Kommunalinfo: Schutz und Sicherheit für Menschen aus Afghanistan – Musterresolution für aufnahmebereite Kommunen

Portrait Berivan Aymaz 2021

Liebe Freundinnen und Freunde,

seit dem Abzug der internationalen Truppen haben die Taliban Afghanistan fest in der Hand. Nun sind mehrere Tausend Ortskräfte, Frauenrechtsaktivistinnen, Künstler*innen und Journalist*innen, die sich in den letzten Jahren für den Aufbau von demokratischen und freiheitlichen Strukturen in Afghanistan eingesetzt haben, direkt bedroht – sie müssen um ihr Leben bangen.

Die deutsche Evakuierungsaktion ist am 26. August beendet worden. Innerhalb von 11 Tagen wurden mit 34 Flügen 5.347 Menschen evakuiert. Den Bundeswehr-Soldatinnen und Soldaten, die diese Evakuierung unter schweren und gefährlichen Bedingungen ermöglicht haben, gilt unser großer Dank. Bitter ist, dass mehrere Tausend besonders gefährdete Menschen zurückgelassen wurden.

Auch die afghanische Community hier in NRW bangt um ihre Familienangehörigen oder um Arbeitskolleginnen und -kollegen, die noch in Afghanistan festsitzen. Ob und wie viele Menschen noch über Zivilflüge das Land unter der neuen Talibanherrschaft verlassen können, ist derzeit völlig unklar.

Diesen desaströsen Zustand, diese humanitäre Katastrophe, hat die Bundesregierung mitzuverantworten, die sich aus rein innenpolitischem Kalkül heraus bewusst viel zu lange der Realität in Afghanistan verweigert hat. Alle Appelle von uns Grünen und NGOs, die auf die dramatische Entwicklung in Afghanistan schon seit längerem hingewiesen haben, die schnelle Evakuierung von gefährdeten Menschen noch vor dem Abzug der internationalen Truppen eingefordert haben, wurden nicht nur ignoriert, sondern konsequent abgewiesen.

Diese Politik der Realitätsverweigerung hat sich nicht nur auf der Bundesebene abgespielt, sie wurde sogar hier auf Landesebene fortgesetzt. Ministerpräsident Laschet und Flüchtlingsminister Stamp haben genauso wie Bundesinnenminister Seehofer noch bis zur letzten Sekunde an Abschiebungen nach Afghanistan festgehalten. Und damit suggeriert, dass das Land noch sicher sei. Dies war ein fataler und folgenschwerer Vorgang.

Und auch nach Beendigung der Luftbrücke scheint Bundesinnenminister Seehofer wieder im altbekannte Muster zu verfallen: mit Verweis auf eine notwendige Lösung auf EU-Ebene verwehrte er z.B. Thüringen die Einrichtung eines Landesaufnahmeprogramms und beharrt bei Familiennachzügen weiterhin auf Einzelprüfungen. Bis heute hat die Bundesregierung nicht öffentlich und verbindlich definiert, welche Personen in Afghanistan nach der entstandenen Notlage ab der Eroberung Kabuls durch die Taliban und der beginnenden Evakuierungen als besonders bedroht und schutzbedürftig gelten. Bei den Aufnahmekriterien legte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) besonders strenge Maßstäbe bei der Definition der Kernfamilie an, sodass bisher beispielsweise volljährige Söhne von der Regelung ausgeschlossen bleiben. Auch alte, pflegebedürftige Personen wie Eltern oder Schwiegereltern gelten nicht zur antragsberechtigten Kernfamilie. Damit werden afghanische Familien auseinandergerissen. Es ist wichtig, dass die NRW-Landesregierung die Initiative ergreift und sich beim Bund für eine schnelle Aufnahme von afghanischen Schutzsuchenden einsetzt.

Sichere Bleibeperspektiven für in NRW lebende Afghaninnen und Afghanen

Gleichzeitig braucht es endlich gesicherte Bleibeperspektiven für die bereits in NRW lebenden Afghaninnen und Afghanen. Das sind aktuell fast 45.000 Menschen, 4.000 von ihnen verfügen lediglich über eine Duldung.

Aufgrund der tatsächlichen Gründe, die eine Ausreise dieser Geduldeten nach Afghanistan auch in absehbarer Zeit unmöglich machen, muss Flüchtlingsminister Stamp die Ausländerbehörden jetzt anweisen, den betroffenen Personen zügig eine Bleiberecht zu erteilen und Ermessensspielräume großzügig auszuschöpfen. Und es bedarf dringend eines generellen und bundesweiten Abschiebestopps für Afghanistan.

In unserem Antrag „Schutz und Sicherheit für Menschen aus Afghanistan! – auch nach Ende der Luftbrücke Evakuierungen fortsetzen“ haben wir die Landesregierung aufgefordert, ihre Bemühungen in der Krise zu verstärken. Wir fordern ein Aufnahmeprogramm, das auch die Aufnahme aus Nachbarstaaten von Afghanistan ermöglicht, eine sichere Bleibeperspektiven und Unterstützung für die Menschen hier vor Ort. Es ist enttäuschend, dass CDU und FDP unseren Antrag abgelehnt haben und die SPD sich enthalten hat. Meine Rede aus dem Plenum ist hier nachzulesen, das Video findet Ihr hier.

Die Kommunen haben in Zeiten der humanitären Not immer wieder Haltung bewiesen – auch aktuell bei der Aufnahme von Schutzsuchenden aus Afghanistan. Die Stadt Köln hat zum Beispiel vor wenigen Tagen einen Dringlichkeitsantrag dazu im Rat verabschiedet.

Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich über Eure Aktivitäten vor Ort zu diesem Thema auf dem Laufenden haltet. Für weitere Fragen stehen Freya Kuhn, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Migration, Integration und Flucht (freya.kuhn@landtag.nrw.de, 0211/884 -2276) und ich gerne zur Verfügung.

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