I. Ausgangslage
Ob Sport, Jugend- und Seniorenhilfe, soziales Engagement, Brauchtum oder Natur- und Tierschutz – das Ehrenamt umfasst die gesamte Bandbreite unseres Zusammenlebens. Dieses bürgerschaftliche Engagement trägt maßgeblich zum sozialen Zusammenhalt bei und fördert die gesellschaftliche Teilhabe. Es ist Ausdruck von Gemeinschaft und Solidarität. Dafür danken wir allen ehrenamtlich Tätigen in unserem Land.
Die Krisen der jüngsten Vergangenheit haben dieses Engagement vor große Herausforderungen gestellt: Während der Corona-Pandemie litt das gesellschaftliche Zusammenleben durch Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren. Gerade in dieser Zeit haben sich viele ehrenamtlich Tätige und gemeinnützige Initiativen bemüht, dass auch in Zeiten notwendiger sozialer Distanz niemand zurückbleibt oder vergessen wird. Trotzdem gab es auch viele Bürger und Bürgerinnen, die ihre ehrenamtliche Tätigkeit vorübergehend einstellen mussten.
Dennoch weist der auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage erstellte Ehrenamtsatlas für Nordrhein-Westfalen weiterhin beeindruckende Zahlen aus: Rund die Hälfte der Menschen im Land engagieren sich freiwillig für die Gesellschaft. Im Schnitt engagiert sich jede und jeder Ehrenamtliche in Nordrhein-Westfalen 214 Stunden pro Jahr. Ehrenamtliche in Nordrhein-Westfalen leisten damit freiwillige Arbeit im Wert von mindestens 19 Milliarden Euro jährlich. Sie ergänzen die öffentliche Daseinsfürsorge und übernehmen Aufgaben, die der Staat in dieser Form und in diesem Umfang nicht leisten kann.
Bereits jetzt erfährt das Ehrenamt durch das Land große Wertschätzung. Auf maßgebliche Initiative Nordrhein-Westfalens konnten zum 1. Januar 2021 zudem Steuerfreibeträge für ehrenamtlich Tätige und die steuerliche Freigrenze für gemeinnützige Vereine angehoben werden.
Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN hat sich zum Ziel gesetzt, die steuerlichen Rahmenbedingungen weiter zu verbessern und bürokratische Hürden abzubauen. Eine Erweiterung der steuerlichen Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen und eine steuerliche Anerkennung unentgeltlich ehrenamtlich Tätiger könnten das bürgerschaftliche Engagement weiter fördern. Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, die finanzielle Belastung zu verringern und die Wertschätzung für das Ehrenamt zu erhöhen. Zudem wäre eine Anpassung aller Freibeträge
und Pauschalen im Ehrenamtsbereich an die aktuelle Teuerungsrate, einschließlich des Körperschaftsteuer-Freibetrags und der derzeitigen Besteuerungsgrenze von 45.000 Euro, eine sinnvolle Maßnahme, um die Unterstützung für Ehrenamtliche in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten zu gewährleisten. Dabei ist es wichtig, auch die Bürokratie zu reduzieren, um Ehrenamtlichen mehr Zeit für ihre Tätigkeiten zu ermöglichen, anstatt sie mit administrativen Aufgaben zu belasten. All diese Maßnahmen würden einen weiteren Schritt darstellen, um Anerkennung und Unterstützung für das Ehrenamt in unserer Gesellschaft zu stärken.
Mit einer Anpassung der Freibeträge und Pauschalen im Ehrenamtsbereich würde der Staat die Rahmenbedingungen für das Engagement attraktiver gestalten und gleichzeitig den bürokratischen Aufwand senken. Steuer- und Rechtsfragen stellen gerade kleine Vereine mit ehrenamtlicher Leitung immer wieder vor große Herausforderungen. Die öffentliche Verwaltung soll hier noch stärker unterstützen. Hierzu soll in den Finanzämtern eine zentrale Ansprech-person benannt werden, an die sich Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler in gemeinnützigen, nicht steuerlich beratenen Vereinen bei steuerlichen Fragen wenden können. Zudem könnte eine kostenlose Erstberatung zu rechtlichen und organisatorischen Fragen die Arbeit in den Vereinen erleichtern. Die Erstberatung soll nach dem Beispiel Bayerns durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen in Nordrhein-Westfalen (lagfa NRW e. V.) (bzw. kooperierender Fachanwälte) geleistet werden.
Eine zusätzliche Möglichkeit zur Unterstützung und Anerkennung ehrenamtlicher Arbeit liegt in der Ausweitung des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes (AWbG). Durch das AWbG können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für Weiterbildungsmaßnahmen vom Arbeitgeber freigestellt werden. Bislang werden Qualifizierungsmaßnahmen zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht durch das AWbG abgedeckt.
Mit diesen Maßnahmen wird die Zukunftskoalition das bürgerschaftliche Engagement durch attraktivere Rahmenbedingungen und den Abbau bürokratischer Hürden weiter stärken. Damit bringen wir den ehrenamtlich Tätigen in unserem Land die Wertschätzung entgegen, die sie verdienen.
II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:
- Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in Nordrhein-Westfalen engagieren sich ehrenamtlich und leisten damit einen enormen Beitrag für den sozialen Zusammenhalt im Land.
- Das Ehrenamt umfasst alle Bereiche unseres Zusammenlebens wie beispielsweise Sport, Jugend- und Altenhilfe, soziales Engagement, Brauchtum oder Natur- und Tierschutz.
- Durch verschiedene Maßnahmen wie zum Beispiel die Anpassung steuerlicher Rahmenbedingungen sowie Förderprogramme, drückt das Land seine Wertschätzung gegenüber dem Ehrenamt aus.
- Gleichwohl verbleiben in steuerlichen und rechtlichen Bereichen Verbesserungspotenziale, die jetzt im Sinne der engagierten Bürgerinnen und Bürger gehoben werden sollten.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
- sich über den Bundesrat für die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen einzusetzen, insbesondere für
- die Erweiterung der steuerlichen Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen,
- eine steuerliche Anerkennung unentgeltlich ehrenamtlich tätiger Personen und
- eine inflationsgerechte Erhöhung aller Freibeträge und Pauschalen im Ehrenamtsbereich.
- in den Finanzämtern jeweils eine zentrale Ansprechperson für ehrenamtlich Tätige für Fragen in Bezug auf steuerlich nicht beratene gemeinnützige Vereine zu benennen.
- das Angebot einer kostenlosen rechtlichen Erstberatung für gemeinnützige Vereine zu prüfen und hierbei u. a. das Modell der lagfa bayern e.V. in die Prüfung einzubeziehen. Die Erstberatung soll nach dem Beispiel Bayerns durch die lagfa NRW e. V. (bzw. kooperierender Fachanwälte) geleistet werden. Im Rahmen einer solchen Beratung sollten Themen wie Satzungsfragen, Haftungsfragen, Fragen zur Besetzung von Ämtern, Vereinsauflösungen, Fahrkosten- und allgemeine Kostenerstattungen, Aufsichtspflicht und Vertragsfragen behandelt werden.
- zu prüfen, ob und wie das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) erweitert werden kann, um Qualifizierungsmaßnahmen zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten attraktiver zu machen.