Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze in NRW zum 01.01.2025

Portrait Simon Rock
Mehrdad Mostofizadeh

Der Landtag hat  in erster Lesung den Entwurf für das „Gesetz über die Einführung einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer Nordrhein-Westfalen“, den wir gemeinsam mit der CDU-Fraktion eingebracht haben, beraten.

Zum 01. Januar 2025 gilt in ganz Deutschland ein neues Grundsteuerrecht. Die Grundsteuerreform ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im April 2018 notwendig geworden. In NRW und den meisten anderen Bundesländern wird das sogenannte Bundesmodell angewendet.

Mit dem gemeinsamen Gesetzentwurf reagieren wir auf die für uns unerwünschte und unbeabsichtigte Folge, die das Grundsteuer-Bundesmodell von Olaf Scholz auch in NRW hervorruft. Denn durch dieses Modell kann es zu einer Lastenverschiebung zum Nachteil von Wohngrundstücken kommen. Damit droht Wohnen in vielen Fällen teurer zu werden, während Gewerbegrundstücke unterm Strich entlastet werden. Wir wollen verhindern, dass Wohnen durch diese Reform unnötig teurer wird.

Der Lösungsvorschlag, unter anderem von NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk bundeseinheitlich differenzierte Hebesätze einzuführen, ist von Bundesfinanzminister Christian Lindner abgelehnt worden. Daher nutzen wir nun die Länderöffnungsklausel für eine landeseigene und bürgerfreundliche Lösung.

Durch die neue gesetzliche Regelung werden wir es den NRW-Kommunen optional ermöglichen, die Grundsteuerhebesätze für Wohnen und Gewerbe zu differenzieren und somit Lastenverschiebungen vor Ort passgenau entgegenwirken zu können. Mit dieser Möglichkeit können gerade Ungerechtigkeiten bei Mietwohnungen vermindert werden.

Zur Vermeidung von unverhältnismäßigem Steuerwettbewerb enthält das Gesetz eine Grenze für die Festlegung des jeweiligen Hebesatzes für Nichtwohngrundstücke: Der Hebesatz für Nichtwohngrundstücke darf nicht niedriger festgelegt werden als der für Wohngrundstücke. Damit entziehen wir einem möglichen Steuerdumping der Grundsteuer für Gewerbetreibende auf Kosten von Mieter*innen, Wohnungseigentümer*innen und anderen Kommunen die Grundlage. Die Kommunen können diese Option nutzen, sie müssen es jedoch nicht. Es wird den Kommunen auch weiterhin möglich sein, einen einheitlichen Hebesatz für alle Grundstütze des Grundvermögens festzulegen. Weiterhin werden die Kommunen ebenso die Möglichkeit haben, für baureife, aber unbebaute Grundstücke im Rahmen der Grundsteuer C einen höheren Hebesatz festzulegen.

Das Land wird die Kommunen bei der möglichen Einführung differenzierter Hebesätze unterstützen, indem es die IT-Basisprogrammierung für die Kommunen finanziert und eine Mustersatzung bereitstellt. Ebenso wird das Land den Kommunen zentral aufkommens- und verteilungsneutrale Hebesätze zur Verfügung stellen, die die jeweilige Kommune dann umsetzen kann, aber ausdrücklich nicht muss.
Mit dieser Gesetzesinitiative sollen die vier Milliarden Euro an Steuereinnahmen für die Kommunen gesichert werden, damit sie ihre wichtigen Aufgaben vor Ort erledigen können und nicht gewollte soziale Folgen der Reform abgefedert werden.

Kritisierte Lastenverschiebungen sind plausibel
Einige nordrhein-westfälische Kommunen haben in den vergangenen Wochen und Monaten Berechnungen durchgeführt, um die Auswirkungen der Grundsteuerreform auf die Besteuerung der Grundstücke vor Ort in den Blick zu nehmen. Dabei ist unter anderem nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes deutlich geworden, dass es gegenüber der aktuellen Grundsteuerberechnung deutliche Lastenverschiebungen zum Nachteil von Wohngrundstücken gibt.

In einer Beispielkommune zeigten sich in Berechnungen überproportionale Grundsteuerminderungen bei Nichtwohngrundstücken. Um eine Aufkommensneutralität auf Ebene der Kommunen nach dem 01.01.2025 herzustellen, hätte hier der Grundsteuerhebesatz für alle Grundstücke angehoben werden müssen. In der Folge wäre die Grundsteuer für Wohngrundstücke überproportional gestiegen.

Im Einzelfall sind Lastverschiebungen durch die Grundsteuerreform zu erwarten gewesen, denn das Bundesverfassungsgericht hatte die derzeitige Berechnungsmethode aufgrund nicht durchgeführter Aktualisierungen der Besteuerungsgrundlagen über einen langen Zeitraum für rechtswidrig erklärt. So bezogen sich die der Grundsteuer zugrunde liegenden Einheitswerte noch auf das Berechnungsjahr 1964 (Westdeutschland) bzw. 1935 (Ostdeutschland).

Eine Aktualisierung der Berechnungsgrundlagen war also dringend notwendig.

Damit einher geht, dass eine Grundsteuerreform nicht für jedes einzelne Grundstück zur gleichen Steuerlast wie vor der Reform führen würde, es also „Gewinner“ und „Verlierer“ geben würde. Ansonsten wäre die Grundsteuerreform auch ad absurdum geführt worden. Eine grundsätzliche Lastenverschiebung zum Nachteil von Wohngrundstücken war jedoch kein bezweckter Effekt der Grundsteuerreform. Daher können wir die Kritik der Kommunen gut nachvollziehen. Als Koalition haben wir uns daher intensiv für eine Lösung der Problematik eingesetzt.

Vorschlag eines Korrekturfaktors bei Steuermesszahlen nicht umsetzbar
Ein Vorschlag der Kommunalen Spitzenverbände, zur Behebung dieser Verzerrungen, ist die Einführung eines Korrekturfaktors bei den Steuermesszahlen.

§ 15 Absatz 1 des Grundsteuergesetzes auf Bundesebene legt die Steuermesszahlen für unbebaute und Nichtwohngrundstücke auf 0,34 Promille und für Wohngrundstücke mit 0,31 Promille fest. Hier gäbe es auf den ersten Blick einen Hebel zur Differenzierung und Korrektur. Allerdings wäre eine Änderung an dieser Stelle mit einem erheblichen Aufwand der Software-Programmierung und Neuberechnungen für die Finanzämter verbunden, die bis zum 01.01.2025 faktisch nicht umsetzbar sind. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 legt jedoch fest: Wenn die neue Berechnungsmethode nicht zum 01.01.25 greift, entfällt die Grundsteuer ersatzlos.

Darüber hinaus sind die Belastungsverschiebungen von Kommune zu Kommune verschieden. Eine Anpassung der Steuermesszahlen müsste für ganz NRW einheitlich gelten und könnte so niemals allen 396 Kommunen gleichzeitig gerecht werden. Vor diesem Hintergrund haben wir einen anderen Lösungsweg verfolgt.

Grüne Kritik am Bundesmodell
Einige Bundesländer hatten sich nach Beschluss des Bundesmodells im Dezember 2019 über eine bestehende Öffnungsklausel für ein abweichendes Modell entschieden. Auch wir Grüne hatten uns für ein anderes Modell in NRW eingesetzt. Als einzige Fraktion im Landtag hatten wir 2020 einen Alternativvorschlag zur Diskussion gestellt, das sogenannte Bodenwertmodell. In einer Anhörung wurden die Vorteile dieses Modells etwa durch das ZEW Mannheim beschrieben.
Doch CDU und FDP haben sich in der damaligen Landesregierung durch Nichtstun faktisch für die uneingeschränkte Anwendung des Bundesmodells entschieden. Dass die FDP nun gegen das Modell wettert und erst jetzt in der Opposition einen Vorschlag einbringt, ist ein durchschaubares Ablenkungsmanöver – hatte sie in der letzten Legislaturperiode als Teil der Landesregierung mehr als genug Zeit. Doch diese Chance hat sie nicht genutzt. Nach Übernahme der Regierungsverantwortung im Mai 2022 war es für einen Modellwechsel in NRW bereits zu spät. Daher setzen wir uns nun konstruktiv dafür ein, das Bundesmodell im Sinne der Kommunen und der Bürger*innen weiter auszugestalten.

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