Dorothea Deppermann (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsystem für Gefahren durch Verfassungsfeinde. Das klingt total abstrakt, aber es geht ganz konkret um Menschen.
Zuerst zwei Beispiele: Die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ist 2024 um 60 % auf über 5.600 Fälle gestiegen. Die Opferberatungsstellen sprechen von über 720 unmittelbar betroffenen Personen in NRW. Diese Vorfälle beeinflussen aber auch das Leben zahlreicher anderer Menschen. Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, diese Entwicklungen und die Bildung von Netzwerken zu beobachten. Genau das ist sein Auftrag.
Zweitens. Die Gefahr islamistischer Terrorangriffe ist immer noch sehr hoch. Die Strukturen und Aktivitäten haben sich in den letzten zehn Jahren aber drastisch geändert. Aus Netzwerken wurden vermehrt Einzeltäter. Aus Telefonaten wurden digitale Kommunikation im Messenger oder über soziale Medien. Auch das Alter der Tatverdächtigen hat sich erschreckenderweise drastisch abgesenkt. Darauf muss Politik, müssen wir reagieren, um unsere Demokratie und auch ganz konkret die Menschen hier in NRW zu schützen.
(Beifall von den GRÜNEN und Gregor Golland [CDU])
Diesen neuen Gegebenheiten müssen auch unsere Sicherheitsbehörden angemessen entgegentreten. Das vorliegende Verfassungsschutzgesetz schafft genau diesen Rahmen: rechtssicher, grundrechtskonform und auch technisch auf der Höhe der Zeit. Ein zentrales Element des Gesetzes ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Masse an öffentlich zugänglichen Informationen und Medien ist groß, so groß, dass kein Team von Menschen sie mehr von Hand auswerten kann. Bisher werden – bildlich gesprochen – Puzzleteile von Hand nach Farbgebung und Größe sortiert, statt Zeit zu haben und sie zu einem großen Bild zusammenzuführen.
Das wollen wir als schwarz-grüne Koalition ändern. Zukünftig werden Informationen von der KI sortiert. So haben Mitarbeitende eine bessere Basis für eine umfassende Analyse zu Personen und Gruppierungen. Der Verfassungsschutz kann so effektiver seinen Aufgaben nachgehen und im Einzelfall auch schneller Informationen zusammentragen.
Dabei gilt für uns ganz klar: Technik dient immer den Menschen und darf nie ein blinder Aktionismus werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
KI unterstützt bei der Zuordnung, aber die Entscheidungen treffen immer die Menschen. Und jede KI ist nur so gut wie ihre Datenbasis. Das kann zu Diskriminierungen führen und genauso auch zu schlechten Ermittlungsergebnissen. Deshalb muss es klare Vorgaben geben mit regelmäßigen Überprüfungen der Technik und auch verpflichtenden Fortbildungen für die Mitarbeitenden.
KI und technische Möglichkeiten verändern sich rasant. Deshalb ist für uns eine verpflichtende Evaluation unter Einbindung unabhängiger wissenschaftlicher Expertise richtig und wichtig.
Statt einem Blankoscheck für den Einsatz von KI setzen wir auf stetige Weiterentwicklung, auch unter Beachtung von datenschutzrechtlichen Vorgaben.
NRW ist das erste Bundesland, welches eine derartige Regelung getroffen hat. Gezielter Schutz vor Verfassungsfeinden bei effizienter Kontrolle – das ist bürgerrechtssensible Sicherheitspolitik auf der Höhe der Zeit.
(Beifall von den Grünen)
Natürlich haben wir auch die Rechtsprechung aus anderen Bundesländern berücksichtigt. Diese Anpassungen sind auch im Sinne der Menschen hier in NRW. Die einzelnen Maßnahmen des Verfassungsschutzes sind nun klarer strukturiert. Es kann transparent nachvollzogen werden, welche Befugnis in welchen Fällen zur Anwendung kommen darf und wer über den Einsatz konkret entscheidet.
Maßnahmen des Verfassungsschutzes werden verdeckt durchgeführt, sodass die betroffenen Personen selbst kaum einen effektiven Rechtsschutz dagegen erwirken können. Das wird unter anderem dadurch ausgeglichen, dass zukünftig ein Gericht besonders eingriffsintensive Maßnahmen in einem Einzelfall genehmigen muss.
Auch die parlamentarische Kontrolle durch uns Abgeordnete wird gestärkt, indem beispielsweise die Beauftragung von Sachverständigen ausgeweitet wird und auch die Dienstanweisungen für den verdeckten Einsatz von Personen dem PKG vorgelegt werden. Es ist unser Auftrag als hierfür gewählte Abgeordnete, diese Kontrolle auch intensiv auszuüben.
Wichtig ist aber auch, dass der Verfassungsschutz selbst geschützt ist. Ungewollte Datenabflüsse passieren häufig von innen heraus. Daher sind die neuen Maßnahmen zur Eigensicherung des Verfassungsschutzes ein wichtiger Baustein der Prävention. Diese Form der effektiven Kontrolle macht deutlich: Wo staatliche Wachsamkeit beginnt, darf persönliche Freiheit nicht automatisiert enden.
Der Verfassungsschutz ist das Frühwarnsystem zum Schutz unserer Demokratie. Er arbeitet überparteilich und unabhängig für die Sicherheit der Menschen hier in NRW. Und gerade deshalb wäre es aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt, dass wir als demokratische Fraktionen dazu gemeinsam ins Gespräch kommen und gemeinsam dafür einstehen, dass das Thema „Verfassungsschutz“ gut ausgewogen aufgestellt wird.
Der Überweisung stimmen wir daher sehr gerne zu und freuen uns auf die weiteren Beratungen im Ausschuss.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)
