Gesellschaftlichen Konsens zum Kohleausstieg ernst nehmen: Rodungsmoratorium und neue Leitentscheidung jetzt!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.         Ausgangslage
In Berlin berät zurzeit die „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ über das Ende der Kohleverstromung in Deutschland und die Gestaltung des damit einhergehenden Strukturwandels in den betroffenen Regionen. Aus dem Arbeitsauftrag der so genannten Kohle-Kommission ergibt sich, dass diese Maßnahmen erarbeiten soll, wie die Energiewirtschaft zur möglichst weitgehenden Erreichung des Reduktionsziels für 2020 beitragen kann. Dies ist nicht denkbar, ohne dass kurzfristig Kohlekraftwerke stillgelegt bzw. deutlich heruntergefahren werden müssen. Dies wiederum wird zu einer deutlichen Reduzierung der noch benötigten Abbaumengen im Rheinischen Revier führen. Aktuelle Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung („Erfolgreicher Klimaschutz durch zügigen Kohleausstieg in Deutschland und Nordrhein-Westfalen“, Göke et al. (DIW), 2018.) und des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik („2030 kohlefrei: Wie eine beschleunigte Energiewende Deutschlands Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen sicherstellt“, Kopiske und Gerhardt (IEE), 2018.) kommen zu dem Ergebnis, dass sich Deutschland ab 2030 sicher und kohlefrei mit Energie versorgen könnte. Für die Tagebaue Garzweiler und Hambach würden diese Ausstiegsszenarien bedeuten, dass weniger als 20 Prozent der verfügbaren Fördermenge benötigt würde. In der Folge müssten weder weitere Ortschaften umgesiedelt noch müsste der Hambacher Wald gerodet werden.
Die Leitentscheidung der Rot-Grünen Landesregierung von 2016, die eine Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II und eine unveränderte Fortführung der Tagebaue Inden und Hambach vorsah, war ein Kompromiss zwischen den damaligen Koalitionspartnern. Vor dem Hintergrund der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens sowie eines erfolgreichen Abschlusses der Kohlekommission muss diese Leitentscheidung zeitnah korrigiert werden. Diesen Überarbeitungsprozess sollte die Landesregierung bereits heute einleiten, um die Zeit der Ungewissheit für alle Beteiligten möglichst zu verkürzen.
Der Abschlussbericht der Kommission soll bereits zum Ende dieses Jahres vorliegen. Während dieser Verhandlungen kann von allen beteiligten Verhandlungspartnern erwartet werden, dass in wichtigen Punkten keine unumkehrbaren Fakten geschaffen werden, bevor die Kommission ihren Abschlussbericht vorlegt. Mit dem angekündigten Beginn der Rodungen durch RWE am 15. Oktober 2018 würde ein einvernehmliches Verhandlungsergebnis zum Kohleausstieg schließlich massiv gefährdet. In Anbetracht der Folgewirkungen eines beschleunigten Kohleausstiegs für den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen und für die Tagebaue im Rheinischen Revier muss das Ergebnis der Verhandlungen abgewartet werden, damit danach ein geordneter Prozess der Umsetzung stattfinden kann.
Eine Rodung des Hambacher Waldes ab dem 15. Oktober 2018 würde aber nicht nur die Arbeit der Kohle-Kommission in Berlin gefährden, sie würde auch weiter erhebliche Belastungen für eine Vielzahl von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bedeuten, die an anderer Stelle für die Sicherheit in NRW bis zum Jahresende nicht zur Verfügung stehen würden. So wird der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei NRW, Michael Mertens, in der Neuen Rhein Zeitung am 23.8.2018 wie folgt zitiert: „Sollte das Waldstück tatsächlich gerodet werden, wird die Räumung eine der größten Herausforderungen in der Polizeigeschichte Nordrhein-Westfalens“ (Neue Rhein Zeitung: „Angst vor Eskalation am Tagebau“, 23.8.2018). In einer Pressemitteilung vom 29.8.2018 fordert die GDP „Erst reden, dann roden“ und schließt sich damit der Forderung nach einem Rodungsmoratorium an. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter NRW kommt in einer Pressemitteilung vom 13.09.2018 zu dem Schluss, dass die Amtshilfe der Polizei für die Räumung der Baumhäuser hätte versagt werden müssen, weil „dem Land erhebliche Nachteile bei der Gewährleistung der Sicherheit für die Bevölkerung entstehen.“ (Bund Deutscher Kriminalbeamter Landesverband Nordrhein-Westfalen: "Räumung im Hambacher Forst", 13.09.2018.)
Der friedliche Protest gegen die Rodungen im Hambacher Wald ist unterstützenswert. Die geplante Abholzung des Hambacher Waldes ist zu einem Symbol für eine überholte Energiepolitik geworden, die bei einer überwältigenden Mehrheit der Menschen keine Unterstützung mehr findet. Tausende regelmäßig demonstrierende Bürgerinnen und Bürger in Hambach setzen sich für den Erhalt des Waldes und für eine schnelle Beendigung der Kohleverstromung ein. In einer aktuellen EMNID-Umfrage sprechen sich 73 Prozent für einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 aus (Zeit Online „Mehrheit der Deutschen gegen Rodung des Hambacher Forsts“, 19.09.2018). Diese eindeutigen Rückmeldungen aus der Bevölkerung sollten Anlass genug für die Landesregierung sein, um sich bei RWE für ein Aussetzen der Rodungen einzusetzen.
II.       Der Landtag stellt fest:
· Mit einem konsequenten Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem punktuellen Zubau von effizienten und flexiblen Gaskraftwerken ist die Versorgungssicherheit bei einem vorzeitigen Kohleausstieg gewährleistet.
· Die Anwendung von Gewalt ist nicht hinnehmbar und schadet dem klimapolitischen Anliegen. Wir verurteilen jeglichen Einsatz von Gewalt und rufen daher alle Unterstützerinnen und Unterstützer dazu auf, sich ebenfalls klar davon zu distanzieren.
· Die Landesregierung steht vor dem Hintergrund der Verhandlungen der Kohle- Kommission in der Verantwortung in diesem Konflikt zu vermitteln, um die historische Chance, einen Kohleausstieg mit einem breit getragenen Konsens zu beschließen, nicht zu gefährden.
III.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
· in Gesprächen mit der RWE Power AG darauf zu drängen, dass das Unternehmen auf eine Rodung des Hambacher Waldes mindestens bis zum Abschluss der Arbeit der Kohlekommission verzichtet.
· vorbereitende Maßnahmen für eine neue Leitentscheidung zu treffen, die eine drastische Reduzierung der Fördermengen abbildet, damit Deutschland das selbstgesteckte Klimaschutzziel 2030 erreichen kann.