Der Bund muss seine Zusagen einhalten und Erstorientierungskurse als Basis für einen gelungenen Integrationsprozess qualitativ und quantitativ stärken

Antrag der Fraktionen von CDU und GRÜNE im Landtag

Portrait Benjamin Rauer

I. Ausgangslage

Nordrhein-Westfalen steht an der Seite der Ukraine, die völkerrechtswidrig von Russland an­gegriffen wurde, und von allen Menschen, die vor Verfolgung, Vertreibung und Krieg fliehen und unseren Schutz brauchen. Seit dem Angriffskrieg Putins wurden 220.684 Personen aus der Ukraine aufgenommen (Stand 18.07.2023). Dazu wurden im Jahr 2022 in Nordrhein-West­falen 42.859 Erstanträge von Schutzsuchenden auf Asyl gestellt. Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Monheim am Rhein, Borken oder Kamen. In diesem Jahr wird mit knapp 65.000 Erstanträgen gerechnet (Stand 30.06.2023).

Die aktuell gesamtgesellschaftlich zu meisternde Herausforderung umfasst nicht nur die Not­wendigkeit, Menschen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Für ein gelungenes Zusam­menleben ist ein gut konzeptionierter Integrationsprozess unabdingbar. In den Landeseinrichtungen wird den Geflüchteten mit den BAMF Erstorientierungskursen eine erste Anlaufstelle geboten, um die ersten Sprachbausteine zu erlernen. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse haben diese Menschen, die vor Krieg, Folter und Verfolgung geflohen sind oder vertrieben wurden, später große Schwierigkeiten bei der Integration. Ausreichende Sprachkenntnisse sind ein wichtiger Schlüssel zur gleichberechtigten Teilhabe in unserem Einwanderungsland Nordrhein-Westfalen. Aufgrund der bleibend hohen Zugangszahlen steigt die Nachfrage, Kurse sind teilweise überbelegt und andernorts muss mit langen Wartezeiten gerechnet wer­den. Deshalb haben sich die Integrationsminister der Länder dafür ausgesprochen, die Erstorientierungskurse aufzustocken. In einem gemeinsamen Beschluss der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit dem Bundeskanzler im Mai 2023 heißt es folglich, Erstorientierungskurse seien quantitativ und qualitativ zu stärken.

Trotz eines bleibend hohen Bedarfs verweigert der Bundesfinanzminister die Aufstockung der Mittel für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten und wird von der Bundesinnen­ministerin in diesem Kurs unterstützt. Das bedeutet, der Bund rückt offensichtlich von diesen Vereinbarungen ab und lässt die Länder und Kommunen mit dieser Aufgabe alleine. Darüber hinaus sehen die Haushaltspläne des Bundes sogar deutliche Einschnitte im Bereich der Sprach- und Integrationskurse vor. Es ist davon auszugehen, dass dies de facto das Aus für Erstorientierungskurse an sehr vielen Standorten bedeuten würde. Gravierende Folgen erge­ben sich damit vor allem für die geflüchteten Menschen , aber auch für die Kreise, Städte und Gemeinden. Diese leisten vor Ort den maßgeblichen Teil der Integration und müssten die Mängel im Prozess ausgleichen. Die Kommunen leisten Herausragendes und haben Pla­nungssicherheit verdient.

Die Kürzung wiegt umso schwerer, da sich der Bund zwar nun mit mehr Mitteln an den Kosten für die Unterbringung und Integration beteiligt, aber nach wie vor nicht ausreichend strukturell. Eine finanzielle Unterstützung des Bundes, die sich an den tatsächlichen flüchtlingsbedingten Ausgaben orientiert, ist weiterhin nicht gegeben. Nur dies wird der Größe der aktuellen Her­ausforderung gerecht.

Dahingehend wahren in Nordrhein-Westfalen Land und Kommunen ihre Verantwortungsge­meinschaft für die Unterbringung und Versorgung Geflüchteter und haben ein Maßnahmenpa­ket zur gemeinsamen Bewältigung der Aufgaben vereinbart. Das Land stellt den Kommunen weitere 808 Millionen Euro zur Verfügung. Das Land verpflichtet sich außerdem, die Kapazi­täten im Landesaufnahmesystem bis Anfang 2024 um weitere 3.000 Plätze netto auszubauen. Schließlich werden durch eine Anpassung des Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) in Landeseinrichtungen untergebrachte Flüchtlinge in Zukunft vollständig auf die Aufnahmeverpflichtun­gen der Kommunen angerechnet.

Menschen in Not zu helfen ist wesentlicher Teil unserer humanitären Verantwortung. Dieser Aufgabe gerecht zu werden, verlangt den Schulterschluss von Bund, Ländern und Kommunen. Die Zukunftskoalition von CDU und GRÜNEN erwartet, dass der Bund seiner Verantwortung für das Gemeinwesen gerecht wird und seine Zusage einhält, Erstorientierungskurse als Basis für einen gelungenen Integrationsprozess qualitativ und quantitativ stärken.

II. Beschlussfassung
Der Landtag stellt fest:

  • Erstorientierungskurse für die geflüchteten Menschen sind die Basis für einen gelunge­nen Integrationsprozess. Die bleibend hohen Zugangszahlen erfordern zwingend eine qualitative und quantitative Stärkung.
  • Die geplanten Kürzungen im Etat des Bundes gefährden die Fortführung von Integrati­onskursen und das Gelingen der Integration.
  • Der Bund wird seiner Verantwortung nicht gerecht und beteiligt sich noch immer nicht strukturell an den flüchtlingsbedingten Kosten. Gleichzeitig bedeutet eine Reduzierung der Mittel für Erstorientierungskurse, dass Länder und Kommunen weitere Aufgaben in der Integration von Flüchtlingen durch den Bund aufgebürdet bekommen.
  • Das von der Landesregierung und Kommunalen Spitzenverbänden vereinbarte Maßnah­menpaket ist ein zu begrüßender Schulterschluss staatlicher Ebenen und dient der Wah­rung der Verantwortungsgemeinschaft zur Unterbringung, Versorgung und Integration Geflüchteter.

Der Landtag beauftragt die Landesregierung,

  • sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen, dass die geplanten Kürzungen für Erstorientierungskurse zurückgenommen werden.
  • sich gegenüber dem Bund für eine Umsetzung der Beschlüsse von Bundeskanzler und Regierungschefs der Länder einzusetzen, Integrationskurse quantitativ und qualitativ zu stärken.
  • sich weiterhin für eine ausreichend strukturelle Beteiligung des Bundes an den tatsäch­lich entstandenen Kosten für die Versorgung und Integration der Geflüchteten einzuset­zen.