Betriebs- und Emissionsdaten für das rheinische Braunkohlekraftwerk Neurath A (Abbaugebiete Garzweiler und Hambach) offenlegen

Kleine Anfrage von Johannes Remmel, Wibke Brems und Horst Becker

Portrait Wibke Brems 5-23

Zu weiteren Kraftwerkblöcken in Neurath und Niederaußem gibt es analoge Anfragen.
Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2177 vom 21. März 2019 der Abgeordneten Johannes Remmel, Wibke Brems und Horst Becker (Drucksache 17/5921) erfüllt aus unserer Sicht nicht die Anforderungen, die sich aus dem „Priggen-Urteil“ ergeben.
In einem Organstreitverfahren hatte der damalige NRW-Landtagsabgeordnete Reiner Priggen gegen die Landesregierung Nordrhein-Westfalen geklagt. Er beantragte darin, festzustellen, dass die Antragsgegnerin ihm zustehende Informationsansprüche, u.a. im Zusammenhang mit den finanziellen Lasten für das Land aus den Steinkohlebeihilfen, nicht oder nur teilweise erfüllt habe. Der Verfassungsgerichtshof (VGH) für das Land Nordrhein-Westfalen gab dem Abgeordneten Priggen in seinem Urteil vom 19. August 2008 (Landtagsvorlage 14/2019) in einigen wesentlichen Punkten recht.
So stellt der VGH in seiner Urteilsbegründung (Vorlage 14/2019 – S. 29) unmissverständlich fest:
„Der in Art. 30 Abs. 2 LV NRW gewährleistete Status des Abgeordneten schließt einen grund- sätzlichen Anspruch auf vollständige und zutreffende Beantwortung seiner an die Landesregierung gerichteten parlamentarischen Anfrage ein […].“
Das Anfragerecht erstrecke sich lt. VGH-Urteil auf alle Bereiche, für welche die Regierung zuständig sei, was nicht nur das Regierungshandeln im engeren Sinne betreffe, sondern es umfasse „darüber hinaus alle Gegenstände, für welche die Regierung unmittelbar oder mittelbar zuständig […]“ sei (S. 30).
Weiter heißt es: „Kontrollobjekt sind somit sowohl die von der Regierung selbst wahrgenom- menen Aufgaben als auch der von ihr verantwortete Aufgabenbereich. Das parlamentarische Fragerecht bezieht sich folglich auf jede politische Angelegenheit, in der die Regierung oder eines ihrer Mitglieder tätig geworden ist oder kraft rechtlicher Vorschriften tätig werden kann. Unerheblich ist insoweit, ob die Regierung sich der Handlungsformen des öffentlichen oder des privaten Rechts bedient. Auch privatwirtschaftlich organisierte öffentliche Unternehmen können daher Gegenstand parlamentarischer Anfragen sein.“ (a.a.O.)
Dies sei z.B. der Fall, „ […] wenn der Staat […] mit einem privaten Unternehmen im eigenen Interesse funktional verzahnt ist und einen entsprechenden Einfluss ausübt.“ (ebda.)
Dieser Fall wurde vom VGH hinsichtlich der RAG AG als gegeben festgestellt, da zwischen den Geschäftsinteressen und den energiepolitischen Belangen ein direkter Zusammenhang, eine „Verzahnung“ bestehe.
Zitat aus der VGH-Begründung:
„Zwar ist das Unternehmen rein privatwirtschaftlich organisiert und der Staat an ihm kapitalmäßig nicht beteiligt. Seine Geschäftstätigkeit weist jedoch einen intensiven öffentlichen Bezug auf. Die RAG AG hat auf dem Gebiet des nationalen Steinkohlebergbaus eine monopolartige Stellung inne. Ihren diesbezüglichen Aktivitäten kam daher über Jahrzehnte hinweg eine herausragende Bedeutung für die Erfüllung der (gesamt-)staatlichen Aufgabe der Energiesicherung zu.“ (S. 34)
Die Bedeutung, die der RAG AG in Sachen Steinkohle zukam, hat die RWE Power AG in der Energieversorgung durch Braunkohle. Auch hier gibt es eine Monopolstellung im rheinischen Revier, auch hier sind die Interessen der Energiewirtschaft und die der Landesregierung eng verzahnt.
Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht nicht ausreichend, dass die Landesregierung in ihren Antworten auf die vier Einzelfragen in der Kleinen Anfrage 2177 lediglich konstatiert, dass ihr weder „Stromproduktionsdaten“ (Frage 1) noch „detaillierte Daten zum tatsächlichen Kohleverbrauch“ (Fragen 2 und 3) noch „blockspezifische Angaben zu den tatsächlichen CO2-Emissionen“ (Frage 4) vorliegen. Vor dem Hintergrund des berechtigten Informationsinteresses der anfragenden Abgeordneten kann die Landesregierung die angefragten Daten auf unterschiedlichen Wegen erschließen oder erfassen, z.B. durch eigene Unterlagen (Genehmigungsentscheide, Emissionsberichte, etc.) oder schlicht beim Unternehmen erfragen. Sollten aus Sicht der Landesregierung entgegen unserer Auffassung Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sein, bietet die Verschlusssachenordnung des Landtags Nordrhein-Westfalen ausreichend Möglichkeiten dem Informationsrecht der Abgeordneten trotzdem nachzukommen.
Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung verpflichtet ist, die gewünschten Informationen zu erfragen bzw. auf der Grundlage der bislang den Genehmigungs- bzw. Immissionsschutzbehörden vorliegenden Daten zu erschließen und den Fragestellerinnen und Fragestellern zugänglich zu machen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1.       Wie viele TWh Strom wurden in den Jahren 2014 – 2018 jeweils durch das Kraftwerk Neurath A (Der Block A des Braunkohlekraftwerks Neurath (294 MW), Baujahr 1972, Wirkungsgrad (elektrisch) ca. 34%, hat einen spezifischen Kohleverbrauch von 1,2 kg/kWh (oder umgerechnet 1,2 Mio. t/TWh)) erzeugt?
2.       Wieviel Braunkohle wurde im Kraftwerk Neurath A in den Jahren 2014 – 2018 jeweils verbraucht?
3.       In wieweit ist mit größeren Abweichungen des Kohleverbrauchs im Kraftwerk Neurath A in der Zukunft zu rechnen?
4.       Wie hoch ist die in dem immissionsrechtlichen Genehmigungsbescheid – einschließlich etwaiger späterer Änderungen – festgelegte jährliche Verbrennungsmenge (Jahresleistung) des Braunkohlekraftwerks Neurath A?
5.       Wie hoch waren die CO2-Emissionen des Kraftwerks Neurath (allgemein bezogen auf den Kraftwerksstandort und spezifisch durch den Kraftwerksblock A) gemäß der jährlichen Emissionsberichte in den Jahren 2014 bis 2018?