Kommunalinfo: Überfällige FlüAG-Reform enttäuscht Kommunen

Mehrdad Mostofizadeh
Portrait Berivan Aymaz 2021

Liebe Leserinnen und Leser,

kurz vor Ende der Legislaturperiode hat die schwarz-gelbe Landesregierung nun endlich die Reform des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG) verabschiedet.

Seit Jahren warten die Kommunen auf eine finanzielle Kompensation und Erhöhung der Pro-Kopf-Pauschale zur Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. Die Notwendigkeit wurde bereits 2018 durch das Lenk-Gutachten festgestellt.

In zahlreichen Anträgen haben wir zuvor die Landesregierung zum Handeln aufgefordert. Im November 2020 legten wir, als Schwarz-Gelb weiter untätig blieb, einen eigenen Gesetzentwurf vor. Dieser greift sowohl die Empfehlung des Lenk-Gutachtens auf, zwischen Kreisangehörigkeit und -freiheit zu unterscheiden, als auch eine Einbeziehung der Mietstufen, um die Entlastung der Kommunen möglichst an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Die Weiterfinanzierung für Geduldete über drei Monate hinaus ist ebenfalls ein zentraler Aspekt unseres Vorschlags gewesen. CDU und FDP lehnten diesen ab, da fünf Minuten vor finaler Abstimmung der Gesetzentwurf der Landesregierung veröffentlicht wurde.

Die jetzt verabschiedete FlüAG-Reform der Landesregierung bleibt jedoch weit hinter unseren Forderungen zurück. Er orientiert sich zwar am Lenk-Gutachten, indem er zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Kommunen unterscheidet, aber die Höhe der angesetzten Pauschalen ist für viele Städte und Gemeinden immer noch nicht kostendeckend. Das bestätigten uns auch die kommunalen Sachverständigen in der Anhörung im Ausschuss.

Auch die Finanzierungsfrage rund um Geduldete geht die Landesregierung nur unzureichend an: Für sogenannte „Neugeduldete“ erhalten Kommunen, egal ob kreisangehörig oder nicht, pauschal und einmalig 12.000 Euro pro geduldeter Person. Damit können die Kommunen jedoch unterschiedlich lange die Unterbringung und Versorgung der Personen finanzieren. Gerade in Großstädten wie Köln oder Essen reicht diese Pauschale nicht, um eine Versorgung über 14 Monate hinweg kostendeckend zu finanzieren, so wie es Minister Stamp angekündigt hatte.

Für Geduldete, die schon vor dem 01.01.2021 einen Duldungsstatus erlangt haben, soll innerhalb von vier Jahren eine Ausgleichszahlung erfolgen, die auf die einzelnen Kommunen aufgeteilt wird (2021 und 2022 jeweils 175 Mio. Euro, 2023 und 2024 jeweils 100 Mio. Euro). Nachdem die Landesregierung fast drei Jahre gebraucht hat, um einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Kommunen die Kosten für die unzureichende Unterstützung von Geduldeten kompensiert, verlagert sie die finanzielle Mehrbelastung auf die Haushalte der kommenden drei Jahre mit einem dreistelligen Millionenbetrag.

Zudem reichen die Mittel bei weitem nicht, um die Kommunen angemessen zu unterstützen: In Köln werden damit nur knapp 50 Prozent der eigentlichen Kosten refinanziert. Besonders problematisch ist dabei, dass der Verteilschlüssel nur diejenigen Personen in den Blick nimmt, die in den Jahren von 2018 bis 2020 einen Duldungsstatus erhalten haben. Geduldete, die bereits über mehrere Jahre in den Kommunen wohnen, fallen damit durchs Raster. Auch hier ergibt sich eine große Schieflage für einige Kommunen.

Am Schluss sei Folgendes angemerkt: Land, Kommunen und soziale Akteure müssen zukünftig noch enger zusammenarbeiten, um die Bedingungen der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um die finanzielle Frage, sondern auch um Qualitätsstandards. Dezentrale Unterkünfte und ausreichende Beratungsangebote sind nicht notwendigerweise mit höheren Kosten verbunden, sorgen aber dafür, dass die geflüchteten Menschen schneller und besser Fuß in unserer Gesellschaft fassen.

Das zeigen etwa die dezentralen Unterbringungsmodelle in Leverkusen und Köln. Stattdessen wird in der Vereinbarung zwischen dem Integrationsministerium (MKFFI) und den kommunalen Spitzenverbänden, auf der diese Reform basiert, die finanzielle Unterstützung für die Versorgung von Geflüchteten mit der Erleichterung der Abschiebungen verknüpft. Dieses Vorgehen kritisieren wir scharf.

Trotz unserer Kritikpunkte haben wir uns beim FlüAG-Gesetzentwurf der Landesregierung enthalten, da auch das unzureichende Gesetz erhebliche finanzielle Verbesserungen für die Kommunen bringt. Gerade das macht deutlich, wie sehr die Landesregierung die Kommunen auch an dieser Stelle in den letzten Jahren benachteiligt hat. Wir wollen daher den Kommunen bei der Verbesserung, die mit der neuen Regelung einhergeht, nicht im Wege stehen.  Bitte prüft doch einmal in Eurer Kommune, welche Auswirkungen die neue FlüAG-Pauschale und das Finanzierungsmodell für Geduldete haben wird. Über eine Rückmeldung dazu freuen wir uns.

Für Rückfragen stehen wir und unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Arbeit, Migration und Flüchtlingspolitik, Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw,de; 0211-884 2276) und David Schichel, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunales, (david.schichel@landtag.nrw.de; 0211-884-2927) gerne zur Verfügung.

Beste Grüße