Droht Aachener Friedenspreisträgerinnen und -preisträgern Verfolgung und Einschränkung der Reisefreiheit?

Kleine Anfrage von Berivan Aymaz und Matthi Bolte-Richter

Portrait Berivan Aymaz 2021

Anfang 2016 kamen in der Türkei zahlreiche Akademikerinnen und Akademiker in Haft und verloren ihre Arbeitsstellen, weil sie einen Friedensappell unterzeichnet hatten. Darin wandten sie sich gegen die türkische Politik in den Kurdengebieten und forderten den türkischen Staat auf, Zerstörungen in den Kurdengebieten zu stoppen. Sie gehören zu einem Bündnis von insgesamt 1.128 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern eines offenen Briefs an die türkische Regierung. Aufgrund der drohenden Repressionen verließen daraufhin viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Türkei, um in Deutschland Schutz vor Verfolgung und Unterdrückung zu finden und in Freiheit eine neue berufliche Perspektive zu suchen.
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 30.10./31.10./1.11.2017 kündigt sich jetzt in Deutschland eine Welle neuer Strafverfahren für diese Regierungskritikerinnen und Regierungskritiker aus der Türkei an. Betroffen seien türkische Akademikerinnen und Akademiker, die nach Deutschland ins Exil gegangen sind. Die Staatsanwaltschaft in der Türkei wirft den türkischen Wissenschaftlerinnen  und Wissenschaftlern  bzw.  Intellektuellen „Propaganda für eine Terrororganisation“ vor. Es soll sich dabei um einen Kreis von etwa 100 Personen handeln.
Die Initiative „Wissenschaftler für den Frieden“ wurde 2016 für ihr Engagement mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet. Der Preis ist auch eine Anerkennung für das mutige Handeln seiner Mitglieder, dem oft erhebliche Repressionen folgten. Das Bündnis der Akademikerinnen und Akademiker für den Frieden hatte sich bereits 2012 organisiert. Es tritt nach eigenen Angaben für eine friedliche und demokratische Lösung des türkisch-kurdischen Konfliktes ein.
Zwar droht den betroffenen Mitgliedern der Initiative „Wissenschaftler für den Frieden“ aktuell eine Auslieferung an die Türkei wohl nicht, denn über ein solches Ersuchen entscheidet in Deutschland das jeweilige zuständige Gericht. Allerdings können sie von der Türkei über Interpol international zur Fahndung ausgeschrieben werden. Ab diesem Zeitpunkt können die Betroffenen nicht mehr gefahrlos reisen, wie es zuletzt der Fall des Kölner Schriftstellers
Doğan Akhanlı gezeigt hat. Dies stellt eine enorme Einschränkung der Grund- und Menschenrechte der Betroffenen dar.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

  1. Was wurde seitens der Landesregierung unternommen, um herauszufinden, wie viele in NRW Schutz suchende Akademikerinnen und Akademiker aus der Türkei von dort gegen sie eingeleiteten Strafverfahren betroffen sind?
  2. Wie werden die Betroffenen von den NRW-Behörden über diese Strafverfahren informiert?
  3. Wie werden die Betroffenen von den NRW-Behörden bei Verfolgung unterstützt?
  4. Welche Maßnahmen sind bisher über die Innenministerkonferenz eingeleitet worden, damit Schutzbedürftige und verfolgte Regimekritikerinnen und Regimekritiker nicht weiter mittels Red Notices auf Fahndungslisten von Interpol gesetzt werden?
  5. Wie setzt sich NRW konkret dafür ein, dass die Aachener Friedenspreisträgerinnen und Friedenspreisträger nicht auf den Interpol-Fahndungslisten landen?

Berivan Aymaz und Matthi Bolte-Richter