Dampf machen beim Kohleausstieg – Landesregierung muss endlich eigene Verantwortung wahrnehmen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Wibke Brems 5-23

I.       Ausgangslage
Seit mehr als sieben Monaten liegt der Endbericht der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung mit einem Kompromissvorschlag für den geordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung vor. Dieser Beitrag zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele ist vor dem Hintergrund stagnierender Treibhausgas-Emissionen lange überfällig, wird allein aber nicht ausreichen, um die Zusagen von Paris einhalten zu können. Weitere mutige Schritte müssen folgen. Schnelles und umfassendes Handeln ist, vor dem Hintergrund einer sich dramatisch beschleunigenden Klimakrise, dringend nötig. Jedoch streitet die Große Koalition in Berlin immer noch über die Maßnahmen, von Klimaschutzgesetz über CO2-Bepreisung bis Kohlekompromiss. So stellt das Tempo mit dem die Empfehlungen seitdem von der Bundesregierung geprüft und angegangen werden nicht zufrieden. Die mit dem Kohlekompromiss angestrebte Befriedung des gesellschaftlichen Großkonfliktes um die Kohle wird damit gefährdet. Zwar wurde Ende August endlich der Gesetzesentwurf für ein Strukturstärkungsgesetz im Bundeskabinett beschlossen, doch scheint eine gesetzliche Grundlage für den vollständigen Ausstieg aus der Kohleverstromung immer noch in weiter Ferne. Wie die geforderten Anpassungen der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen ausgestaltet werden sollen ist weiterhin vollkommen unklar.
Während in Berlin auf der Stelle getreten wird, ist der Hambacher Wald noch immer nicht dauerhaft gesichert, sondern ist durch den heranrückenden Tagebau auch ohne Rodungen in seiner Existenz gefährdet. Gleichzeitig wird die Infrastruktur in Umsiedlungsdörfern weiterhin zerstört, obwohl diese aller Voraussicht nach nicht mehr dem Braunkohleabbau weichen müssten – eine kaum zu ertragende Sinnlosigkeit. Viele Menschen sind weiterhin in Unsicherheit über ihre persönliche und die Zukunft der Region. An der politischen Lethargie in Berlin darf sich die Landesregierung aber kein Beispiel nehmen oder sie als Ausrede für eigenes Nichtstun nutzen. Die Landesregierung muss sich stattdessen auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die notwendigen Gesetze für die Abschaltung von Kraftwerken schnellstmöglich verabschiedet werden, auch wenn sie nicht selbst an den Verhandlungen mit den betroffenen Kohlekonzernen beteiligt ist. Daneben muss sie aber auch ihre landespolitischen Spielräume nutzen, die durchaus auch kurzfristig bestehen. Diese erschöpfen sich nicht in der Auswahl von Projekten zur Förderung über das Sofortprogramm, sondern gehen weit darüber hinaus.
Die Landesregierung lässt ihre Handlungsspielräume bewusst ungenutzt. Mit dieser Untätigkeit schafft sie keine Zuversicht auf eine bessere Zukunft der Region, sondern gefährdet den Erfolg des Strukturwandelprozesses. Folgende Aufgaben muss die Landesregierung umgehend angehen:

1.  Dauerhafte Sicherung des Hambacher Waldes

Die Landesregierung muss kurzfristig und unabhängig von den Ergebnissen der Verhandlungen zwischen Bund und RWE eine dauerhafte Bestandsgarantie für den Hambacher Wald aussprechen. Eine Befriedung des Konfliktes um den Hambacher Wald wird nur mit einer solchen möglich sein. Schließlich sollte der Wald in eine öffentliche Stiftung überführt werden.

2.  Abrissstopp in den Umsiedlungsdörfern

Mehr und mehr Studien zeigen, dass bei Umsetzung der Kommissionsempfehlungen ein gleichzeitiger Erhalt des Hambacher Waldes und der bislang zur Umsiedlung vorgesehenen Ortschaften mit dem Restkohlebedarf der Braunkohlenkraftwerke vereinbar wäre. RWE bestreitet dies bislang und zerstört selbst die Orte, die in unmittelbarer Nähe zum Hambacher Wald liegen.
Durch die Antworten auf insgesamt 24 Kleine Anfragen zum Restkohlebedarf in den Kraftwerken Niederaußem und Neurath bis zum endgültigen Braunkohleausstieg wurde, bei der Gegenüberstellung des von uns berechneten Mengengerüsts mit den durch die Landesregierung von RWE erfragten Zahlen, klar, dass nur noch höchstens ein Drittel der in den Tagebauen Hambach und Garzweiler vorhandenen Braunkohle benötigt wird. Die Landesregierung darf nicht auf Entscheidungen der Bundesregierung warten, sondern muss auf der Grundlage eigener Untersuchungen, des Landesplanungsrechtes und des Bergrechtes jetzt rechtliche Maßnahmen ergreifen, um die bestehenden Abbaugrenzen räumlich so einzuschränken, dass Hambacher Wald und Dörfer erhalten bleiben können. Sie muss sicherstellen, dass keine weiteren unwiederbringlichen Schäden an Umwelt und Eigentum sowie der Verlust an Heimat entstehen, welche aufgrund der geringeren benötigten Kohlemenge vermieden werden könnten.
Um nicht weiterhin zuzulassen, dass RWE unumkehrbare Fakten schafft, muss die Landesregierung endlich und unverzüglich die Abrissgenehmigungen aussetzen, damit die weitere Zerstörung der von Tagebauen bedrohten Dörfer verhindert werden kann. Denn es ist unverantwortbar, jetzt Bäume zu fällen und Infrastrukturen zu zerstören, die letztlich doch noch genutzt werden könnten. In Morschenich möchten die ersten ehemaligen Bewohner ihre Häuser zurückkaufen, weil sie überzeugt sind, dass der Ort bleiben kann.
Gleichzeitig sollten Planungen für neue Infrastrukturen dahingehend überarbeitet werden, dass durch eine Verkleinerung der Abgrabungsgebiete ein besserer Schutz der Anwohnerinnen und Anwohner durch größere Abstände zwischen Tagebaukante und Wohnhäusern gewährleistet wird.

3.  Ein echtes Leitbild für den Strukturwandel

Nicht nur die Menschen in den Umsiedlungsdörfern haben es verdient, möglichst schnell Gewissheit über ihre Zukunft zu bekommen. Auch die restliche Region braucht einen Kompass, wo es hingehen soll. Die Landesregierung verkennt, dass die Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) in ihrer jetzigen Ausgestaltung weder die Region als Ganzes repräsentiert, noch aktuell in der Lage scheint, diesen Prozess ohne Unterstützung der Landesregierung zu organisieren. Daher muss sich die Landesregierung aktiv in den Prozess einer Leitbildentwicklung für den Strukturwandel im Rheinischen Revier einbringen.
Die bisherigen von der Landesregierung veröffentlichen Stichpunkte werden weder den Anforderungen an ein Leitbild noch dem Anspruch beispielgebend für nachhaltige Entwicklung zu sein, gerecht. Der Strukturwandel im Rheinischen Revier wird kein Erfolg werden, wenn die Landesregierung weiterhin ausschließlich auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze setzt und glaubt, die Beteiligung könnte auf Ebene der Landkreise enden. Neben nachhaltigen Wirtschaftsstrukturen, braucht die Region nach Jahren der gesellschaftlichen Spaltung durch die Braunkohle, Projekte, Orte und Strukturen um wieder zusammenzufinden. Genauso ist ein Paradigmenwechsel im Umgang mit der Natur der Region notwendig. Nach Jahrzehnten der Umweltzerstörung, muss die Region beispielgebend werden für eine umweltschonende Regionalentwicklung. Auch Bürgerinnen und Bürger und andere Akteure der Zivilgesellschaft der Region müssen die Möglichkeit erhalten, die Prozesse mitzugestalten und auch Strukturmittel für nicht-wirtschaftliche Projekte beantragen zu können, wie es im Kommissionsbericht festgehalten wurde.

4.  Kriterien und Prozesse für die Vergabe von Strukturmitteln

Die Vergabe der Strukturfördermittel muss transparenten Kriterien folgen und nach einem klaren Prozess organisiert werden, der alle relevanten Stakeholder miteinbezieht und gleichzeitig die Unabhängigkeit der Entscheidungen sicherstellt. Sowohl die Kriterien, nach welchen ge- fördert werden kann, als auch die folgenden Prozesse sollten von der Landesregierung bereits jetzt entwickelt werden, um von Beginn an die Fördermittel sinnvoll einzusetzen.
Aus unserer Sicht sollte der Vergabeprozess dazu in drei Schritten erfolgen: Zunächst steht die Landesregierung in der Verantwortung, in Zusammenarbeit mit den Akteuren in der Region und mit wissenschaftlicher Unterstützung geeignete räumliche, ökonomische und ökologische Kriterien für den Zugang zu Strukturfördermitteln zu definieren und vorzulegen. Anhand dieser Kriterien müssen die vorgeschlagenen Förderprojekte durch eine unabhängige Stelle bewertet werden. Auf dieser Grundlage muss die Bewilligung von Fördermitteln transparent und im Benehmen mit den Kreisen und Gemeinden im Rheinischen Revier erfolgen.

5.  Ausbau Erneuerbarer Energien in NRW

Die Landesregierung hat sich öffentlich wiederholt zu einer „eins-zu-eins“-Umsetzung des Kohlekompromisses bekannt. Dieser fordert explizit den Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent der Stromerzeugung bis 2030. Dazu wird auch NRW einen erheblichen Beitrag leisten müssen, der durch die aktuelle Politik der Landesregierung jedoch verunmöglicht wird. Wir erwarten daher, dass die Landesregierung die Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren, gerade für die Windenergie, deutlich verbessert. Zudem sollte sie Maßnahmen entwickeln, um den Ausbau Erneuerbarer Energien in den Kohleregionen zu vereinfachen.

II.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

1.      eine dauerhafte Bestandsgarantie für den Hambacher Waldes auszusprechen;
2.      die Zerstörung in den Umsiedlungsdörfern durch RWE umgehend zu unterbinden und Maßnahmen zu ergreifen die den gleichzeitigen Erhalt des Hambacher Waldes und der bislang zur bergbaulichen Inanspruchnahme vorgesehen Ortschaften ermöglichen.
3.      kurzfristig in den von Ministerpräsident Laschet versprochenen Dialog mit den Umsiedlerinnen und Umsiedlern und den zivilgesellschaftlichen Akteuren der Region über die Zukunft der Dörfer einzutreten und eine Leitentscheidung vorzubereiten, die sich mit einer minimalen Ausdehnung der Abbaugrenzen am tatsächlichen Bedarf für die Verstromung orientiert;
4.      die bisherigen Stichpunkte unter Beteiligung der Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Akteure im Rheinischen Revier zu einem umfassenden Leitbild für den Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter zu entwickeln, welches wie von der Bundesregierung gefordert, den Anforderungen an eine Nachhaltige Entwicklung gerecht wird und aus welchem sich eine Umsetzungsstrategie mit messbaren Zielen ableiten lässt;
5.      darauf basierende Kriterien und Prozesse zu erarbeiten für die Vergabe der Finanzhilfen, die sowohl den Wunsch der Region nach Beteiligung an der Projektauswahl berücksichtigen, als auch die Unabhängigkeit der Förderentscheidung sicherstellen;
6.      den Ausbau Erneuerbarer Energien, besonders der Windenergie, kommunikativ und durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen und spezielle Anreize und Erleichterungen in den Kohleregionen zu entwickeln.