke, die gemäß § 250 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes im Ertragswertverfahren zu bewerten sind (Wohngrundstücke).
Der einheitliche Hebesatz für die unter Satz 1 Nummer 2 fallenden Grundstücke darf nicht niedriger sein als der einheitliche Hebesatz für die unter Satz 1 Nummer 3 fallenden Grundstücke.
Werden Gemeindegebiete geändert, so kann die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle für die von der Änderung betroffenen Gebietsteile für eine bestimmte Zeit verschiedene Hebesätze zulassen.
(2) Abweichend vom Grundsteuergesetz vom 7. August 1973 (BGBl. I S. 965), das zuletzt durch Artikel 21 des Jahressteuergesetzes 2022 vom 16. Dezember 2022 (BGBl I S. 2294) geändert worden ist, wird der § 25 Absatz 5 Satz 9 des Grundsteuergesetzes für Nordrhein-Westfalen wie folgt geändert:
Hat eine Gemeinde die Grundstücksgruppe baureifer Grundstücke bestimmt und für die Grundstücksgruppe der baureifen Grundstücke einen gesonderten Hebesatz festgesetzt, muss dieser Hebesatz für alle in der Gemeinde oder dem Gemeindeteil liegenden baureifen Grundstücke einheitlich und höher als die Hebesätze für die in einer Gemeinde liegenden Nichtwohn- und Wohngrundstücke sein.
§ 2 Erstmalige Anwendung
Dieses Gesetz ist für die in Nordrhein-Westfalen belegenen wirtschaftlichen Einheiten erstmals auf den 1. Januar 2025 anzuwenden.
§ 3 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Mit dem Grundsteuerhebesatzgesetz Nordrhein-Westfalen wird von der den Ländern infolge der Änderung von Artikel 105 Absatz 2 des Grundgesetzes sowie Artikel 72 Absatz 3 Satz 1 Nummer 7 und Artikel 125b des Grundgesetzes eingeräumten umfassenden Befugnis zur teilweisen Schaffung abweichender landesrechtlicher Regelungen für die Bewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 Gebrauch gemacht. Die Befugnis schließt auch die Ausgestaltung der Erhebungsmöglichkeiten mit ein. Die Möglichkeit, landesrechtliche Regelungen für die Grundsteuer erlassen zu dürfen, wird punktuell durch die Schaffung einer Option zu differenzierenden Hebesätzen im Grundvermögen, abweichend von § 25 Absatz 4 des Grundsteuergesetzes genutzt. Durch die vorgesehene Änderung bleibt das Bewertungs- und Grundsteuergesetz in seiner Grundstruktur erhalten. Beim Grundvermögen wird lediglich die Bildung verschiedener Hebesätze zugelassen. Die Kommunen erlangen die Möglichkeit der Differenzierung der Hebesätze zwischen Wohn- und Nichtwohngrundstücken. Eine Verpflichtung der Kommunen, unterschiedliche Hebesätze festzulegen, besteht dabei nicht. Vielmehr können die Kommunen in Abhängigkeit von den räumlich-strukturellen Verhältnissen in ihrer Region auch einen einheitlichen Hebesatz festlegen und damit das bisherige Recht unverändert fortführen. Damit wird für die Kommunen eine Möglichkeit geschaffen, die Verteilung der Steuerlast in eigener Verantwortung und individuell zu steuern. Die Kommunen können zielgenau auf die individuellen Verhältnisse der Region reagieren.
Durch die ergänzende Neuregelung wird das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, wozu gerade auch die Ausgestaltung der Steuerquellen gehört, gestärkt. Die Hebesätze für die Grundsteuer werden von den Kommunen selbst festgelegt. Das Land hat insoweit keine Einwirkungsmöglichkeit auf einzelne Kommunen. Die Gründe, aus denen eine Hebesatzanpassung erfolgt, können verschiedener Natur sein und müssen nicht zwingend nur eine Folge der Grundsteuerreform sein. Die Kommunen müssen bei abweichenden Hebesätzen jedoch künftig darlegen, aus welchen Gründen sie für Wohngrundstücke andere Hebesätze festlegen als für Nichtwohngrundstücke, um die verfassungsrechtlichen Grenzen einer unterschiedlichen Behandlung nachvollziehbar zu begründen (Willkürverbot).
Rechtfertigungsgrund für eine Differenzierung zugunsten von Wohngrundstücken kann beispielsweise die Förderung des Wohnens, als ein hohes soziales Gut sein. Ebenso sind andere Lenkungsziele denkbar, wie etwa die Förderung von Nichtwohngrundstücken in entsprechend strukturschwachen Gebieten; die Förderung reicht nur soweit, wie kein unverhältnismäßiger Steuerwettbewerb stattfindet.
Die Rechtfertigungsgründe müssen umso deutlicher dargelegt werden, je größer die Abweichung der Hebesätze voneinander ist. Unabhängig vom Rechtfertigungsgrund darf die Abweichung zwischen den Hebesätzen jedoch nicht unverhältnismäßig groß sein. Die Kommunen haben darauf zu achten, dass der Hebesatz für eine Gruppe von Grundstücksarten nicht zu Lasten einer anderen besonders unverhältnismäßig hoch festgelegt wird, damit die Eigentümerinnen und Eigentümer der anderen Grundstücksarten nicht über Gebühr stark entlastet werden. Die Grundsteuerbelastung darf zudem für keine der Eigentümerinnen und Eigentümer einer Grundstücksart eine erdrosselnde Wirkung haben.
Im Ergebnis steht den Kommunen künftig ein Lenkungsinstrument zur Verfügung, das in der Verantwortung der Kommunen unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Grenzen im Rahmen ihrer Beschlüsse über die Höhe der Hebesätze ausgeübt werden muss.
Die Grundsteuer ist eine kommunale Steuer. Sie wird durch die Kommune erhoben und verbleibt in der Kommune. Sie ist damit ein zentraler Baustein der kommunalen Selbstverwaltung und eine Grundlage für die souveräne Gestaltungskraft der Städte und Gemeinden. Die mit dem Gesetz eingeführte Option differenzierender Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke bietet Kommunen neuen Freiraum bei der Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Steuerquellen.
Die Möglichkeit, optional differenzierende Hebesätze in der Kommune festlegen zu können, ist im Übrigen nicht neu. Das Bundesmodell sieht diese Möglichkeit seit dem 1. Januar 2025 vor. Danach ermöglicht § 25 Absatz 5 GrStG optional innerhalb der Vermögensart des Grundvermögens einen gesonderten Hebesatz zur Baulandmobilisierung (Grundsteuer C) festzulegen. Auch hier hat der Bundesgesetzgeber die Regelung als Option und nicht als Verpflichtung ausgearbeitet.
Mit der neu eingeführten Möglichkeit zur Differenzierung der Hebesätze erhalten die Kommunen das Instrument, mit dem den räumlich-strukturell unterschiedlichen Verhältnissen der Region Rechnung getragen werden kann. Damit kommt die dreistufige Grundsteuerform zum 1. Januar 2025 erst vollständig zum Abschluss.
1. Stufe
Auf der ersten Stufe sind im in Nordrhein-Westfalen geltenden Bundesmodell wertabhängige Bemessungsgrundlagen festzustellen. Sie bilden die Relationen der Grundstücke zueinander zutreffend ab, wobei dem Gesetzgeber nach der verfassungsrechtlichen Vorgabe bei der Grundsteuer eine umfangreiche Typisierungsbefugnis zugestanden wurde.
2. Stufe
Auf der zweiten Stufe erfolgt eine Multiplikation des Grundsteuerwerts mit der jeweiligen Grundsteuermesszahl. Mit der Festlegung der Grundsteuermesszahlen kann eine unterschiedliche Belastung der verschiedenen Grundstücksarten im Verhältnis zueinander hergestellt werden. Die Grundsteuermesszahlen wirken dabei nur landeseinheitlich. Eine Differenzierung, die den regional strukturellen Unterschieden Rechnung tragen kann, ist nicht möglich.
3. Stufe
Auf der dritten Stufe entscheidet die Kommune durch die Festlegung der Hebesätze über die endgültige Steuerbelastung in der Region.
Diese Unterschiedlichkeiten können nicht durch die Grundsteuermesszahlen beseitigt werden, da sie landeseinheitlich wirken. Vielmehr kommt als Steuerungsinstrument nur eine regional flexible Hebesatzdifferenzierung in Betracht, die optional in der Verantwortung der Kommunen ausgeübt werden kann.
Diese finale Belastungsentscheidung kann nur die Kommune treffen, wenn sie auch darüber entscheiden kann, in welchem Verhältnis die Grundstücksarten zueinander belastet werden sollen. Es ist nicht erforderlich, für jede einzelne Grundstücksart gesonderte Hebesätze vorzusehen. Vielmehr reicht es aus, die in unterschiedlichen Bewertungsverfahren erfassten Grundstücke mit unterschiedlichen Hebesätzen zu belasten.
Das bedeutet, dass die Kommune jeweils einheitliche, aber voneinander abweichende Hebesätze einerseits für im Ertragswertverfahren bewertete Grundstücke („Wohngrundstücke“) und andererseits für im Sachwertverfahren bewertete Grundstücke und unbebaute Grundstücke festlegen kann. Eine weitere Differenzierung zwischen im Sachwertverfahren bewerteten Grundstücken und unbebauten Grundstücken wird nicht vorgenommen. Damit folgt das Grundsteuerhebesatzgesetz Nordrhein-Westfalens den bisherigen Strukturen im Grundsteuergesetz. Im Rahmen der Grundsteuermesszahl wurden die Grundstücke, die im Sachwertverfahren zu bewerten sind und die unbebauten Grundstücke ebenfalls gleichbehandelt, in dem für diese eine einheitliche Messzahl festgelegt worden ist. Außerdem dient dieses Gesetz dazu, den Kommunen die Möglichkeit zu verschaffen, mögliche Mehrbelastungen für Wohngrundstücke abzumildern und das hohe soziale Gut des Wohnens zu fördern. Die Grundstücksarten, bei denen das Wohnen nicht im Vordergrund steht bzw. die den Bereich des Wohnens nicht abdecken, werden daher unter dem Begriff „Nichtwohngrundstücke“ zusammengefasst. Darüber hinaus besteht für unbebaute nicht baureife Grundstücke bereits eine besondere Regelung im § 25 Absatz 5 GrStG.
B. Besonderer Teil
Zu § 1 Absatz 1 Satz 1 (Festlegung des Hebesatzes):
Die Vorschrift regelt, dass der Hebesatz für den in einer Gemeinde liegenden Grundbesitz jeweils einheitlich sein muss für
• Betriebe der Land- und Forstwirtschaft,
• Wohngrundstücke und
• Nichtwohngrundstücke.
Die insoweit vorgesehene Option zur Differenzierung der Hebesätze folgt der Unterscheidung der Grundsteuermesszahlen im Bundesmodell.
Zu § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1:
Die Vorschrift regelt die Einheitlichkeit des Hebesatzes für die in einer Gemeinde liegenden Betriebe der Land- und Forstwirtschaft.
Zu § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2:
Die Vorschrift regelt die Einheitlichkeit des Hebesatzes für die in einer Gemeinde liegenden unbebauten Grundstücke (§ 247 des Bewertungsgesetzes) und bebauten Grundstücke, die gemäß § 250 Absatz 3 des Bewertungsgesetzes im Sachwertverfahren zu bewerten sind (Nichtwohngrundstücke).
Für die unbebauten Grundstücke gilt derselbe Hebesatz, der für die im Sachwertverfahren zu bewertenden Grundstücke festgelegt wird. Für die unbebauten Grundstücke wird keine Option für einen gesonderten Hebesatz eingeführt, weil im Bundesmodell bereits eine Option für baureife Grundstücke ab dem Jahr 2025 vorgesehen ist. Nach Maßgabe des § 25 Absatz 5 des Grundsteuergesetzes kann die Kommune insoweit zur Baulandmobilisierung einen gesonderten (höheren) Hebesatz festlegen (Grundsteuer C). Diese im Bundesmodell vorgesehene Option soll in Nordrhein-Westfalen nicht durch die Einführung einer weiteren Differenzierungsmöglichkeit für den Hebesatz von unbebauten Grundstücken ausgehebelt werden.
Zu § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3:
Die Vorschrift regelt die Einheitlichkeit des Hebesatzes für die in einer Gemeinde liegenden bebauten Grundstücke, die gemäß § 250 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes im Ertragswertverfahren zu bewerten sind (Wohngrundstücke).
Zu § 1 Absatz 1 Satz 2:
Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke nicht geringer sein darf als der Hebesatz für die Wohngrundstücke.
Zu § 1 Absatz 1 Satz 3:
Dieser Satz entspricht der Regelung im § 25 Absatz 4 Satz 2 des GrStG des Bundes.
Zu § 1 Absatz 2:
Die Formulierung des § 25 Absatz 5 Satz 9 Grundsteuergesetz passt nicht zur Regelung des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3 im NWGrStHsG. Damit der Regelungsinhalt des § 25 Absatz 5 Satz 9 auch weiterhin anwendbar ist, wenn die Kommune sich für eine Differenzierung der Hebesätze entscheidet, ist diese Regelung für Nordrhein-Westfalen entsprechend anzupassen.
Zu § 2 (Erstmalige Anwendung):
Diese Vorschrift regelt den Anwendungszeitpunkt des Gesetzes für die in Nordrhein-Westfalen belegenen wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens. Die Anwendung erfolgt zum 1. Januar 2025, also zeitgleich mit dem ersten Wirksamwerden des Grundsteuergesetzes des Bundesgesetzgebers.
Zu § 3 (Inkrafttreten):
§ 3 regelt das Inkrafttreten der Vorschrift.