Kommunalinfo: Unterbringung von Geflüchteten: die aktuellen Zahlen und unsere Initiativen auf Landesebene

Portrait Gönül Eglence
Portrait Gregor Kaiser - klein
Portrait Benjamin Rauer

der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, aber auch Krisen und Kriege in anderen Ländern haben dazu geführt, dass mehr Menschen auf der Flucht sind. Die Folgen betreffen auch uns in NRW, denn auch hier kommen derzeit mehr Geflüchtete an. Mit dieser Kommunalinfo wollen wir euch über die aktuelle Situation insbesondere im Hinblick auf die Unterbringung informieren, euch die Positionen der Landtagsfraktion erläutern und euch bei der kommunalen Arbeit vor Ort unterstützen.

Wie ist die aktuelle Lage in NRW?

Das Land NRW und die Kommunen leisten ihren großen Beitrag für eine menschenwürdige Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten, die nach Deutschland kommen. Die in kurzer Zeit gestiegene Zahl an Geflüchteten ist dabei für alle Beteiligten eine große Herausforderung.

Mehr als 220.000 Menschen aus der Ukraine – für die derzeit eine Sonderregelung ohne Asylverfahren gilt – haben seit Beginn des Angriffskriegs auf das gesamte Land in NRW Zuflucht gefunden. Dazu kommen rund 31.000 Menschen aus anderen Herkunftsländern, die allein von Januar bis Juli dieses Jahres einen Asylantrag gestellt haben und in NRW untergebracht sind (Alle Zahlen Stand: 17.8.). Die häufigsten Herkunftsländer sind dabei Syrien, Afghanistan, die Türkei und der Irak. Die aktuelle Prognose geht von insgesamt 60.000 Anträgen in diesem Jahr aus. Für das Folgejahr zeichnet sich aufgrund der vielen verschiedenen Krisenlagen in der Welt kein Rückgang bei den Erstanträgen ab. Die meisten Menschen, die zu uns kommen, haben ein Recht auf Schutz, haben ein Recht darauf, hierzubleiben. Die Anerkennungsquote liegt bei etwa 70 Prozent. Unter den Übrigen stehen bei einer Vielzahl der Personen einer Rückführung häufig Gründe entgegen, wie zum Besipiel, dass Herkunftsländer nicht zurücknehmen.

Was ist die Rolle des Landes bei der Unterbringung?

Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) hat die Kapazitäten für die Unterbringung von Geflüchteten seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 verdoppelt auf derzeit rund 31.000 Plätze. In den Landesunterkünften werden Asylsuchende aufgenommen, während sie ihr Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchlaufen. Das Land betreibt dabei zwei Arten von Einrichtungen: Fünf Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) mit derzeit 6590 Plätzen und 28 Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE) sowie zwölf Notunterkünfte mit aktuell insgesamt 24.190 Plätzen. Die Bezirksregierungen prüfen derzeit eine Vielzahl weiterer Liegenschaften, darunter auch Freiflächen und Erweiterungsmöglichkeiten bestehender Landeseinrichtungen.

Eine Zuweisung und Weiterleitung von Geflüchteten an die Kommunen erfolgt in der Regel erst dann, wenn ein BAMF-Bescheid vorliegt oder die Dauer der Wohnverpflichtung in einer Landeseinrichtung abgelaufen ist. Diese kann bis zu 24 Monate betragen; minderjährige Geflüchtete und ihre Sorgeberechtigten werden bereits nach sechs Monaten kommunal zugewiesen.

Da derzeit immer mehr Menschen zu uns kommen, sind auch die Landeseinrichtungen fast voll belegt. Daher wird ein Teil der Menschen schneller den Kommunen zugewiesen – sie kommen also früher in den Gemeinden und Städten an, wo viele von ihnen auch länger bleiben werden. Aus unserer Sicht kann die Integration der Menschen am besten in den Kommunen stattfinden. Daher haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass Familien mit Kindern und vulnerable Personengruppen drei Monaten und alle anderen Personengruppen möglichst nach sechs Monaten in die Kommunen zugewiesen werden sollen. 

Wir schöpfen also das gesetzliche Maximum des Verbleibs in Landeseinrichtungen nicht aus. Das ist auch in den vergangenen Jahren in angespannten Lagen in NRW immer wieder, insbesondere in den Herbstmonaten, so gewesen. Das Ministerium weist ausschließlich Menschen mit abgeschlossener Antragsstellung weiter und nimmt zudem besonders Menschen in den Fokus, die eine gute Bleibeperspektive haben. So wird die Landesregierung unter anderem bevorzugt Familien mit minderjährigen Kindern, die nach sechs Monaten ohnedies nach den gesetzlichen Regelungen kommunalen Einrichtungen zugewiesen werden müssen, schon nach vier Monaten zuweisen. Die schnellere Zuweisung hat zu Kritik aus einigen Kommunen geführt. Das Thema hat uns daher im Landtag in einer Aktuellen Stunde am 24. August beschäftigt.  

Ministerin Josefine Paul (Grüne) hat in dieser Woche in einem Sechs-Punkte-Plan dargelegt, wie das Land sein Aufnahmesystem stabilisieren, weiterentwickeln und die Kommunen noch stärker unterstützen will. Das Ministerium strebt dazu eine weitere schnelle Erhöhung der Unterbringungskapazitäten an. Um die Bereitschaft der Kommunen zur Unterstützung bei der Standortsuche zu erhöhen, werden die Plätze in Landeseinrichtungen künftig 1:1 für die Kommunen angerechnet. Das bedeutet, dass Städte und Gemeinden mit Landeseinrichtungen entsprechend weniger Menschen in kommunalen Einrichtungen unterbringen müssen. Dazu hat das Flüchtlingsministerium eine Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) in die Wege geleitet. Außerdem nimmt das Land alle Möglichkeiten zur Schaffung weiterer Kapazitäten, also auch kleinere Liegenschaften oder Freiflächen, in den Blick, um neue Plätze zu schaffen. Dies ist insbesondere für kleinere Kommunen leichter umzusetzen und auch aus integrationspolitischer Sicht seit langem Grüne Position.

Das Ministerium wird zudem stärker direkt in den Kontakt mit Kommunen bei der Bewertung von potenziellen Flächen für Einrichtungen gehen und die Möglichkeiten zentral und strategisch im Ministerium zu bewerten. Weil die Errichtung neuer Geflüchtetenunterkünfte auch die Menschen vor Ort vor Veränderungen stellt, sollen die Anwohnenden noch stärker und frühzeitig eingebunden werden.

Zu den weiteren von Ministerin Paul vorgelegten Initiativen gehört eine Verbesserung der Kommunikation mit den Menschen vor Ort, unter anderem durch Schulungen für Mitarbeitende der Bezirksregierungen, damit Unsicherheiten und Ängste angesprochen und im Optimalfall vor Ort abgebaut werden können, zum Beispiel indem bei Veranstaltungen die Fragen der Bürgerinnen und Bürger direkt, offen und verständlich beantwortet werden. Außerdem soll die Ehrenamtsstruktur vor Ort stärker einbezogen werden, etwa durch Beiräte.

Hier könnt ihr den gesamten Plan lesen.

Wie positioniert sich die Grüne Landtagsfraktion?

Die Unterbringung und Integration der Geflüchteten ist eine große Herausforderung für die Kommunen – zumal die Städte und Gemeinden derzeit vor einer Vielzahl von großen Aufgaben stehen. Das ist uns auf Landesebene bewusst. Wir danken allen Engagierten und sind froh, dass die Unterbringung und Versorgung an den allermeisten Orten – anders als mancherorts suggeriert – gut funktioniert. Allen Schutzsuchenden wollen wir einen menschenwürdigen Schutzraum zur Verfügung stellen.

Für uns ist wichtig, dass sich die demokratischen Parteien nicht gegeneinander ausspielen lassen. Bund, Land und Kommunen befinden sich in einer Verantwortungsgemeinschaft. Das Thema eignet sich nicht für parteipolitisches Taktieren. Daran erinnern wir auf Landesebene regelmäßig.

Die derzeitige Praxis der Zuweisungen, das rechtlich mögliche Maximum der Verweildauer in den Landeseinrichtung schlichtweg nicht auszureizen, geschieht planvoll. Vorrangig werden Menschen zugewiesen, die eine gute Bleibeperspektive haben. Von den Menschen, die aktuell zu uns kommen, haben mehr als 70 Prozent eine gute Bleibeperspektive. Sie werden zu Nachbarinnen und Nachbarn werden, zu Kolleginnen und Kollegen, zu Schul- und Kitafreund*innen – wir sind uns alle einig, dass wir alle von ihrer frühzeitigen Integration profitieren.

Unsere Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer hat an diesem Donnerstag auf die unredlichen Vorwürfe unter anderem aus SPD- und FDP-Landtagsfraktion im Plenum reagiert.

Die Rede findet ihr auf unserem Youtube-Kanal.

Was könnt Ihr lokal zusätzlich aktiv werden?

Wir wissen, dass Ihr vor Ort aktiv seid, um Geflüchtete und alle, die ihnen helfen, zu unterstützen. Wir wissen, dass Ihr schwierige Gespräche auf Euch nehmt sowie in Räten und Kreistagen Stellung bezieht, damit Schutzsuchende menschenwürdig aufgenommen werden, wir unserer humanitärer Verantwortung gerecht werden und rechtspopulistische Hetze nicht unwidersprochen bleibt. Wenn ihr hier Unterstützung und Austausch wünscht, kommt gerne auf unseren Sprecher für Flucht der Landtagsfraktion, Benjamin Rauer, zu.

Wir nutzen unsere Regierungsbeteiligung dazu, das Anrechnungssystem im Sinne der Kommunen zu verbessern. Jede*r Geflüchtete, die oder der in einer Landesunterkunft untergebracht wird, wird künftig 1:1 auf die Aufnahmeverpflichtung der Kommune angerechnet. Wenn Ihr vor Ort Flächen oder Liegenschaften identifiziert, die sich nach Eurer Einschätzung für Landesunterkünfte eignen, sind wir dankbar für Euer lokales Engagement und Hinweise an uns. Die Bezirksregierungen gehen dann in die Prüfung der Vorschläge auf Grundlage von Vorschriften und Regelungen zur Unterbringung. Diese sind notwendig, um Unterbringungssituationen zu vermeiden, wie sie 2015/2016 oftmals der Fall waren.

Dem oben erwähnten Sechs-Punkte-Plan könnt Ihr entnehmen, dass das Flüchtlingsministerium auch Maßnahmen plant, um den Austausch und die Information vor Ort zu verbessern. Solltet Ihr hierzu oder zu einem anderen Aspekt Fragen haben, meldet Euch sehr gerne bei uns.

 

Mit grünen Grüßen
Euer integrationspolitisches Team
Benjamin Rauer, Gönül Eğlence, Gregor Kaiser