Kommunalinfo: Teilhabe- und Integrationsgesetz

Portrait Berivan Aymaz 2021

Liebe Freundinnen und Freunde,

kurz vor Jahresende konnten wir noch in einem interfraktionellen Einvernehmen aller demokratischen Fraktionen eine gemeinsame Einigung zur Novellierung des Teilhabe- und Integrationsgesetzes erzielen. Für NRW als Einwanderungsland, in dem ca. ein Drittel der Bevölkerung eine Einwanderungsgeschichte hat, ist es ein wichtiges Zeichen, das 2012 unter Rot-Grün verabschiedete Teilhabe- und Integrationsgesetz (TuIntG) fortlaufend mit breiter Mehrheit zu erneuern, um allen Menschen dieselben Teilhabechancen zu garantieren. Und somit ist es seit 20 Jahren gute Tradition im Bereich der Integrationspolitik, den Konsens der demokratischen Fraktionen zu suchen und zu schließen. Das jetzt verabschiedete Gesetz geht aber noch einen Schritt weiter und nennt nun auch explizit Personengruppen mit anderen Merkmalen als Migrationsgeschichte, etwa Menschen mit Behinderung, Frauen oder Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden, was zu deren Stärkung beträgt.

Wir konnten insgesamt in diesem Prozess noch wichtige Änderungen in den Gesetzentwurf der Landesregierung verhandeln, die wir hier kurz vorstellen und erläutern wollen:

Rassismussensibilität wird in §2 genauso wie interkulturelle Kompetenz als eine wichtige Komponente in Fort- und Weiterbildungsinhalte von Landesbeamtinnen und -beamten aufgenommen. Damit schaffen wir eine weitere präventive Maßnahme, um Diskriminierungen zu verhindern.

Wir begrüßen, dass mit dem neuen §7 Antidiskriminierung einen hohen Stellenwert im TIntG bekommt. Wir konnten mit durchsetzen, dass die Realität von  Mehrfachdiskriminierungen gesetzlich anerkannt wird. Ebenso verpflichtet sich das Land zukünftig nicht nur, den Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten, sondern richtet die Maßnahmen so aus, dass diese insbesondere präventiven Charakter und das Empowerment von Betroffenen zum Ziel haben. Dass die Förderung der Antidiskriminierungsstellen verstetigt wird, ist für uns ein begrüßenswerter Schritt, doch hätten wir gerne die Beratungsstrukturen noch mit einer Landesantidiskriminierungsstelle verstärkt. Diese könnte neben eigenen Forschungs- und Monitoringaufgaben auch wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Antidiskriminierungspolitik des Landes geben.

Denn bisher bieten unsere landesgesetzlichen Regelungen noch keinen flächendeckenden Diskriminierungsschutz.  Das Land ist verpflichtet, mindestens die Vorgaben der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien zu erfüllen. Jedoch belegt ein juristisches Gutachten, das wir als Grüne Fraktion bei Prof. Alexander Tischbirek in Auftrag gegeben haben, dass der gesetzliche Diskriminierungsschutz in NRW noch erhebliche Lücken aufweist. Dies betreffe insbesondere die Bereiche des Opferschutzes, die etwa durch die Einführung eines Verbandsklagerechts oder der Beweiserleichterung zugunsten von Betroffenen geschlossen werden müssten. Daher werden wir schon jetzt die notwendigen Vorarbeiten für ein  Landesantidiskriminierungsgesetz NRW  leisten.  Bei unserem Vielfaltskongress „Diversity matters – Anforderungen an ein Antidiskriminierungsgesetz für NRW“ am 17. November sind wir dieser Frage auch mit zahlreichen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Verbänden nachgegangen. Die Videoaufzeichnung des Kongresses kann hier abgerufen werden.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir verhandeln konnten, betrifft die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips in den Kommunen. Zukünftig sollen die Integrationskonzepte der Kommunen die Zusammenarbeit und Abstimmung mit freien Trägern vorsehen (§8). Wir begrüßen das Vorhaben, rechtskreisübergreifende Beratungsstrukturen zu schaffen, um ganzheitliche Teilhabemöglichkeiten für Neuzugewanderte zu schaffen. Für den Erfolg des sogenannten Kommunalen Integrationsmanagements ist es jedoch maßgeblich, dass behördliche und zivilgesellschaftliche Akteure zusammen an einem Tisch sitzen, um die Integrationsstrukturen vor Ort gemeinsam voranzutreiben. Hier sind wir auf Rückmeldungen von Euch in den Kommunen angewiesen, wie ihr die Etablierung der KIM-Strukturen bewertet. In Kürze werden wir dazu nochmal mit einer Anfrage auf Euch zukommen.

Ein Knackpunkt unserer Verhandlungen war die Frage, wie und wann Kinder im schulpflichtigen Alter in zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) Zugang zu Regelschulen bekommen. Die Landesregierung ließ sich nicht davon abbringen, die schulnahen Angebote in den ZUE gesetzlich festzuschreiben. Für uns war maßgeblich, das Recht auf Bildung als völkerrechtlich fest verankertes Menschenrecht mitaufzunehmen. Für uns Grüne ist das sogenannte schulnahe Bildungsangebot kein adäquater Ersatz für eine Regelschule. Mit den Kolleg*innen von CDU und FDP konnten wir uns zumindest auf die Formulierung einigen, dass das Land den Zugang zu Regelschulen nach den Bestimmungen des Schulgesetzes schnellstmöglich sicherzustellen hat.

Für Rückfragen stehen ich und unsere wissenschaftlichen Mitarbeiterin für Arbeit, Migration und Flüchtlingspolitik, Freya Kuhn (freya.kuhn@landtag.nrw,de; 0211-884 2276), gerne zur Verfügung.

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