Dagmar Hanses: „Wenn ihre Stimme zählt, dann steigt auch das Interesse, sich zu informieren, zu debattieren, kritisch zu denken“

Zum Entwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen im Landtag für eine Änderung der Verfassung des Landes NRW (Wahlalter 16) - erste Lesung

Portrait Dagmar Hanses

Dagmar Hanses (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wahlrecht ist eines der Rechte, an dem wir gesellschaftliche Veränderungen gut sehen können, und mit diesem Thema sprechen wir nichts Geringeres als die Frage an, wer in unserer Demokratie mitbestimmen darf. Wir sagen mit diesem Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung sehr klar: Die Stimmen von jungen Menschen sind uns wichtig; nicht irgendwann, sondern jetzt.

Es ist nicht wichtig, wie lange wer schon dafür war, sondern ich bin froh und dankbar, dass jetzt alle demokratischen Fraktionen unter diesem Gesetzentwurf stehen.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und Dirk Wedel [FDP])

Einen Dank an alle, die dazu beigetragen haben. Das ist wirklich ein starkes Signal.

Es ist auch kein radikaler, sondern es ist ein konsequenter, überfälliger und von mir persönlich lange ersehnter Schritt. Das aktive Wahlrecht für 16- und 17-Jährige bei Kommunalwahlen und bei der Europawahl hat sich auch in anderen Ländern bewährt. Es funktioniert. Nun machen wir den Weg frei, dieses Wahlrecht für Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen.

Stellen Sie sich eine Jugendliche vor, die vielleicht im Sommer 2009, Juni oder Juli, geboren wurde. Die wahrscheinlich nächste Landtagswahl im Mai 2027 liegt vor ihrem 18. Geburtstag. Dann ist sie nach aktueller Verfassungslage erst im Jahr 2032, also im Alter von 22 Jahren, berechtigt, den Landtag zu wählen. Das wäre eindeutig zu spät, und es ist im Zweifelsfall auch eine vertane Chance, junge Menschen für Politik zu begeistern. Gut, dass wir das ändern!

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Dieses Beispiel der jungen Frau macht deutlich: Was haben junge Menschen dann schon alles erlebt? Wie viele Steuern haben sie schon gezahlt? Wo haben sie sich bereits überall eingebracht und engagiert?

Ihre aktive Stimme für den Landtag wollen wir bis dahin nicht hören? Doch, wir wollen sie hören und wir möchten junge Menschen ernst nehmen. Wir möchten, dass sie über die Zusammensetzung dieses Parlaments mitentscheiden.

Das Wahlrecht ist ein Schlüssel zur politischen Partizipation. Es ist das vornehmste Recht in einer Demokratie. Deshalb ist die Ausweitung des Wahlrechts nichts anderes als ein Zeichen für konkrete Generationengerechtigkeit. Denn durch den demografischen Wandel sind junge Menschen in vielen Bereichen unterrepräsentiert. Auch deshalb gehen wir diesen Schritt.

Mit den Entscheidungen, die wir jetzt treffen, müssen jüngere Menschen am längsten leben – viel länger als wir. Deshalb: Schenken wir ihnen mehr Aufmerksamkeit und geben ihnen das Wahlrecht! Es ist eine logische Folge, es auszuweiten. Und jede Altersgrenze ist gegriffen. Deshalb ist dies für uns nur ein erster Schritt. Wir hoffen auch, mit diesem Schritt an die Bundesebene zu appellieren, unserem guten Beispiel zu folgen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Viele Studien zeigen, dass 16- und 17-Jährige politisch sind, dass sie sich interessieren, dass sie sich am Diskurs beteiligen möchten. Das Engagement in Verbänden, Vereinen, Gewerkschaften oder auch bei Fridays for Future hat uns sehr deutlich gezeigt, wie junge Menschen uns aufrütteln können. Denn junge Menschen wissen: Wenn ihre Stimme zählt, dann steigt auch das Interesse, sich zu informieren, zu debattieren, kritisch zu denken. Und das stärkt unsere Demokratie insgesamt.

Wir wissen, dass das aktive Wahlrecht auch ein aktiver Beitrag zur Steigerung der Wahlbeteiligung in der Zukunft ist. Je früher Menschen wählen dürfen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es auch später tun werden.

Demokratie lebt davon, dass wir sie gemeinsam gestalten. Sie lebt davon, dass wir Vertrauen schenken. Wenn wir jungen Menschen mit Vertrauen entgegengehen, dann bekommen wir ihre Verantwortung zurück. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)