25 Jahre Post-Apartheid: NRW-Südafrika-Partnerschaft für Frieden, Demokratie und nachhaltige Entwicklung stärken!

Antrag der GRÜNEN im Landtag und der Fraktion der SPD

Portrait Berivan Aymaz 2021

Die ersten freien und demokratischen Wahlen in der Republik Südafrika im April 1994 gelten als Geburtsstunde des neuen Südafrika, das die Apartheid überwunden hat und als Regenbogen-Nation zum Symbol einer friedlichen Zukunft Afrikas werden wollte. Für die meisten Südafrikanerinnen und Südafrikaner waren diese ersten freien Wahlen vor 25 Jahren mit großen Erwartungen und Hoffnungen verbunden. Die Wahlbeteiligung lag bei 87 Prozent.
Ein Jahr später unterzeichnete die nordrhein-westfälische Landesregierung das erste „Memorandum of Understanding“ mit der südafrikanischen Provinz Mpumalanga. Durch diese Partnerschaft wollte Nordrhein-Westfalen seine Solidarität mit dem neuen Südafrika zum Ausdruck bringen und die friedliche Transformation in ein liberales, demokratisches Gemeinwesen unterstützen.
Ein Blick auf die Entwicklung des Landes seit 1994 ergibt ein differenzierteres Bild. In der Gesamtbetrachtung ist Südafrika ein erfolgreicher Friedensprozess gelungen. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete der weiße Bürgerrechtler Denis Goldberg. Der politische Kampfgefährte Nelson Mandelas ist eng mit Nordrhein-Westfalen verbunden und wurde 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Entscheidend trug dazu auch die „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ unter dem Vorsitz des Friedensnobelpreisträgers Erzbischof Desmond Tutu bei, die von 1996 bis 1998 unter dem Motto „vergeben, aber nicht vergessen“ den Prozess der Aussöhnung und Wiedergutmachung vorangetrieben hat.
Bis heute scheint jedoch die Spaltung des Landes nicht wirklich überwunden. Soziale und wirtschaftliche Probleme, schlechte Regierungsführung und die in der Ära des Präsidenten Jacob Zuma (2009-2018) um sich greifende Korruption haben das Land destabilisiert. Dem African National Congress (ANC) ist es zwar gelungen, die Armutsquote zu senken und eine bessere Versorgung mit Wasser und Elektrizität sicherzustellen, doch diese Fortschritte sind wieder in Gefahr. Der Anteil der Armen stagniert auf einem hohen Niveau, die Arbeitslosigkeit ist  hoch  und  betrifft  weit  überdurchschnittlich  die  schwarze  Bevölkerung.  Schwarze und „coloured“   sind  beim  Zugang   zum   Bildungssystem   weiterhin   benachteiligt. Insgesamt erscheint das Land in einer fragilen wirtschaftlichen und sozialen Situation. Nach wie vor gibt es ungleiche Lebenschancen für die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen.
Die Stabilität Südafrikas ist auch für die internationale Gemeinschaft von großem Interesse. Das Land hat auf dem afrikanischen Kontinent eine wichtige politische und wirtschaftliche Rolle inne. Es engagiert sich für die friedliche Beilegung innerafrikanischer Konflikte und die Stärkung transnationaler afrikanischer Organisationen wie der Afrikanischen Union (AU) und der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (Southern African Development Community, SADC). In internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen versteht Südafrika sich als Vertreter der Interessen des Globalen Südens.
Mitten in dieser fragilen Phase werden in diesem Jahr am 8. Mai Wahlen abgehalten. Auch wenn die wachsende Unzufriedenheit mit dem African National Congress nach aktuellen Prognosen für deutliche Stimmverluste des ANC sorgen wird, ist nicht mit einer grundlegenden Änderung der Machtverhältnisse zu rechnen – zumal Zumas Nachfolger Cyril Ramaphosa, der Spitzenkandidat des ANC, vielen Südafrikanern als Hoffnungsträger gilt. Vor allem die Zivilgesellschaft steht für ein demokratisches, vielfältiges und buntes Südafrika und die Verteidigung der Werte der Post-Apartheid-Ära und ist somit ein wichtiges Korrektiv für die Fehlentwicklungen der Jahre unter den Präsidenten Mbeki und Zuma.
Vor diesem Hintergrund ist es heute wichtiger denn je, die Kooperation zwischen Nordrhein- Westfalen und Südafrika für eine friedliche, demokratische und nachhaltige Entwicklung in Südafrika entschlossen zu unterstützen und die in Jahrzehnten gewachsenen freundschaftlichen Kontakte weiter ausbauen.
Nach fast 25 Jahren Zusammenarbeit mit Südafrika sind die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Bande zwischen NRW und Südafrika immer enger und vielseitiger geworden. Eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen, Kirchengemeinden, Unternehmen, Kommunen und Bildungsinstitutionen pflegen Austausch und Kooperation.
Was mit der Partnerschaft Nordrhein-Westfalens mit der Provinz Mpumalanga begann, hat sich in dem 2015 aus dem Mpumalanga-Forum hervorgegangenen „Südafrika-Forum NRW“ zu einer breiten und vielfältigen, auf ganz Südafrika bezogenen Kooperation entwickelt. Mitglieder dieses Forums sind über 100 Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Das Forum wird durch die „Fachstelle Südafrika“ unterstützt.
Die Projekte, die gemeinsam durch Akteure aus NRW und Südafrika realisiert werden, tragen auch zur Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele bei – insbesondere zu den Zielen Bildung (SDG4), nachhaltige Produktion (SDG12), nachhaltige Landwirtschaft (SDG2 und 15), Beseitigung von Ungleichheiten (SDG 10) und internationale Partnerschaften (SDG17).
Auf dieser Basis muss es vorangehen. Gerade jetzt braucht Südafrika unsere besondere Unterstützung und Solidarität. Die Kooperation mit Südafrika sollte vor allem in den Bereichen Klimaschutz, erneuerbare Energien, gute Regierungsführung, soziale Anliegen wie Armutsbekämpfung und Gesundheitsförderung, Ökologie, Strukturwandel, nachhaltige Wirtschaftssysteme und Kultur verstärkt werden. Dies sollte unser gemeinsamer Beitrag für eine friedliche, sozial-ökologische und menschenrechtsbasierte Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 sowohl in NRW als auch Südafrika sein.
Dabei kommt es besonders auf die Jugend beider Länder an. Die sogenannte „Born Free Generation“ in Südafrika ist in Freiheit geboren. Sie will ein Leben in Freiheit, Vielfalt, Demokratie – und eine Zukunft, in der die Menschenrechte geachtet, soziale Gerechtigkeit ermöglicht und die natürlichen Ressourcen und das Klima geschützt werden. Auch den
Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen sind diese Werte und Ziele wichtig. Freiwilligendienste und das Programm „Konkreter Friedensdienst“ ermöglichen diesen jungen Menschen, sich zu vernetzen und sich gemeinsam für ihre Zukunft zu engagieren.
Der Landtag würde es daher begrüßen, wenn der Landtagspräsident anlässlich 25 Jahren NRW-Südafrika-Freundschaft einen „Südafrika-Tag“ im Parlament veranstaltet, auf dem die bisher durchgeführten Projekte vorgestellt werden. Zudem sollten die Akteure, die seit Jahren in der Partnerschaft aktiv sind, die Möglichkeit erhalten, aus ihrer Perspektive über die Partnerschaft zu berichten. Auch Akteure aus Südafrika sollten dazu eingeladen werden.

Der Landtag beschließt:

·          die bestehenden Aktivitäten und Projekte mit Südafrika zu bündeln und voranzutreiben. Dazu soll die Landesregierung gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, und Kommunen eine Südafrika- Strategie entwickeln und ein Konzept zu deren Umsetzung erarbeiten. Daran sollten
z. B. mitarbeiten: das Südafrika-Forum, die Fachstelle Südafrika, Engagement Global NRW, die Handwerkskammer NRW, NRWalley (Regionalgruppe Startup- Verband) und IHK Mittlerer Niederrhein. Strategie und Konzept sollen darstellen, wie die wertvolle, über Jahre gewachsene Beziehung weiterentwickelt werden kann, um die globalen Nachhaltigkeitsziele partnerschaftlich umzusetzen. Die NRW- Südafrika-Partnerschaft soll weiterhin ein zentrales Element der Eine-Welt-Strategie des Landes sein.
·         Begegnungs- und Reverse-Aktivitäten zu stärken, damit mehr Menschen aus Südafrika die Möglichkeit haben, in NRW gemeinsam mit NRW-Bürgerinnen und Bürgern in Projekten zu arbeiten. Junge Menschen sind dabei besonders in den Fokus zu nehmen. Zu prüfen sind auch Maßnahmen, wie die Gruppe der Senioren vermehrt teilnehmen kann.
·          einen Überblick über Partnerschaften mit Städten zu erhalten und diese zu intensivieren, z. B. in Form von Schulpartnerschaften oder sog. kommunaler Klimapartnerschaften.
·          die Landesregierung damit zu beauftragen, unter Einbezug der relevanten Akteure (u. a. DWNRW-Hubs, NRWalley) zu prüfen, ob ein Förderprogramm nach Vorbild von „Innovationscamp BW Silicon Valley“ im Interesse beider Länder ist und bei positivem Ergebnis ein entsprechendes Programm aufzulegen, das südafrikanischen Startups und jungen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, das nordrhein-westfälische Startup-Ökosystem kennenzulernen und Netzwerke in NRW aufzubauen.
·          den kulturellen Austausch zu verstärken. Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten soll ermöglicht werden, gemeinsame Kulturprojekte zu starten. Hierbei soll auch der Austausch im Bereich der Erinnerungs- und Versöhnungskultur gefördert werden.