Die Kommunen bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten wirksam stärken – FlüAG-Kostenpauschale endlich erhöhen und Perspektiven für Geduldete schaffen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Mehrdad Mostofizadeh
Portrait Berivan Aymaz 2021

I.        Versprechungen der Landesregierung zur Entlastung der Kommunen
A.       Erhöhung der FlüAG-Kostenpauschale
Gemäß dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) stellt das Land NRW den Kommunen für die Aufnahme, Unterbringung und Versorgung der ihnen zugewiesenen Geflüchteten eine monatliche Kostenpauschale in Höhe von aktuell 866 Euro/Monat, bzw. 10.392 Euro pro Jahr zur Verfügung. Laut §4 Abs. 5 Satz 1 FlüAG erfolgt die Zahlung für Geduldete lediglich für den Zeitraum von bis zu drei Monaten nach Eintritt der vollziehbaren Ausreisepflicht.
Bereits im Januar vergangenen Jahres hatte die Landesregierung angekündigt, die Höhe der Pauschale auf ihre Angemessenheit durch ein wissenschaftliches Gutachten der Universität Leipzig zu überprüfen und versprach auf Basis der Ergebnisse eine Überarbeitung des FlüAG. Dieses Versprechen einer angemessenen Unterstützung der Kommunen durch das Land wiederholte Minister Stamp im Zuge seiner Einlassung zum Haushaltsgesetz 2019 vor dem Integrationsausschuss.
Das Gutachten der Universität Leipzig zur „Evaluierung der Kostenpauschale nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz Nordrhein-Westfalen (FlüAG NRW)“ liegt der Landesregierung bereits seit November 2018 vor. Der wissenschaftliche Bericht plädiert für eine Anhebung der FlüAG-Pauschale für kreisfreie Städte zwischen 13.500 und 16.000 Euro und für kreisangehörige Städte zwischen 10.500 und 11.000 Euro pro Jahr. Somit liegt die Ist-Kosten- Erhebung sowohl bei den kreisangehörigen, als auch bei den kreisfreien Städten deutlich über dem aktuell ausgezahlten jährlichen Pauschalbetrag von 10.392 Euro. Dies bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für die Kommunen.
Mit Bezug auf das vorliegende Gutachten forderten die kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen daher am 21.11.2018 erneut eine zügige Neuregelung der Flüchtlingskostenerstattung nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (https://www.kommunen.nrw/presse/pressemitteilungen/detail/dokument/weiterleitung-der- integrationspauschale-zu-begruessen.html), die bisher jedoch nicht erfolgt ist.
Darüber hinaus wies Minister Stamp in einem schriftlichen Bericht vom 3. Juli 2018 darauf hin, dass speziell im Hinblick auf Geduldete eine finanzielle Entlastung der Kommunen notwendig sei. Denn in vielen Fällen ließen die aktuelle Sicherheitslage in den Herkunftsländern oder deren mangelnde Kooperationsbereitschaft eine Rückführung nicht zu. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der steigenden Zahlen von Geduldeten, die aus berechtigten Gründen nicht abgeschoben werden dürfen, ist es erforderlich, die Kommunen finanziell umfassend für ihre notwendigen Ausgaben zu entlasten.
Damit griff er eine Forderung des Grünen-Antrags „Land muss Verantwortung für Geduldete übernehmen und die Kommunen dauerhaft finanziell entlasten“ (Drs. 17/2550) auf, der die umfassende und dauerhafte Entlastung der Kommunen für die Aufwendungen für Geduldete im Sinne des §60a Aufenthaltsgesetz vorsieht. Der Vorstoß des Antrags wurde in der Anhörung von den kommunalen Akteuren begrüßt.
Obwohl die spätere Zusage des Ministers bei den Kommunalverbänden auf große Zustimmung stieß, ist bisher auch in diesem Punkt noch keine Umsetzung der Absichtserklärung erfolgt.
B.       Integrierten Geduldeten eine langfristige Bleibeperspektive ermöglichen
§25b Aufenthaltsgesetz (AufthG) schafft die prinzipielle Möglichkeit, Geduldeten im Falle einer nachhaltigen Integration einen längerfristigen Aufenthalt zu gewähren, der unter anderem zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt. Bisher wird von dieser Regelung nicht umfassend Gebrauch gemacht. Außerdem sind Personen, die bei ihrer Einreise keine Passpapiere vorweisen konnten, generell davon ausgeschlossen. Diese Betroffenen müssen dementsprechend weiterhin von den Kommunen finanziert werden, was zu einer erheblichen Mehrbelastung der kommunalen Haushalte führt.
Bereits im Oktober 2017 kündigte Integrationsminister Stamp einen Erlass an, der „gut integrierten“ Geduldeten schnell zu einem dauerhaften Bleiberecht verhelfen sollte, auch wenn sie bei ihrer Einreise keine gültigen Papiere bei sich hatten (https://www.welt.de/regionales/nrw/article169861929/Integration-mit-Zuckerbrot-und-Peitsche.html).aber an der Beschaffung von Passpapieren und Identitätsnachweisen bzw. -klärung mitgewirkt haben. Der Erlass sollte die Ausräumung dieser faktischen Hürden vorsehen, die Geduldeten bisher die Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung aufgrund ihres Aufenthaltsstatus‘ verwehren.
Der versprochene Erlass würde den Kommunen erlauben, die Betroffenen aus ihrem Duldungsstatus zu entlassen und in einen langfristigen Aufenthaltsstatus zu überführen. Dies würde die Betroffenen von einer Belastung befreien, die von einem unsicheren Duldungsstatus ausgeht, den Integrationsprozess beschleunigen und durch gesichertere Beschäftigung überdies hinaus den Haushalt der Kommunen spürbar entlasten.
Minister Stamp wiederholte am 6.12.2018 sein Versprechen im Integrationsausschuss. Für ihn sei es „nicht nachvollziehbar“, dass „bestens integrierte“ abgelehnte Asylbewerber nur geduldet werden, aber keine Aufenthaltsgenehmigung bekommen.
Die Landesregierung muss ihren Worten nun schnell Taten folgen lassen und für eine einheitliche Regelung in den Kommunen sorgen.

II.      Der Landtag stellt fest:

Die Kommunen leisten die hauptsächliche Aufnahme- und Integrationsarbeit von Geflüchteten. Gleichzeitig stellen die Unterbringung und die Bereitstellung eines ausreichenden Angebots für Integrationsmaßnahmen logistische und finanzielle Herausforderungen dar. Ihren bisherigen Versprechungen und Zusagen, die Städte und Gemeinden zukünftig finanziell angemessen zu entlasten, ist die Landesregierung bisher noch nicht nachgekommen.

III.    Der Landtag beschließt:

Die Landesregierung wird daher aufgefordert,
1.     die Leistungen der Kommunen in Bezug auf die Aufnahme, Versorgung und Integration Geflüchteter vollumfänglich anzuerkennen und sie bei diesen Aufgaben zu stärken.
2.     die zugesagte Neuregelung der FlüAG-Pauschale an den Empfehlungen des Gutachtens der Universität Leipzig zu orientieren und zügig umzusetzen.
3.     die finanzielle Unterstützung der Kommunen für Geduldete auch über einen Zeitraum von drei Monaten hinaus sicherzustellen.
4.     die erforderlichen gesetzlichen Veränderungen so schnell vorzulegen, dass eine ordnungsgemäße Befassung und Verabschiedung noch vor der Sommerpause möglich ist. Die Wirkung der Veränderungen muss mindestens das gesamte Haushaltsjahr 2019 umfassen.
5.     den Kommunen in Form eines Erlasses zu ermöglichen, Geduldete im Rahmen des §25b AufenthG schneller in einen sicheren Aufenthaltsstatus zu überführen, um so deren Integration effektiv voranzutreiben und die Kommunen zu entlasten.